Mit dem Tod von Eric Hobsbawm hat die Linke einen schweren Verlust erlitten. Er war ein großer Historiker mit einem besonderen Gespür für die universelle historische Kultur, mit der Fähigkeit, systematische mit gewagten Analysen zu verbinden, und einem leicht verständlichen Stil, frei von akademischem Fachjargon. Am Ende seiner Überlegungen stand, dass sich das 21. Jahrhundert auf neue Weise mit der Alternative: „Sozialismus oder Barbarei“ konfrontiert sieht. Aus diesem klaren Befund leitete er die Richtung ab, in die die Linke zu gehen gehalten ist.
Der Fokus dieser Ausgabe ist auf die Vertiefung unseres Verständnisses für die Ursachen und Folgen der Krise gerichtet, die die Europäische Union und die Eurozone weiter schüttelt. So werden insbesondere die Fehlkonstruktionen in der Grundkonzeption der Gemeinschaft und jene Probleme in den Blick genommen, die sich aus der dominierenden Rolle Deutschlands für die EU-Politiken ergeben.
Ungeachtet der stabilen und friedlichen Entwicklung Europas nach dem zweiten Weltkrieg darf die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union die Aufmerksamkeit nicht von einer grundlegenden Tatsache ablenken: Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der EU haben sich im Jahre 2012 insgesamt weiter verschlechtert. Und ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Die Kürzungspolitik, die durch die Troika umgesetzt wird, hat – weit davon entfernt, einen Ausweg zu weisen – den Prozess der sozialen Zerstörung in Europas Süden weiter vorangetrieben. Während einige Länder sich einer humanitären Katastrophe gegenübersehen, haben sowohl die Machtzentren Europas, die Europäische Kommission und der Europäische Rat als auch die Europäische Zentralbank einen großen Sprung vorwärts gemacht in der weiteren Integration EU-Europas auf einer zentralistischen und autoritären Grundlage. Dies wird zu einer weiteren Verschärfung der Widersprüche in der Eurozone und der Europäischen Union führen.
Andererseits kann das Jahr 2012 in die Geschichte eingehen als das Jahr nach dem zweiten Weltkrieg, in dem die Bevölkerungen, die Arbeiter, die Jugend und das „Prekariat“ ihre Stimme mit bisher ungekannter Entschlossenheit erhoben. In den Wahlen in einer Reihe von Ländern, darunter in Dänemark, Spanien, Frankreich, Griechenland und in der Tschechischen Republik, hat sich diese Entwicklung zugleich in der Neubelebung einer konsistenten politischen Linken gezeigt. Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union findet am 14. November ein grenzüberschreitender Generalstreik statt. Die spanischen, portugiesischen und griechischen Gewerkschaften hatten die Initiative dazu ergriffen, und der Europäische Gewerkschaftsbund hat diese ausgeweitet zu einem EU-weiten Aktions- und Solidaritätstag für einen Europäischen Sozialpakt.
Das ist nicht die einzige Neuerung. Ein wichtiges neues Element im Rahmen der Bestrebungen, den Widerstand gegen die Kürzungs-Politik und die autoritäre Wende zu vergrößern, wird der „Gegen-Gipfel“ in der ersten Hälfte 2013 sein. Das Projekt, das von mehr als 80 Organisationen getragen wird, darunter einigen der größten Gewerkschaftsverbände in Europa (CGT, CGIL, CCOO und CGT-P) einer wichtigen sozialen Bewegung, wie Attac, und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, und das sich zugleich der Unterstützung durch den Europäischen Gewerkschaftsbund erfreut sowie von wichtigen Persönlichkeiten der Partei Europäische Linke, darunter dem Vorsitzenden, Pierre Laurent, unterstützt wird, hat zwei Ziele: die verbreitete Ablehnung der derzeit gemachten Politik in einen breiten Kampf für eine Alternative zu verwandeln und diese Alternative in eine Politik umzusetzen, die die Kräfteverhältnisse in der EU verändert. Transform! Europe ist ein aktiver Partner in diesem Prozess, der in der Lage sein kann, die sozialen, kulturellen und politischen Kämpfe der Linken für eine neue, gemeinsame Hegemonie zu verbinden.
Elisabeth Gauthier untersucht in ihrem Artikel die strategischen Möglichkeiten der Linken in den gegenwärtigen politischen Kämpfen. Zusätzlich zu dem Schwerpunkt richtet sich das Augenmerk auf die Bedingungen für die Kämpfe der Linken, die Länderanalysen reichen von der Analyse der Wahlen in Griechenland bis zu den verschiedenen linken Formationen in Russland.
PS: Wir sind froh, den österreichischen Fotografen Mario Lang als Illustrator dieser Ausgabe zu haben.
Mario Lang wurde 1968 in Wien geboren, erlernte den Beruf des Augenoptikers und arbeitet seit dem Jahr 2000 als Fotograf und Herausgeber des Wiener Straßenmagazins „Augustin“. Seine Fotografien illustrierten verschiedene Reportage-Bände und er leitet den „Stimmgewitter Augustin-Chor“ (www.stimmgewitter.org). Er ist in der lokalen Musikszene aktiv, hat eine Vorliebe für Flüsse, darunter die Donau, und den europäischen Osten. Er lebt und arbeitet in Wien. www.mariolang.com.