• Flüssige Demokratie: Die italienische Wasserrevolution

  • 22 Dec 11 Posted under: Italien , Commons
  • Vom Gemeingut zum Referendum

    Erde, Wasser, Luft und Feuer (heute spricht man von Energie) gelten seit Jahrtausenden als Grundelemente und Grundstoffe des Lebens, seit Anbeginn westlichen philosophischen Denkens im antiken Griechenland. In den „Metamorphosen“ von Ovid, einem Klassiker der lateinischen Literatur, der vor über zweitausend Jahren geschrieben wurde, spricht Göttin Latona zu einer Gruppe von Bauern, die ihr das Recht verweigern, aus einem See zu trinken: „Wasser verweigert ihr mir? Zu aller Gebrauch ist das Wasser! Die Natur machte weder Sonne, noch Luft, noch Wasser zu Eigentum. Ich kam zum gemeinsamen Gute. Dennoch fleh' ich zu euch (...).  Wassertrunk wird Nektar mir sein, und dass ich das Leben empfangen, werd' ich bekennen mit Dank.“ Diese Worte fassen die Elemente zusammen, deren Vollendung sich mehr als fünfhundert Jahre später im Rechtssystem findet, im Codex Iustinianus.

    Im Gegensatz zu herrenlosen Sachen, d. h. Gütern, die niemandem gehören und daher dem anheimfallen, der sich ihrer zuerst bemächtigt, sind Luft, Wasser und Sonnenschein natürliche Gemeinschaftsgüter (natürliche Gemeingüter), die allen gehören und daher nicht durch eine einzelne Person zu ihrem alleinigen Eigentum gemacht werden können. Es ist nicht gestattet, mit diesen Gütern Profite zu erzeugen. Es sind unveräußerliche Güter, die nicht einmal dem Prinzeps, das heißt, dem Römischen Kaiser, gehören. Diese Güter sind lebenswichtig und daher mit den Grundrechten jedes Menschen verbunden. Bei genauerer Betrachtung gehören die natürlichen Gemeingüter allen Lebewesen - Pflanzen und Tieren -, wenn wir uns nicht auf eine rein anthropozentrische Sichtweise beschränken wollen.

    Im Laufe der Jahrhunderte ist die Liste der von den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften als gesellschaftlich anerkannten Gemeingüter immer länger geworden: Sie reicht weit über die der natürlichen Gemeingüter hinaus. Zu Zeiten Justinians konnte man noch nicht ahnen, dass eines Tages das Internet als gemeinsames Gut verstanden werden würde.

    Um den Zugang zu einigen lebenswichtigen, natürlichen Gemeingütern (wie Wasser) und  allen das Recht auf gemeinsame, immaterielle Grundbedarfsgüter (wie Gesundheit oder Erziehung) zu garantierten, musste die Gesellschaft soziale Dienste entwickeln. Daher gibt es fast überall auf der Welt Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, die den Zugang zu vielen dieser Gemeingüter gewährleisten: ein Zugang, der nicht unmittelbar ist, wie etwa für Kleinbauern und Landlose, d. h. die ärmeren zwei Drittel der Menschheit, die in einer auf dem Ökosystem basierenden Wirtschaft in der Südlichen Hemisphäre leben, sondern eine Zugangsvermittlung, da sie eine soziale Leistung erfordert.

    Ob materiell oder immateriell, natürlich oder sozial: Gemeingüter sind Güter oder Werte, deren Erzeugung niemand für sich allein beanspruchen kann: Güter, die von der Allgemeinheit als Geschenk der Natur betrachtet werden (niemand erzeugt Wasser oder den globalen Wasserkreislauf, Luft oder Wälder) oder von früheren Generationen als Erbe übernommen werden, wie zum Beispiel das konzentrierte kollektive Denken oder Methoden der Zusammenarbeit (Wissen, Gesetzbücher, Sprache). Gemeingüter sind lebenswichtig, nicht nur im biologischen Sinne. Dies sind die Strukturen, die Menschen miteinander verbinden; es sind materielle oder immaterielle Elemente, die wir alle nutzen und die uns zu Mitgliedern einer Gesellschaft machen, nicht zu getrennten Individuen, die im Wettbewerb zueinander stehen; Elemente, die wir gemeinsam nach gemeinschaftlich festgelegten Regeln wahren oder reproduzieren. Das ist ein Feld, das der postdemokratischen Elite aus den Händen zu entreißen ist, damit es durch Formen der partizipativen Demokratie selbstverwaltet werden kann. Gemeingüter sind Orte der Begegnung und Dialoge zwischen Mitgliedern eines Gemeinwesens, die in eigener Person daran teilnehmen. Demokratie und gemeinsamer Besitz stehen daher in engem Zusammenhang.

    Dennoch ist im Laufe der Jahrhunderte die Zahl der Gemeingüter, die diesen Status verloren haben und privatisiert wurden, allmählich größer geworden: Zur Zeit Justinians hätte niemand vorhersagen können, dass eines Tages der moderne Kapitalismus durch die „Abschottung“ dieser Güter entstehen würde, oder dass die Privatisierung, nicht nur von Boden, sondern auch von Saatgut und Artenvielfalt, und schließlich von Wasser, Luft und sogar Wissen (beispielsweise durch geistige Eigentumsrechte) immer mehr fortschreiten würde. Das italienische Referendum ergab eine klare Ablehnung neuer „Abschottungen“, während die Bewirtschaftung von Wasser und Gemeingütern mit demokratischer Teilhabe befürwortet wurde.

    Die Fragen des Referendums

    Schon früher markierten Volksbefragungen zu den Themen Scheidung, Abtreibung und Wahlrecht jeweils den Beginn neuer Phasen in der italienischen Geschichte. Das Referendum vom 12. und 13. Juni 2011 war ebenfalls eine Abstimmung von herausragender Bedeutung – eine politische und kulturelle Revolution, die speziell dem Thema Gemeingüter gewidmet war.

    Volksinitiativen können in Italien nur dazu führen, dass Gesetze aufgehoben werden. Das bedeutet, dass durch sie keine neuen Gesetze vorgeschlagen werden können, sondern es können damit nur Gesetze, die bereits vom Parlament verabschiedet wurden, außer Kraft gesetzt werden, falls das Volk als Souverän sie nicht akzeptiert. In diesem Fall war jedoch sehr klar, dass das Ziel, das Gesetz aufzuheben, konstruktiv motiviert war. Die erste und zweite der vier Fragen, die den Befragten vorgelegt wurden, betrafen das Thema Wasser – das perfekte Symbol eines natürlichen Gemeingutes – und insbesondere die Verhinderung einer erzwungenen Privatisierung von Wasser und seiner profitorientierten Verwertung durch einige Wenige. Ein positiver Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass sich Bewegungen für eine öffentliche Bewirtschaftung und demokratische Partizipation von BürgerInnen und ArbeitnehmerInnen in Versorgungsbetrieben einsetzten. Die dritte Frage bezog sich auf die Zukunft der Energieversorgung und die Ablehnung von Kernkraftwerken: Die von Ovid beschworene Sonne und erneuerbare Energien waren positive Elemente, die in der Abstimmung über die Nutzung der Kernkraft implizit enthalten waren. Die vierte Frage schließlich bezog sich auf eine der Grundbedingungen der Demokratie an sich – die Gleichheit der BürgerInnen vor dem Gesetz – und zielte auf die Abschaffung einer de facto gewährten besonderen Immunität ab, die gerichtliche Verfahren gegen den amtierenden Premierminister und andere amtierende Minister verhindern würde. Als letzten Akt erließ die Regierung eine lange Reihe von Bestimmungen mit dem Ziel, in Italien eine Gesetzgebung der Ungleichbehandlung zu schaffen, bei der unterschieden wird zwischen einem milden Strafrecht zugunsten einer Schicht von Privilegierten und einem strengen Strafrecht, das sozial schlechter gestellte Bevölkerungsgruppen benachteiligt (zum Beispiel ZuwanderInnen: So wurde unter anderem ein Gesetz verabschiedet, das den illegalen Aufenthalt im Land unter Strafe stellt, wodurch die Existenz an sich und nicht erst eine Straftat strafrechtlich verfolgt wird).

    Die erste und größte Hürde bei Volksbefragungen ist immer das Erreichen des Quorums, das sehr hoch ist: Mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten plus 1 Stimme müssen dem Aufruf folgen, damit ein Referendum gültig ist. Nach 14 Jahren wurde im Juni das Quorum deutlich übertroffen: über 57 Prozent der ItalienerInnen nahmen daran teil. Noch beeindruckender war die überwältigende Mehrheit der „Ja“-Stimmen zu allen 4 Fragen (die Befürworter stimmten für die Abschaffung des Gesetzes, das Gegenstand des Referendums war): 95,35 Prozent Ja-Stimmen (4,65 Prozent Nein-Stimmen) zur ersten Frage; 95,80 Prozent Ja-Stimmen (4,20 Prozent Nein-Stimmen) zur zweiten Frage; 94,05 Prozent Ja-Stimmen (5,95 Prozent Nein-Stimmen) zur dritten Frage; 94,62 Prozent Ja-Stimmen (5,38 Prozent Nein-Stimmen) zur vierten Frage. Die schreckliche Tragödie von Fukushima trug sicherlich ihren Teil zu einer deutlichen Ablehnung von Kernkraftprojekten in der Bevölkerung bei, was für das Erreichen des Quorums förderlich war. Ungeachtet dessen erzielten die beiden Referendumsfragen gegen die Wasserprivatisierung mehr als 1.400.000 Unterschriften für die Aufnahme der Fragen in die Abstimmung. Das ist doppelt so viel wie die Zahl der Unterschriften, die für die beiden anderen Referenden über Kernkraftwerke und das „Gesetz zum Schutz des Premierministers“ gesammelt werden konnten. Die beiden Fragen über die Wasserbewirtschaftung erhielten den höchsten Stimmenanteil der Wähler und die absolut höchste Zahl von „Ja“-Stimmen in der gesamten Geschichte italienischer Referenden.

    Bevor wir die zugrunde liegenden Ursachen und den Hergang dieser Abstimmung „für Wasser als Gemeingut“ analysieren, sollten wir etwas näher auf die beiden Referendumsfragen zum Wasser eingehen. Die erste Frage betraf die Abschaffung der Verpflichtung, die Bewirtschaftung der Wasserversorgung gesetzlich zu privatisieren, indem sie Privatunternehmen (durch Wettbewerb) übertragen wird oder durch den erzwungenen Verkauf von mindestens 40 Prozent der Unternehmensanteile der Wasserversorgungsbetriebe, die sich noch in öffentlicher Hand befinden (die Hälfte der italienischen Firmen hat bereits privatwirtschaftliche Partner), an Privatpersonen. Auf der Grundlage des Gesetzes, das von den italienischen BürgerInnen gerade aufgehoben wurde, hatte die Regierung versucht, alle Kapitalgesellschaften mit öffentlicher Beteiligung abzuschaffen. Dagegen versuchen die Bewegungen nach dem erfolgreichen Ausgang des Referendums, den nächsten Schritt zu vollziehen und alle derzeitigen Kapitalgesellschaften, einschließlich derjenigen, die zu 100 Prozent Eigentum der öffentlichen Hand sind, in echte öffentlich-rechtliche Körperschaften umzuwandeln, deren Ziel nicht mehr die Erzeugung eines Gebrauchsgutes ist: echte „kommunale“ Verwaltungsgremien, an denen die BürgerInnen demokratisch teilhaben.

    Die zweite Frage des Referendums behandelte dagegen die eigentlichen Grundlagen des Systems der privaten Unternehmen; es sollte verhindert werden, dass durch die Bewirtschaftung der Wasserdienste Profite erzielt werden. Damit sollten der einzige Beweggrund und das einzige Ziel beseitigt werden, das den Privatsektor zum Verbleib in den Versorgungsunternehmen veranlassen könnte. Die BürgerInnen wollten diese Garantie der von ihnen in Raten bezahlten „angemessenen Rendite des eingesetzten Kapitals“ abschaffen. Ausgerechnet die Frage, die die meisten „Ja“-Stimmen erhielt und mit welcher der größte Erfolg erzielt werden konnte, stieß bei den wirtschaftlichen und politischen Kräften auf den größten Widerstand. Italien hat sich also dagegen entschieden, dass einige wenige aus einem Gut, das allen gehört, Profit schlagen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Anbieter (zwangsläufig mit Monopolstellung) einer Grundversorgungsleistung mit stabiler Nachfrage, nämlich der Versorgung der Wohngebäude mit Wasser, ohne das kein Mensch existieren kann, ein parasitäres Einkommen erzielen.

    Der Eisberg

    Wie eine Art gigantischer Eisberg, der in all den Instrumenten, die Politikern und traditionellen Medien zur Verfügung stehen, unsichtbar war, wurde die Bewegung für das Wasser – mit Erstauen, Fassungslosigkeit und Angst – erst dann wahrgenommen, als, bildlich gesprochen, das Transatlantikschiff bereits gekentert war, das heißt am 12. und 13. Juni. Mit dem Transatlantikschiff ist nicht der Berlusconismus gemeint, sondern vielmehr die freibeuterische Globalisierung und die neoliberale Doktrin, die offenkundig über eine schmale Bevölkerungsgruppe theoretisiert, aber damit unterschwellig Demokratie mit möglichst geringer Mitbestimmung meint. Der Wegfall der Konzeption des Gemeinwesens, d. h. die Akkumulation von privaten Vermögenswerten, die direkten Wohlstand bedeuten sowie die Beseitigung jeder echten politischen Kontrolle des Marktes (d. h. der gewaltsamen Dynamik der Marktkräfte und der Entscheidungen der Kapitalinhaber), entspricht dem hyperoligarchischen Demokratieverständnis, das sich auf eine bloße Beteiligung an Wahlen beschränkt, die mit vordefinierten Agenden stattfinden.

    Die Niederlage beim Referendum war daher keine Niederlage der politischen Rechten, sondern eine Niederlage des „absoluten Privatismus“, von dem sogar die italienische Linke lange Zeit fasziniert war, wodurch sie nicht mehr zwischen Gebrauchsgütern und Gemeingütern/-werten, zwischen der Welt des Profits und dem Rechtsbereich, zwischen Markt und Leistungen der Daseinsvorsorge unterscheiden konnte, sodass es aus ihrer Sicht sogar natürlich war, dass ein Zweck einer öffentlichen Dienstleistung darin bestehen sollte, Aktionären Dividenden zu zahlen, Kapital zu belohnen und Profite zu erbringen.

    Eine Niederlage bei der Abstimmung im Juni erlitten auch Privatpersonen und Unternehmen, die sich auf die Jagd nach Renditen aus lebenswichtigen Grundversorgungsdiensten wie der Wasserwirtschaft begeben, aber auch diejenigen in der politischen Oligarchie Italiens, für die Gemeingüter ihr Privateigentum sind: Die erste Privatisierungswelle wurde durch Vetternwirtschaft und zersplittertes Management geprägt, mit einer Logik, bei der Güter, die allen gehören, den Interessen einiger weniger geopfert werden. Dies bringt uns wie immer zurück auf den springenden Punkt der Demokratie.

    Die Bewegung für das Wasser erhielt neuen Auftrieb durch diesen kolossalen politischen Sieg, der aber grundsätzlich auch ein klarer kultureller Sieg war. Diese Bewegung markierte den Beginn einer grundlegenden Veränderung im Denken der Menschen, wie durch eine bedeutsame Umfrage von Demos-Coop im Juli 2011 eindrucksvoll belegt wurde. Diese Erhebung gibt Aufschluss über den öffentlichen und privaten Sprachgebrauch der ItalienerInnen und offenbart eine neue Hierarchie von Wörtern, bei der der Gebrauch von Begriffen wie „Individualismus“ oder „starke Führungspersönlichkeit“ drastisch zurückgegangen ist und stattdessen Begriffe wie „Gemeingut“ häufiger vorkommen. Eine sprachliche und begriffliche Revolution, die zumindest ansatzweise eine unerwartete Weltanschauung erkennen lässt.

    Dieser neue symbolische Horizont, der sich derzeit abzeichnet, wird durch konkrete, grundlegende Erfahrungen untermauert (es waren aber auch bereits persönliche Erfahrungen zu beobachten, dass die Beteiligung von Privatpersonen und Unternehmen an Grundversorgungsgütern und -leistungen das Problem, nicht aber die Lösung ist), aber auch durch Sehnsüchte (nach Beziehungen, Bindungen, gemeinsamer Nutzung) und Zorn (angesichts eines degenerierten „öffentlichen“ Sektors, der von der privaten Denkweise der politischen Elite und ihren Sonderinteressen angesteckt wurde).

    Die Mehrheit der ItalienerInnen hat nun öffentlich bekundet, dass sie sich nicht mehr damit zufrieden gibt, nur „als Verbraucher zu sterben“ und dass die Verwandlung der BürgerInnen in traurige und ängstliche Gestalten, die nur noch durch das Fernsehen zusammengehalten werden, dessen propagierte Wahrheiten immer mehr gestreckt werden, nie vollendet wurde. Unter der Asche von Vereinzelung und Isolation glüht eine große Sehnsucht nach demokratischen Bindungen und Teilhabe.

    Die wichtigste Lehre aus dem Referendum besteht jedoch in der Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen. Mittelbares Ergebnis ist die Erkenntnis, dass das Vertrauen in die gemeinsame politische Handlungskraft der Basis wieder hergestellt wurde. Jahrelang wurde uns Handlungsunfähigkeit eingeredet angesichts der großen globalen Prozesse, die sich an einem unwiderlegbaren Zeitgeist orientierten: So sei es uns angeblich aus eigener Kraft unmöglich, die Privatisierung, die Polarisierung von Wohlstand, die absolute Herrschaft des Marktes zu stoppen. Als vor einem Jahrzehnt einige versprengte Gruppen von Aktivisten erste Versuche unternahmen, das Wasser zu schützen, wurden wir als Träumer und Utopisten verspottet, die nichts verstehen würden und unfähig wären, uns der unausweichlichen Wahrheit zu stellen, d. h. dem „Lauf der Welt“. Die Wasserbewegung hat gezeigt, dass dieser „Lauf“ noch nicht endgültig feststeht, dass wir die Richtung ändern können und dass es möglich ist, eine neue politische Agenda auf die Beine zu stellen. Durch geduldige Arbeit im ganzen Land können mithilfe des neuen Mediums Internet (das traditionelle Medien umgeht und schwächt), vor allem aber durch die Vereinigung in breit angelegten Allianzen mit konkreten Zielen und allgemeinen Grundsätzen, Bausteine einer „anderen Welt“ geschaffen werden, um eine neue gemeinsame Kultur zu erzeugen. In diesem Sinne beginnt jetzt die Phase nach dem Referendum. Dabei werden wir von einem doppelten Sieg ausgehen.

    Die Form fließender Gewässer

    Bei näherer Betrachtung der Merkmale der Kampagne für das Wasserreferendum wird ein politischer und kultureller sui-generis-Prozess erkennbar: eine Kampagne, die nahezu ohne finanzielle Hilfe von einer Vielzahl sozialer Kräfte verwirklicht wurde, die sich auf verschiedenen Wegen diversifizierten - molekular, vielfach ausgerichtet - nicht nur in geografischer Hinsicht. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes waren im Organisationskomitee ausschließlich soziale Organisationen auf lokaler und nationaler Ebene vertreten, die horizontal koordiniert wurden; politische Parteien dagegen bemühten sich um die Einrichtung paralleler Aktionskomitees. Die zahlreichen Identitäten und unterschiedlichen kulturellen Ursprünge der Beteiligten – Einzelne wie Gemeinwesen – verschmolzen unterwegs, sodass eine neue gemeinsame Identität entstand.

    Ein weiteres entscheidendes Element der Referendum-Initiative war nicht so sehr (oder nicht nur) die Rückkehr zur „Politik mit Inhalt“ – bezeichnend zu einer Zeit, da sich ein großer Teil der italienischen Politik auf lange Ansprachen und die Komplexität der Alchemie von Koalitionen reduziert –, sondern das eigentliche Wesen von Politik und Zusammenleben: Gemeingüter und demokratische Partizipation. Gemeingüter eröffnen einen neuen Horizont, da sie verschiedene Bereiche und Konflikte in Zusammenhang bringen – vom Wasser als materiellen bis zum Internet als immateriellen Wert und der Möglichkeit, alle anzusprechen, einschließlich eines großen Teils der rechten Wählerschaft. Gemeingüter können die ausgefransten Enden der Politik materiell und symbolisch neu ordnen und eine andere kollektive Kultur von der Basis her wieder aufbauen. Ausgehend davon, was wir an Gemeingütern haben (von ihrer Anerkennung und der Partizipation an ihrer Verwaltung), gelingt es, unseren Anliegen neuen politischen Sinn zu verleihen. Wenn Elinor Ostrom in ihren Studien darlegte, wie das Vorhandensein einer Gemeinschaft mit engen inneren Verbindungen eine der Hauptvoraussetzungen für eine effiziente kollektive Bewirtschaftung von Gemeingütern ist, gilt dies natürlich auch umgekehrt: die Fähigkeit, etwas Gemeinsames wieder sinnvoll zu gestalten und Formen der partizipativen Verwaltung der Gemeingüter zu entwickeln, fördert wiederum die Entstehung von sozialen Beziehungen und Bürgersinn.

    Was mit dem Wasserreferendum geschah, lässt das Potenzial erahnen, das dieses im Aufbau befindliche Universum birgt, wo Inhalt und Methode nicht voneinander getrennt werden können. So ist es kein Zufall, dass die Bewegung für das Wasser über die Jahre in strengen horizontalen und partizipativen Formen wuchs, dass sie aus lokalen Initiativen hervorging, schlüssige und effiziente Vorschläge erarbeitete, Plätze für reale und virtuelle Treffpunkte ersann, die Mainstream-Medien für sich entdeckte und schließlich vereinnahmte. Im Juni markierte der Einsatz eines sehr traditionellen Instruments (der Urnengang) eine entscheidende Stufe in einem nicht gerade traditionellen Prozess. Zahlreiche Kommentatoren, die in abgeschotteten Festungen offizieller Medien auf sich selbst Bezug nehmen, aber auch zahlreiche Schiffsführer waren überrascht, dass sie mit dem Eisberg kollidierten. Dieser Eisberg entstand jedoch nicht über Nacht. Er ist vielmehr das Ergebnis eines langen Ablagerungsprozesses. Ein molekularer Prozess, der vor fast zehn Jahren mit der Errichtung lokaler Netzwerke begann, die miteinander verknüpft sind. Daraus entstand das Italienische Forum der Bewegungen für das Wasser, das heute regionale Komitees und landesweite Organisationen, offizielle und inoffizielle Gruppen in einem Raum ohne hierarchische Ordnung und Führung vereint. Dieser Raum ist zwar nicht konfliktfrei, er gründet aber auf Vertrauen und Konsensbildung bei der Entscheidungsfindung.

    Geschrieben steht: „Wasser“, lesen kann man: „Demokratie“

    Es ist kein Zufall, dass eine der am weitesten verbreiteten Losungen der Bewegung – „Schreib Wasser, aber lies Demokratie “ – einen so engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen herstellt. Diese Identifizierung funktioniert in mindestens zwei Richtungen. Wie wir feststellten, sind Demokratie und Partizipation die Grundlagen der Entscheidungsmechanismen und der Organisationsformen dieser Bewegung. Die Bewegung für das Wasser steht für eine andere politische Sichtweise in der jetzigen Phase der „Light-Parteien“, bei der die Partizipation von Mitgliedern eine Belastung  und eine Beschränkung für die Unternehmer auf dem politischen Markt, die sich vorzugsweise Fernsehinterviews und Umfragen widmen, darstellt: Politik ist kein Vorrecht einer Oligarchie, sondern kollektives Handeln. Dieses Handeln setzt die horizontale Organisation der Beziehungen voraus und füllt einen mehrfach ausgerichteten öffentlichen Raum, jedoch ohne jemals Macht und Entscheidungsfindung zu konzentrieren, die sich über die gesamte Bewegung verteilen. Diese Organisationsform steht der Dynamik der postdemokratischen Machtzentralisierung entgegen, sie schätzt die Vielfalt des Wissens und ermutigt zur unmittelbaren und persönlichen Teilnahme an der Entscheidungsfindung und begünstigt Rotationsmechanismen. Die Bildung einer gemeinsamen Führung ist ein wesentliches Element der Bewegung für das Wasser.

    Gleichzeitig ist Demokratie das Kernstück der neuen partizipativen Verwaltung von Wasser und der anderen Gemeingüter, die von dieser Bewegung initiiert wird, der Dreh- und Angelpunkt dieses neuen öffentlichen Modells, das auszugestalten ist. Kurz gefasst: Demokratie und Partizipation sind die Form der Bewegung, der Inhalt ihrer Vorschläge und Mittel und Zweck. Diese doppelte Dimension war bereits von Beginn an klar zu erkennen, als zwei Gesetze durch partizipative Mechanismen aus Volksinitiativen hervorgingen, die von den Bewegungen für das Wasser ausgearbeitet wurden (ein Regionalgesetz aus dem Jahr 2005 in der Toskana und ein zweites nationales Gesetz 2007): „Macht uns zu Gesetzgebern!“: Dieses Motto war die Bündelung der Initiativen der Bewegung in Gesetzen, die sofort umgesetzt werden können. Das war das gemeinsame Ziel.

    Es gibt eine banale Rhetorik, die versucht, soziale Bewegungen einfach auf Protest zu reduzieren und Vorhaben, zu denen sich die Gesellschaft gesondert Fragen stellt, für die über den klassischen politischen und institutionellen Rahmen geeignete Antworten zu liefern sind, erneut einzubringen. Die Bewegungen für Gemeingüter erarbeiten nicht nur Fragen, sondern auch Antworten. Sie gewinnen Teile einer Souveränität zurück, die offiziell dem Volk gehört, im Wesentlichen aber durch die Elite beschlagnahmt wurde, die die Macht in dessen Namen ausübt, sofern sie nicht schon direkt von den Märkten und den internationalen nicht-demokratischen Strukturen, allen voran dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, vereinnahmt wurde.

    Wenn Demokratie und Partizipation sowohl Mittel als auch Zweck für die Bewegung für das Wasser sind, so ist die Privatisierung vor allem eine Privatisierung der Entscheidungssphäre. Entscheidungen über die Bewirtschaftung von Gemeingütern werden innerhalb der mit ihrer Verwaltung beauftragten Kapitalgesellschaften umgesetzt: Subjekte privaten Rechts, die in neue Institutionen einer postdemokratischen lokalen Verwaltung überführt wurden. In Italien sind die als Kapitalgesellschaften geführten Versorgungsunternehmen, die an die Stelle öffentlicher Politikgestaltung traten, das Ergebnis eines doppelten Prozesses, bei dem die Verwaltung von Gemeinwohlgütern und -dienstleistungen nicht länger öffentlich bleiben soll. Wenn das System über zehn Jahre lang durch private Wirtschaftsakteure geplündert wurde, so war es zuletzt allzu oft die politische Elite, die sich der Gemeingüter und Grundversorgungsdienste bediente, als wären sie ihr Privateigentum, wobei sie stets jede Partizipation der BürgerInnen ausschloss und Mauern und Hindernisse errichtete (bestenfalls schottete sie sich in Festungen jener Demokratie von Experten und Fachleuten ab; schlimmstenfalls schuf sie Patronagenetzwerke und teilte Sitze und Macht unter sich auf). Was ist an diesem Verständnis und dieser Verwaltung von Gemeingütern und Leistungen der Daseinsvorsorge „öffentlich“? Das letzte Stadium dieser Entwicklung, bei der diese Güter und Leistungen der Öffentlichkeit entzogen wurden, war die Entstehung öffentlich-privater Partnerschaften, einer Art zweiköpfiges Monster. Hinter den verschlossenen Türen der Vorstandszimmer der gemischten „öffentlich-privaten“ Kapitalgesellschaften finden undurchsichtige Beratungen statt, bei denen sich Kartelle von privaten Geschäftsleuten und Personen mit hoheitlichen Aufgaben versammeln, deren Beschlüsse inzwischen jeglicher demokratischer Rechenschaftslegung entbehren. Die Privatisierung der Entscheidungssphäre ist die Schattenseite des Modells der Kapitalgesellschaften: Sie ist nicht nur als Flucht vor öffentlichen Rechten in die Arme des privaten Rechts zu verstehen, sondern ein tatsächlicher Entzug von Demokratie. Es reicht daher nicht aus, die Profite einiger weniger von den Gütern, die allen gehören, abzuschaffen; wie das Referendum zeigt,  sind die BürgerInnen auch nicht bereit, demokratische Teilhabe gegen Anteilscheine zu tauschen: damit öffentliche Güter wieder öffentlich sind, müssen sie Gemeingüter werden, die demokratisches Eigentum und transparent sind. Damit Wasser und andere Güter wieder Gemeingüter werden, ist es notwendig, sich wieder die Frage zu stellen, was Demokratie bedeutet und wie man in gemeinsamem Handeln Elemente einer anderen Politik gestalten kann.

    Es ist klar, dass die privaten Formen des Wassermanagements und der kommunalen öffentlichen Versorgungsdienste bzw. jener, die auf privaten Unternehmen basieren, nur eine von zahlreichen Facetten der komplexen Aneignung der Volkssouveränität durch Wirtschafts- und Finanzkonglomerate und internationale, nicht-demokratische Organisationen sind, die sich satzungsgemäß durch eine Verflechtung von wirtschaftlichen und politischen Befugnissen auszeichnen und sich nunmehr jeder Form von demokratischer Kontrolle entziehen. Die gesamte globale Gemeingutbewegung fordert daher, diese Güter nicht als Waren zu behandeln und sie partizipativ zu verwalten. Die Bewegung fordert die Selbstverwaltung dieser Gemeingüter und der damit verbundenen Leistungen der Daseinsvorsorge gemäß den Regeln und Instrumenten, die von der betroffenen Allgemeinheit festgelegt werden. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich das Beispiel, das wir durch unsere Gesetze aus der Volksinitiative heraus gegeben haben, einmal mehr für erhellend. Es ist ein Prozess, der den Wunsch der BürgerInnen strukturierte, ihr eigener Gesetzgeber zu sein, sich selbst eigene Gesetze und Vorschriften zu geben, gemeinsam zu verwalten, was wir gemeinsam haben. 

    In den vergangenen Jahren scheint sich das, was die Gesellschaft „bewegt“, im Wesentlichen um ein tiefes Gravitationszentrum zu drehen  - die neu zu erfindende Demokratie. Wir experimentieren mit neuen Partizipationsmodellen (partizipative Demokratie, beratende Demokratie) und gewinnen traditionelle Instrumente direkter Demokratie zurück, um die postdemokratischen Machtstrukturen kleiner Gruppen aufzubrechen. Es ist kein Zufall, dass sich die Bewegung des Wassers zuerst des Rechtsinstruments der Volksinitiative und dann der Institution des Referendums bediente. Es ist ebenso wenig ein Zufall, dass die Referendum-Frage an sich, das heißt das Recht jedes Einzelnen, über wichtige Fragen direkt zu entscheiden, in Europa so große Bedeutung erlangt hat, von den spanischen Indignados, die ihre Forderungen auf öffentlichen Plätzen kundtun, zu den Fabriken und der Arbeitswelt in Italien, wo eine Metallarbeitergewerkschaft namens FIOM (Italienischer Metallarbeiterbund) einen Kampf für das Recht der Arbeitnehmer führt, bei Vereinbarungen über ihre neuen Verträge direkt zu entscheiden (Bestätigung per Referendum).

    Hinter den Gemeinschaften, die Regeln für die Verwaltung von Gemeingütern durch Konsens festlegen, und hinter der Praxis der partizipativen Demokratie steht die Wahl der Methode der Konfrontation und Beschlussfassung im Gegensatz zur kalkulierten Methode der bereits etablierten Mehrheit oder Minderheit zu bereits vorhandenen Optionen. Wie aus der Praxis dieser Bewegungen in den vergangenen Jahren klar geworden ist, ist die partizipative Politik ein generativer Vorgang, keine Machttechnik und keine Komposition vordefinierter Interessen. Vielmehr ist sie das kollektive Hervorbringen gemeinsamer Werte und Projekte und weder die Suche einer Schnittstelle zwischen einzelnen Egos noch ein Ausbalancieren vorgefertigter Optionen.

    Natürlich kann niemand vernünftigerweise annehmen, dass jetzt alle ItalienerInnen die partizipative Demokratie herbeisehnen und bereit wären, sich liebevoll um die Gemeingüter zu kümmern, oder dass Italien aus dem Berlusconischen Sumpf emporgestiegen wäre. Es gibt einen großen Teil der Gesellschaft, der keine Partizipation anstrebt und angesichts des zunehmenden Gefühls der sozialen Unsicherheit weiterhin Befehls- und Entscheidungsstrukturen bzw. eine autoritäre, staatlich kontrollierte Demokratie fordert: die Durchsetzung der Stellvertreterdemokratie, bei der von hauptamtlichen Politikern schnelle Entscheidungen verlangt werden. Auch haben die dominierenden Interessengruppen nicht die Fähigkeit zur Konsensbildung und zur Schaffung von populären Massenideologien eingebüßt. Die Referenden im Juni haben jedoch auch einen Riss durch diese Welt offengelegt. Sie haben gezeigt, dass diese Hegemonie zu Ende geht und neue Möglichkeiten eröffnet wurden: die lange, kleinteilige Arbeit der Bewegung für das Wasser – und der Bewegungen für Gemeingüter – verwandeln sich allmählich in etwas Tiefergreifendes, etwas, das sich, wie wir beobachten konnten, bereits im Wortschatz der ItalienerInnen wiederfindet. Die Linke muss sich nun beeilen, ihre Aktivitäten im sozialen Bereich auf Gebiete des Alltags der Menschen zu richten. Es besteht ein Bedarf an innovativen und integrativen Praktiken, an unterschiedlichen Sprachformen, mit denen Wünsche und materielle Bedürfnisse zusammengebracht werden können, um verborgenes, falsch interpretiertes Wissen freizulegen und zu fördern. Dies muss geschehen, bevor in der gegenwärtigen Phase des Übergangs viele Menschen durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise der Kriminalität verfallen, statt eine Gesellschaft gemeinsamer Werte aufzubauen. 

    Wasser im heißen Herbst

    In den kommenden Monaten wird es für die Bewegung für das Wasser drei Hauptbetätigungsfelder geben:

    1. Umsetzung der beiden Fragen, die von über 95 Prozent der ItalienerInnen bejaht wurden, und Sicherung des Erfolgs des Referendums (ein Erfolg, der von der Regierung in jedem Fall missbraucht und missachtet wird), indem das Parlament letztlich gezwungen wird, die Gesetze zu diskutieren, die aus der Volksinitiative hervorgegangen und von den Bewegungen verfasst wurden, aber jahrelang in den Aktenschränken der Abgeordnetenkammer schmorten.
    2. Anknüpfen an das, was das Land „bewegt“, Einfließen in die allgemeinere Tendenz in diesem Herbst, das heißt eine Ablehnung der sogenannten „Wirtschaftsmanöver“ und des Sparkurses der italienischen Regierung sowie ihrer geplanten Verfassungsänderung mit dem Ziel, einen ausgeglichen Haushalt in der Verfassung vorzuschreiben.
    3. Verstärkung des internationalen Engagements für die Errichtung eines europäischen Wassernetzwerks, das die Initiative der Bewegungen auf kontinentale Dimensionen erweitern wird.

    Daher organisieren wir im Herbst dieses Jahres in Italien ein internationales Treffen, an dem Bewegungen, Gewerkschaften und Sozialverbände aus ganz Europa teilnehmen werden. Gemeinsam werden wir die Grundlagen und Ziele für gemeinsames Handeln definieren und prüfen, welche Mittel dazu am wirksamsten sind, zum Beispiel die völlig neue Europäische Bürgerinitiative (EBI), das erste und einzige Instrument der Europäischen Union für direkte demokratische Partizipation. Ein solches Netzwerk kann als erster Ansatz für die Entstehung einer europäischen Sozialallianz für Gemeingüter dienen und zum jetzigen Zeitpunkt dem Alternativen Weltwasserforum neues Leben einhauchen. Das zweite Ziel wird nämlich darin liegen, das Ende des Weltwasserforums einzuleiten, das im März 2012 in Marseilles tagen wird, ein Forum, das von multinationalen Gesellschaften angeführt wird und sich dank der Aktion von Sozialbewegungen in einer ernsthaften Legitimitätskrise befindet.

    Fazit

    Die Bewegung für das Wasser entstand weitgehend aus der derzeitigen Antiglobalisierungs-Bewegung. Ihre Entscheidung, sich jahrelang auf ein Thema und eine bestimmte Kampagne zu konzentrieren, wird manchmal argwöhnisch und selbstgefällig beobachtet oder wegen ihrer Ausrichtung sogar offen kritisiert. Viele von uns waren dagegen überzeugt, dass Wasser als Materie, aber auch als Symbol der Grundstein war, auf dem sich eine breitere Perspektive für Demokratie und Gemeingüter errichten ließe, ein Rammbock gegen das gesamte System der globalen Privatisierung, ein Schnellball, der eine Lawine (oder vielmehr ein Eisberg) werden kann. Nach der fürchterlichen Niederlage der Mobilisierung für Frieden und gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan bestand auch wieder das Bedürfnis, das Vertrauen in gemeinsames Handeln zurückzugewinnen. Die Frage der Wirkung ist absolut nicht zweitrangig: Es ist nicht vergebens, sich vor Augen zu halten, dass ein Erfolg möglich ist und dass alternative Praktiken aus der Vorstellungskraft entstehen und die Welt gestalten können. In diesem Sinne war der Triumph beim Referendum eine eindeutige Botschaft. Auch der „symbolische“ Effekt ist nicht zweitrangig. Wenn Symbole ohne Material leer und irreführend sind, dann ist Material ohne Symbolik nichtssagend, politisch leblos. Zum Thema Wasser und Gemeingüter haben sich die Stimmen zu einem Chor vereint, der tiefe Bedürfnisse wecken wird, angefangen mit der Notwendigkeit, Strukturen wiederzuentdecken, die uns mit anderen verbinden, ohne dass wir uns selbst verlieren und die uns von der Einsamkeit im Konkurrenzkampf befreien, ohne dass wir auf unsere individuelle Freiheit verzichten müssen.


Related articles