Viele Freundinnen und Freunde haben in den letzten Monaten folgende Frage gestellt: Was, wenn Portugal die Eurozone verlassen muss? Sollte ich dann mein Geld von der Bank holen? Sollte ich es bei einer ausländischen Bank anlegen? Sollte ich die Rückzahlung des Immobilienkredits an die Bank vorwegnehmen? Sollte ich das Haus verkaufen? Sollte ich Rücklagen für eine private Rentenversicherung bilden? Sollte ich eine Krankenversicherung abschließen? Sollte ich auswandern? Was soll ich tun?
Anstatt einfach eine Anleitung zu präsentieren, wie wir individuell vorgehen können, um der Unsicherheit zu begegnen, schlagen wir unseren LeserInnen eine andere Lösung vor: Wir sollten lernen, nachdenken und diskutieren, um uns in die Lage zu versetzen, überhaupt Entscheidungen treffen zu können. Wir schlagen vor, gemeinsam auf die Probleme zu antworten, anstatt dass jeder für sich allein bleibt. Dieser Artikel handelt von dieser gemeinsamen Entscheidung. Er schlägt kollektive Willensbildung und Mobilisierung im Angesicht des Ausnahmezustands vor. Er schlägt vor, die Kraft zu entwickeln, die nötig sein wird, um die Schulden neu zu verhandeln und zu restrukturieren; er schlägt vor, die Schulden zu verweigern, die auf Zwang und Missbrauch beruhen, das Land nach sozialen Maßstäben zu reorganisieren, die Wirtschaft zu demokratisieren und Europa zu retten, indem wir es im Sinne verantwortlichen gesellschaftlichen Handelns umgestalten und das Finanzkapital entmachten.
Fangen wir damit an uns klarzumachen, was ein Ausstieg aus dem Euro bedeuten würde, denn das ist die Hauptsorge unserer FreundInnen – und derjenigen, die uns schreiben. Der Vorschlag, die Eurozone zu verlassen, wird vor allem von zwei Strömungen immer wieder vorgebracht: zum einen von jenen Ökonomen, die die Euro-Zwangsjacke ablehnen und sich eine andere Lösung nicht vorstellen können, zum anderen von jenen, die eine nationale Lösung als Ausweg aus einer sich ewig hinziehenden Eurokrise ansehen (oder die immer schon Nationalisten waren). Es handelt sich hier um zwei verschiedene Schulen, die unterschiedliche Ideen und Konzepte verfolgen.
Unter den Ökonomen, die den Euroaustritt befürworten, befinden sich die üblichen Verdächtigen, wie Paul Krugman und Nouriel Roubini aus den USA. Für sie ist der Austritt Griechenlands und Portugals aus der Eurozone nicht länger eine mögliche Option, sondern schlichtweg unvermeidlich. Aus ihrer Sicht macht die Abwärtsspirale, die die finanzpolitischen Anpassungsmaßnahmen auslösen – Steuererhöhungen die keine höheren Staatseinnahmen generieren, wirtschaftlicher Stillstand und das völlige Versagen der Politik –, politisches Handeln unmöglich. Deshalb, so argumentieren sie, besteht die einzige Lösung für die betreffenden Länder darin, die Eurozone zu verlassen. Die neue Währung dieser Länder könnte dann gegenüber dem Euro abgewertet werden; die Exporte würden wachsen, die Löhne sinken – auf diese Weise könnte sich die Wirtschaft wieder erholen. Man muss darauf hinweisen, dass keiner von ihnen einen Schuldenschnitt befürwortet, zumindest sind sie sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, die Schulden neu zu verhandeln. Sie hoffen, mit ihrem Vorschlag Zeit zu gewinnen, um die Schulden auf andere Weise zu begleichen, etwa durch eine Steigerung der Exporte. Beide sind sich außerdem darin einig, dass die Kosten der Anpassung in Form von Lohn- und Rentenkürzungen von den Lohnabhängigen getragen werden sollen.
An dieser Stelle gibt es gute und weniger gute Argumente. Vor allem aber läuft diese Lösung auf eine dauerhafte Lohnsenkung hinaus, die unmittelbar negativen Auswirkungen auf den Lebensstandard der Bevölkerung sind hier meist egal. Im Rahmen dieser Debatte gibt es andere Ökonomen, die vorschlagen, man könne die Europäische Union dazu bewegen, den Austritt aus der Eurozone zu finanzieren, oder man könne gar von den Finanzmärkten erwarten, dass sie sich neutral gegenüber der neuen Währung (stellen wir uns vor, ihr Name wäre „Escudo“) verhielten. Und dann gibt es noch die VerfechterInnen eines bemerkenswerten Vorschlags: Sie meinen, das Land solle damit drohen, die Eurozone nur unter der Bedingung zu verlassen, dass es einen finanziellen Ausgleich für die Schäden erhält, die es durch den Verlust seiner Marktanteile und seiner Wettbewerbsfähigkeit erleidet. Die Rede ist von einer Art Ultimatum: Wenn ihr nicht zahlt, bleiben wir.
Ich kann mich dieser Sichtweise nicht anschließen. Ich bevorzuge eine realistischere Untersuchung der Lage. Fragen wir uns, was geschehen würde, wenn sich die Regierung für einen Ausstieg aus der Eurozone entscheiden würde. Doch bevor wir damit fortfahren, sollten wir uns vor romantischen Vorstellungen hüten. Eines ist klar: Wenn eine Regierung den Ausstieg Portugals aus der Eurozone beschließt, dann wird es die deutsche Regierung sein, die momentan in der EU das Kommando führt. Es gibt keine andere gesellschaftliche oder politische Kraft, die die Macht hätte, diese Entscheidung zu treffen. In Portugal ist keine Kombination aus PSD (Sozialdemokraten), CDS (Konservativer Volkspartei) und PS (Sozialisten), den Parteien, die das Abkommen mit der Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission unterzeichnet haben, vorstellbar, die sich auf eine solche Alternative einlassen könnte. Selbst wenn dies geschähe, sollte man nicht glauben, dass eine solche Alternative den Schutz der Lohnabhängigen im Sinn hätte. Diese Option existiert schlichtweg nicht in den möglichen Machtmodellen der portugiesischen Parteienlandschaft.
Wenn Portugal den Euro verlässt, dann nur als Ergebnis des deutschen Diktats und der Durchsetzung eines neuen Politikmodells in der Europäischen Union. Die Ereignisse wecken Erinnerungen an das Ultimatum von 18901 und den folgenden erzwungenen Staatsbankrott, denn er löste soziale Aufstände aus und bereitete den Weg für den Sturz der Monarchie, bei dem Großbritannien sich durchsetzte und die Kontrolle über die afrikanischen Kolonien übernahm. Doch dieses Mal geht es um das Gesellschaftsmodell, in dem wir die letzten mehr als 35 Jahre Demokratie erlebt haben.
Ein Ende des Euros wird es nur geben, wenn es im Interesse Deutschlands liegt. Doch wird es Deutschlands Wunsch sein? Niemand kann diese Frage mit Sicherheit beantworten. Der Schlingerkurs der rechten deutschen Regierung, insbesondere der von Kanzlerin Merkel, ist zu verworren, um ihn wirklich zu durchschauen. Die politische Rechte in Deutschland, die bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 die Regierungsmacht an eine Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen verlieren könnte, zeigt unübersehbar Ermüdungserscheinungen. Diese versucht sie zu kompensieren, indem sie eine Stimmung nationalistischer Arroganz gegen Griechenland entfesselt hat. Trotzdem hat sie alle Landtagswahlen verloren. Im Februar trat der deutsche Bundespräsident zurück, die Rechtskoalition zeigte Zeichen von Schwäche. All das sind Hinweise, dass die politische Führung Deutschlands zunehmend Schwierigkeiten hat, das Land zu kontrollieren. Es ist also nicht sinnvoll, exakte Vorhersagen darüber zu machen, was 2012 oder 2013 passieren wird.
Umgekehrt gibt es einige stabile Strukturelemente: Die deutsche Wirtschaft würde bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone schweren Schaden nehmen, wie wir gleich sehen werden. Die Rückkehr aller europäischen Länder zu ihren eigenen Währungen wäre ein enormes Stabilitätsrisiko, das für Deutschland wenig vorteilhaft wäre. Als stärkste Volkswirtschaft der Eurozone hätte Deutschland in den resultierenden Handelskonflikten überdurchschnittlich zu verlieren. Der Grund ist einfach: Wenn das erste und wichtigste Ziel aller Länder darin bestünde, durch eine neue nationale Währung die Exporte zu steigern und die Importe zu reduzieren, also eine neomerkantilis-tische, auf den eigenen Vorteil bedachte Wirtschaftspolitik zu verfolgen, wäre das Ergebnis eine Katastrophe, denn die Exporte der einen Länder sind die Importe der anderen. Eines ist sicher: Es können nicht alle gleichzeitig mehr verkaufen und weniger kaufen.
Deutschland hat auf eine solche neomerkantilistische Politik gesetzt – und die anderen europäischen Länder genötigt, sie zu akzeptieren. Es war das einzige Land, das das in diesem Umfang tun konnte – und tat. Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, verlangte die deutsche Wirtschaft ihren ArbeiterInnen und Angestellten drastische Lohnsenkungen ab. Doch um die Exporte zu steigern, reicht es nicht, nur die Löhne zu drücken. Von ebenso zentraler Bedeutung ist es, dass die Grenzen zu den anderen europäischen Ländern offen bleiben.
Aus diesem Grund hat Deutschland gegengesteuert, um die Kräfte zu dämpfen, die zum einem totalen Zusammenbruch des Euro führen könnten. So hat Deutschland Griechenland bisher nicht zum Austritt aus dem Euro gedrängt, es hat sogar eine bis dato undenkbare Umschuldung inklusive eines partiellen Schuldenverzichts privater Gläubiger akzeptiert. Selbst wenn ein Dominoeffekt bei einem Euroaustritt Griechenlands (oder Portugals) unwahrscheinlich ist, wäre die Unsicherheit über die Zukunft der Währung eine Tatsache.
Auf der anderen Seite haben die ersten Monate des Jahres 2012 deutlich gezeigt: Das Problem Europas sind nicht Portugal oder Griechenland. Es ist der Druck, den das Finanzkapital insbesondere auf Italien, Spanien und andere Volkswirtschaften ausübt, die unter Spekulation und Rezession ächzen. Das umfangreiche Dreijahresprogramm zur günstigen Finanzierung privater Banken, das die EZB Ende 2011 ungeachtet seiner bisherigen Doktrin aufgelegt hat, demonstriert, wie sehr Institutionen, die im Dienst der deutschen Regierung stehen, die Folgen einer Kernschmelze des Finanzsystems fürchten. Keine deutsche Regierung, die einen Gedanken an die ökonomischen Folgen verschwendet, kann das Ende des Euro wollen.
Dennoch: Will Deutschland möglicherweise, unter dem Vorwand, den Euro zu retten, den Ausschluss einiger oder aller Länder der europäischen Peripherie? Auf die Frage wird weiter unten noch einmal zurückzukommen sein. Stellen wir zunächst einige Überlegungen darüber an, wie das praktisch aussehen könnte. Wie würde sich ein Euroaustritt Portugals auf die Lebensbedingungen der Beschäftigten auswirken?
Das wichtigste zuerst: Beginnen wir mit der Entscheidung für eine neue Währung, die wieder den alten Namen „Escudo“ bekäme. Das Szenario sieht wie folgt aus: Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage entschließt sich die Regierung, dem deutschen Ultimatum zu folgen, erklärt, den Euro zu verlassen, und strebt eine Rückkehr zum Escudo als eigener portugiesischer Währung an.
In aller Stille beginnt sie mit dem Druck von Escudo-Banknoten und trifft alle Vorkehrungen, die große Nachricht an einem Freitagabend nach Handelsschluss an den Börsen zu verkünden (möglicherweise verordnet sie den Banken auch einen mehrtägigen Zwangsurlaub). An diesem Wochenende machen alle Banken Überstunden, um die Geldautomaten mit den neuen Scheinen zu versorgen, so dass die neue Währung sofort im Umlauf ist.
Es sind auch andere Varianten zur Einführung der neuen Währung denkbar: Zum Beispiel könnte die Regierung einfach Euroscheine nachdrucken und mit dem Logo des neuen Escudo versehen, bis sie die neuen Scheine in Umlauf gebracht hat. Doch diese Szenarien erfordern einige Fantasie, denn es ist unklar, ob die Eurobehörden diese List widerstandslos akzeptieren würden.
Was aber mit Sicherheit geschehen wird: Die Pläne für eine neue Währung werden durchsickern. An dem Kraftakt zur Ausgabe des neuen Escudo werden Tausende Menschen beteiligt sein, Menschen, die für den Transport und die Verteilung der Geldnoten zuständig sind. Ganz sicher werden sie ihren Familien von dem Einsatz erzählen. Die Menschen werden außerdem die Erklärungen der diversen MinisterInnen in den Wochen vor der Umstellung im Ohr haben, die auf den Ernst der Lage hinweisen und betonen, dass schwerwiegende Maßnahmen notwendig sind, um das Land zu retten. Ein europäischer Krisengipfel würde anberaumt werden, kurz und gut: Die Menschen wüssten vorher, was geplant ist. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht geheim halten.
Was also würden die Bürgerinnen und Bürger tun? Das Naheliegende: Sie würden ihre Ersparnisse von den Banken abheben und ihre Euros in Sicherheit bringen. Täten sie es nicht, würden sich all ihre Ersparnisse in Escudos verwandeln, deren Nominalwert infolge der heftigen Abwertung, die ja das Ziel der ganzen Operation ist, spürbar fallen würde. In anderen Worten: Die Bankkonten werden denselben Wertverlust erleiden wie die Währung, in der sie registriert sind. All jene Lohnabhängigen, die ihre Löhne bzw. Rente zur Bank gebracht haben, werden jedenfalls die ersten Opfer der neuen Währung sein. Deshalb werden sie versuchen, so viel davon zu retten wie möglich.
Und nicht nur sie. Die Währungsumstellung wird eine massive Kapitalflucht auslösen. Unternehmen und Fonds, ja sämtliche Institutionen, die ihr Geld bei Banken angelegt haben, die in Portugal aktiv sind, werden alles daran setzen, dieses Geld an einen Ort umzuleiten, an dem ihre Einlagen vor Abwertung sicher sind.
Die Banken jedoch wollen ihren Kunden keineswegs deren gesamtes Guthaben auszahlen, es würde sie ruinieren. Weder wollen noch können sie es, sie haben schlicht nicht genug Geld dafür – die Banken haben nicht ausreichend Banknoten, um alle Guthaben aller Leute, die ein Konto haben, auf einmal auszuzahlen. Die Banken werden deshalb ihre Pforten schließen, wenn sich die Alarmsignale häufen, und die Regierung wird der Armee befehlen müssen, die Gebäude zu sichern. Das jedenfalls ist in Argentinien und Russland geschehen und auch sonst immer dann, wenn große Geldentwertungen bekannt gegeben wurden. (Und in diesen Fällen ging es nicht einmal darum, eine neue Währung einzuführen – ein Versuch, für den es in der Geschichte der Europäischen Union bisher keinen Präzedenzfall gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass die bisher bestehende Währung durch eine deutlich niedriger bewertete ersetzt wird.)
Spätestens nun haben die BefürworterInnen eines schnellen Austritts aus der Eurozone ihr erstes Problem. Armee und Banken werden sich gegen die Bevölkerung stellen müssen. Und die ersten Opfer sind die Kontoinhaber. Wenn die Abwertung sich um die 50 Prozent bewegt, wovon viele Ökonomen, die einen solchen Schritt befürworten, ausgehen, werden die Ersparnisse der Lohnabhängigen die Hälfte ihres Werts verlieren.
Sehr wahrscheinlich werden für eine gewisse Zeit Euro und Escudo parallel zirkulieren. Diese doppelte Preisreferenz wird nicht nur eine massive Abwertung des Escudo nach sich ziehen, sondern auch einen enormen Inflationseffekt auslösen. Auch kann die Angst vor der ungewissen wirtschaftlichen Zukunft dazu führen, dass Waren zurückgehalten werden, was weitere Verunsicherungen der Märkte nach sich ziehen kann. Es wird zu einem Run auf die Supermärkte kommen, die Regale werden sich leeren, bis sich die wirtschaftliche Lage beruhigt hat. Das Leben nach dem Euro wird nicht einfach sein.
Es steht aber noch ein zweiter Schock bevor. Die Hälfte aller portugiesischen Familien schulden der Bank Geld. Sie haben langfristige Kredite mit mehrjährigen Laufzeiten aufgenommen, meist um ein Haus zu kaufen, und diese Darlehen wurden in Euro gewährt. Wenn die Regierung den Euro verlässt, hat sie zwei Möglichkeiten: 1. Sie akzeptiert, was die Banken wollen, nämlich dass die Schulden der betroffenen Familien weiter in Euro gerechnet werden (oder zumindest ihren Wert in Euro behalten), oder 2. sie verfügt, dass die Schulden in Escudo umgewandelt werden, um die SchuldnerInnen zu entlasten. In der Praxis bleibt ihr nur die zweite Option, weil anderenfalls der durch die verschärfte Verschuldung ausgelöste Aufruhr in der Gesellschaft zu gewaltig wäre.
Würde die Regierung den Banken erlauben, die Kredite weiterhin in Euro zurückzufordern (so wie es ursprünglich in den Verträgen festgesetzt war), würden die Schulden noch schwerer auf den Schultern der Bevölkerung lasten. Nehmen wir an, jemandes 100.000-Euro-Schuld würde in Escudo umgewandelt und sich folglich auf 30.000.000 Escudos belaufen. Wenn das Gehalt des Schuldners vor der Abwertung 1.000 Euro im Monat betrug (was in der neuen Währung 200.000 Escudos oder 200 „Contos“ entspräche), wäre diese Summe danach nur noch etwa 670 Euro wert, wovon die Hälfte direkt zur Schuldentilgung an die Bank ginge. Ursprünglich hätte der Schuldner – mit viel Mühe – etwa 17 Jahre gebraucht, um seine Schulden vollständig zurückzuzahlen. Nun braucht er – mit derselben Mühe – 25 Jahre, wenn er weiterhin die Hälfte seiner Einnahmen an die Bank zahlt. Er zahlt also weitere acht Jahre.
Im zweiten Fall, wenn die Regierung also – so wie sie es tun sollte – verfügt, dass die Schulden eins zu eins in Escudo umgerechnet werden, würden diejenigen, deren Schulden sich vor der Abwertung auf 100.000 Euro beliefen, nach der Abwertung Schulden von 20.000.000 Escudos (oder 20.000 Contos) zu tilgen haben, was einem Betrag von etwa 67.000 Euro entspräche. In diesem Fall verlöre die Bank. Das Problem an der Sache: Eine solche Abwertung würde den Bankrott der Bank zur Folge haben, denn über Nacht entstünde ein gigantisches Loch in den Bilanzen der Bank, während sie ihre Schulden bei internationalen Banken weiterhin in Euro begleichen müsste. Unter keinen Umständen könnte die Bank ihre Auslandsschulden zahlen.
Aus diesem Grund erklären die BefürworterInnen eines Austritts aus der Eurozone, ganz offen, dass man die Banken notwendigerweise allesamt verstaatlichen müsste – nicht unbedingt um das Finanzkapital zu vergesellschaften, sondern um es zu retten. Eine Bank zu retten, kann jedoch sehr kostspielig sein, wie wir von dem betrügerischen Bankrott und der ruinösen Rettung der BPN (Banco Português de Negócios) wissen. Denn wenn man eine Bank verstaatlicht, bekommt man zwar ihre Aktivposten, aber auch ihre Schulden. Das sind in der Regel Schulden bei den Kontoinhabern und bei jenen, von denen sich die Bank ihrerseits Geld geliehen hat, meist ausländische Banken. Diese Schulden sind Euro-Schulden, doch die insolvente und verstaatlichte Bank erhält ihre Einkünfte und Spareinlagen von nun an in – abgewerteten – Escudos. Ihre Verpflichtungen im Ausland muss sie jedoch weiterhin in Euro bedienen. Weil der Staat die 175 Milliarden Bankschulden übernommen hat, ist die Staatsverschuldung also im Gegenzug plötzlich in die Höhe geschnellt. Banken zu retten ist teuer. Bankschulden, die einst Privatschulden waren, werden mit der Verstaatlichung der Bank zu Staatsschulden. So ist es zumindest, wenn die Banken die Schuldner sind. Anders sieht es freilich aus, wenn Banken mehr Einnahmen zu erwarten als Schulden zu zahlen haben – was bei portugiesischen Banken (und ausländischen Banken in Portugal) aber nicht der Fall ist.
Was nun passiert, ist bekannt: Um die Schulden zu zahlen, die aus der Verstaatlichung des Bankensektors erwachsen, wird eine weitere Steuererhöhung fällig. Dieses Mal fließt sie direkt ins internationale Bankensystem. Der Arbeiter, dessen persönliche Schulden gesichert wurden, muss auf anderem Wege zahlen, in diesem Fall in Form neuer Steuern. Natürlich könnte man sich vorstellen, dass die Regierung sich einfach weigert, die internationalen Schulden der verstaatlichten Privatbanken zu begleichen. Doch das würde die ganze Operation einer neuen, abgewerteten Währung in Frage stellen, denn ihr Ziel bestand ja darin, die Exporte zu erhöhen und Märkte zu erschließen, um durch einen erhöhten Absatz portugiesischer Produkte die Wirtschaft anzukurbeln.
Eine solche Entscheidung würde der Wirtschaft den Zugang zu Fremdfinanzierung jedoch erschweren. Ist es der Regierung aber nicht mehr möglich, sich Kredite von anderen Ländern oder auf den Finanzmärkten zu beschaffen, bleiben ihr nur noch zwei Optionen: Die erste besteht darin, den Primärhaushalt im Plus zu halten, was bedeuten würde, dass die Regierung niemals mehr ausgeben kann, als sie aus Steuern einnimmt. Das würde bedeuten, dass die Steuerbelastung der Lohnabhängigen erhöht werden muss und weniger staatliche Investitionen getätigt werden können. Beides sind rezessionsfördernde Maßnahmen, die in dieser Situation alles andere als ratsam sind – ganz davon abgesehen, dass sie sozial ungerecht und falsch sind. Die zweite Option der Regierung besteht darin, ihre neuen Ressourcen zu nutzen und die portugiesische Zentralbank mehr Escudos drucken zu lassen, um genug Geld für geplante Staatsausgaben zur Verfügung zu haben. Das aber würde die Abwertung der Währung und die Inflation beschleunigen.
Wenden wir uns wieder den Problemen unserer Regierung zu, die entstanden sind, weil sie sich entschieden hat, den Euro zu verlassen oder das imaginäre Ultimatum Deutschlands zu akzeptieren. Die Zahl ihrer Gegner ist bereits jetzt ansehnlich: jene, die mehr Steuern zahlen müssen oder deren Schulden sich vervielfacht haben, jene, die mehr Geld für Essen, Transport und medizinische Behandlung ausgeben müssen, und jene, die einen Teil ihre Ersparnisse und Bankeinlagen verloren haben. Wenn sie über die Situation nachdenken, werden die Lohnabhängigen schnell dahinter kommen, dass sie einen Teil ihres Lohns (oder ihrer Rente) verloren haben, dass die Haushaltslage sich keinesfalls entspannt hat (im Gegenteil, sie hat sich verschlimmert, denn die Staatsschulden müssen in Euro gezahlt werden, die Steuereinnahmen fließen aber in Escudo, wir brauchen also deutlich mehr Escudo-Einnahmen, um die Euro-Schulden zu bezahlen) und dass weitere Einschnitte im Gesundheitsbereich und im Bildungssystem bevorstehen. Die Lohnabhängigen werden daher kämpfen, um ihre Einkommen zu sichern.
Die Regierung wird argumentieren, dass genau dies alle unternommenen Anstrengungen zunichte macht. Die Exporte sind billiger geworden, entweder weil der Escudo weniger Wert ist und die Produkte somit günstiger sind, oder weil die Unternehmen den ArbeiterInnen niedrigere Escudo-Löhne zahlen. Steigen aber die Löhne, untergräbt das wieder die Wettbewerbsfähigkeit. Was also wird die Regierung tun, wenn es zu Arbeiterprotesten kommt? Das Land wird von Unruhen geschüttelt werden, es wird Tumulte vor den Türen der Banken geben, wenn die Kontoinhaber gemerkt haben, was sie verlieren werden. Steuern und Preise werden steigen, während die Löhne sinken. Der Regierung bleiben nur zwei Möglichkeiten: Sie kann den Weg des argentinischen Präsidenten gehen, der den Regierungspalast im Hubschrauber verließ, oder sie kann versuchen, die Proteste niederzuschlagen.
Mit anderen Worten: Wenn wir die Eurozone verlassen, stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Diejenigen Ökonomen, die – mit Recht! – die fortwährenden Sparmaßnahmen beenden wollten, werden also am Ende ein System zu verantworten haben, das einen noch strengeren Sparkurs bedeutet und das sich, indem es auf Lohnsenkungen infolge der Escudo-Abwertung setzt, hauptsächlich am Vorteil eines einzigen Wirtschaftssektors orientiert: der Exportindustrie. Es würden neue Probleme entstehen, und es würde eine Menge Zeit vergehen, bis sich irgendwelche positiven Folgen der Abwertung einstellen. In der Zwischenzeit würde die Regierung jedoch den Respekt der Lohnabhängigen verlieren, denn sie sind die, die am meisten zu leiden hätten.
Nun ist also der zweite Schock auch überstanden. Aber es wird noch schlimmer. Der Escudo wird zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte seines Werts gegenüber dem Euro verloren haben. Die Regierung und jene, die die Abwertung der Währung als geeignete Maßnahme ansehen, die Wirtschaft zu stützen, erwarten den folgenden positiven Effekt: Exporte werden steigen, weil sie billiger werden (ihr Preis in ausländischer Währung wird günstiger, die Löhne der ArbeiterInnen niedriger), während das Volumen der Importe gleichzeitig sinkt, denn ihr Preis in Escudo steigt. Infolgedessen wird Kapital in die Exportindustrien und -dienstleistungen fließen, während gleichzeitig die Binnennachfrage und die Importe einbrechen werden. All dies würde die Zahlungsbilanz des Landes deutlich verbessern. Die Annahme ist: Wenn es für die Exportunternehmen besser läuft, wird es der gesamten Wirtschaft besser gehen.
Die Sache klingt gut, aber sie hat einen Makel – und zwar einen großen. Es ist nämlich so, dass im Zuge der Währungsabwertung die Preise der importierten Güter nicht allmählich steigen, sondern von einem Tag auf den anderen emporschnellen. Benzin wird anderthalb mal so teuer sein wie zuvor, und dieser Preissprung würde das ganze Transportsystem treffen: Stellen wir uns vor, ein Liter Benzin kostet plötzlich 480 Escudo (oder 2,40 Euro). Das Gleiche gilt für importierte Lebensmittel oder medizinische Güter und eine Menge anderer Dinge des täglichen Bedarfs. In den Supermärkten würde an manchen Waren Mangel herrschen, und die Produkte, die es noch zu kaufen gibt, würden sich über Nacht deutlich verteuern.
Da zwei Drittel des Einkommens der PortugiesInnen direkt in den Konsum fließen, kann man sich die Folgen solcher Preissprünge leicht ausmalen. Allein dieser Effekt würde schon eine Lohnsenkung bedeuten.
Was die Exporte angeht, spricht einiges dafür, dass sie zunehmen werden. Allerdings stellen sich viele Ökonomen die Gesellschaft wie ein Labor vor. Allzu oft vergessen sie den Unterschied zwischen dem Zeitpunkt, an dem Entscheidungen getroffen werden, und dem, an dem sich die Folgen dieser Entscheidungen einstellen. Timing ist in diesem Fall jedoch von zentraler Bedeutung, und zwar aus einem einfachen Grund: Die Importpreise steigen sofort, doch die Effekte der möglichen Exportsteigerungen stellen sich erst nach einiger Zeit ein, vielleicht sogar erst nach ziemlich langer Zeit.
In jedem Fall müssen einige Umstände zusammenkommen, um ein Wachstum der Exporte zu erreichen. Zum Beispiel müssen die niedrigeren Preise portugiesischer Produkte die ausländischen Käufer auch tatsächlich dazu bringen, mehr zu kaufen als zuvor. Auch darf das Ausland nicht in eine Rezession schlittern, die portugiesischen Produkte müssen auf Märkte mit wachsender Nachfrage zugeschnitten sein, und ihre Qualität muss den Erwartungen der ausländischen Käufer entsprechen.
Selbst wenn die Exporte wachsen, wird das langsam vor sich gehen. Die Erlöse fließen erst nach Abschluss der Geschäfte zurück, man muss also während des gesamten Produktionszeitraums auf sie warten, selbst dann noch, wenn man den Umfang der Produktion bereits erweitern muss. Um mehr zu produzieren, muss man investieren, und um zu investieren, braucht man das nötige Kapital, man muss mehr ArbeiterInnen einstellen und sie bezahlen. All das ist erst möglich, nachdem die Exporteinkünfte realisiert wurden. Damit die Exporte das Wirtschaftswachstum insgesamt ankurbeln, müssen zunächst Jahrzehnte der Deindustrialisierung der portugiesischen Wirtschaft rückgängig gemacht werden, ebenso die Spezialisierung in Branchen, die keine exportierbaren Güter produzieren. All das ist sicher wünschenswert, es dauert aber seine Zeit und ist kaum auf kurze Sicht zu erreichen.
Zudem sind bei der Berechnung der Preise portugiesischer Exportprodukte die Kosten der importierten Rohstoffe und anderer Materialien zu berücksichtigen. Die Hälfte des Gesamtwerts der Exporte hängt von Importgütern ab, die durch die Währungsabwertung ja teurer geworden sind. Das lässt die Wettbewerbsvorteile der Exporte dahinschmelzen. Die Exporteinnahmen werden aus diesen Gründen nur leicht, langsam und spät zunehmen. Gleichzeitig werden die Lebenshaltungskosten drastisch steigen und die Ersparnisse hart von der Abwertung getroffen, während die Zuwächse bei Exporten und Beschäftigung Zeit brauchen und ungewiss sind.
Wirtschaftliche Erholung durch Exportorientierung ist ein Spiel mit vielen Unbekannten, dass die Löhne sinken werden, ist dagegen sicher. Die sozialistische Politik, für die wir stehen, orientiert sich an einem Prinzip: dem Eintreten für die Interessen der Arbeiterklasse. Wir werden uns nicht am Versuch beteiligen, die Löhne der ArbeiterInnen zu opfern, sie sind ihr rechtmäßiger Anteil am Sozialprodukt. Die autoritäre Lösung eines Ausstiegs aus dem Euro ist kein Mittel, um Sparmaßnahmen zu vermeiden, im Gegenteil. Wir können daher in keinem Fall für eine solche Lösung eintreten. Es senkt die Löhne und zieht nur weitere Schulden nach sich.
Ich möchte es klar und deutlich sagen: Unter den aktuellen Bedingungen ist der Ausstieg aus dem Euro die schlechteste aller Lösungen. Sie kann einzig von der EU Führungsgruppe erzwungen werden. Diese schlechteste aller Lösungen ist nur unter der Bedingung akzeptabel, dass es keine andere gibt, dass alle anderen Alternativen ausgeschöpft sind, oder dass sie notwendig ist, um zu überleben. Gegenwärtig gibt es nur eine Bedingung, unter denen die Portugiesen gezwungen sein könnten, die Eurozone zu verlassen – und diese Möglichkeit ist in der Tat nicht ausgeschlossen: Im Falle des Zusammenbruchs der europäischen Institutionen und Regularien könnte Portugals Unabhängigkeit auf dem Spiel stehen, und in diesem Fall könnte es sein, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als die EU – und mit ihr den Euro – zu verlassen, um Portugals eigenständige Entscheidungsfähigkeit wiederherzustellen. In der Gefahr, dass die Situation von einem Kredit- und Schuldsystem zu einem kolonialen Protektorat kippen könnte, liegt eine solche Bedrohung. Es ist klar, dass eine solche Reaktion von der Mehrheit der portugiesischen Bevölkerung getragen werden müsste, so dass die Kraft popularer Bewegungen und der Schutz von Arbeiterinteressen diesen Schritt formen und bestimmen.
(Übersetzung aus dem Englischen: Jan Ole Arps).
Anmerkung