• Studie zu rechtsextremen Parteien und EU-Integration
  • Ein „Europa der Nationen”

  • Von Nicolas Bechter | 24 May 19 | Posted under: Europäische Union , Extreme Rechte
  • Die Europawahlen brachten ein Erstarken der extremen Rechten mit sich. Diese Abhandlung nimmt die EP-Wahlprogramme von fünf rechtsextremen Parteien unter die Lupe, indem es ihre Positionen zur EU, EU-Integration und zum Thema Europa im Allgemeinen vergleicht.

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    Zwischen 23. und 26. Mai werden die Wahlen zum 9. Europaparlament in den 28 EU-Mitgliedsstaaten abgehalten, um 751 Mitglieder des EP zu wählen, die fast 500 Millionen Menschen vertreten. Das Thema Brexit macht die Wahl sicherlich zu einer ganz besonderen Wahl; im Zentrum dieser Analyse soll jedoch ein anderer Aspekt stehen: das erwartete Erstarken der rechtsextremen Parteien und die sich daraus ergebende engere Zusammenarbeit dieser Parteien in Form einer neuen Parlamentsfraktion mit dem Namen Europäische Allianz der Völker und Nationen (EAPN), die am 4. April in Mailand von Matteo Salvini vorgestellt wurde. Da eines der definierenden Merkmale der extremen Rechten ihr Nationalismus ist, könnte man annehmen, dass ihre Möglichkeiten zur Zusammenarbeit aufgrund ihres Chauvinismus und ihrer kleinlichen Eigeninteressen eher beschränkt sind. In den vergangenen Jahren wurde jedoch einiges unternommen, um die verschiedenen Parteien zusammenzubringen: Auf Ebene des Europaparlaments, um gemeinsame Fraktionen zu bilden, aber auch auf anderen institutionellen und personellen Ebenen. Dieses Papier nimmt die Wahlprogramme für die EP-Wahlen von fünf rechtsextremen Parteien unter die Lupe, indem es ihre Positionen zur EU, EU-Integration und zum Thema Europa generell vergleicht.

    Für diese Studie wurden fünf rechtsextreme Parteien ausgewählt:

    • Die Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei – DF)
    • Die niederländische Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit – PVV)
    • Die Alternative für Deutschland (AfD)
    • Die italienische Lega
    • Der französische Rassemblement National (RN)

     

    Diese Liste mag vorerst beliebig erscheinen, deshalb ist es nötig, die Auswahl zu kommentieren: Zuallererst ist zu sagen, dass die Studie nicht den Anspruch erhebt, eine vollständige Übersicht über alle rechtsextremen Parteien in Europa zu geben. Es gibt bereits viel politikwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema. Die Studie gibt auch nicht vor, eine vollständige Analyse der Ideologien der untersuchten Parteien abzugeben. Es geht in diesem Papier einzig und allein um die ideologischen Positionen der Parteien zu Europa, der europäischen Integration und der EU generell. Als Quellen dienen die EP-Wahlprogramme der einzelnen Parteien; allgemeine Parteiprogramme, wenn erstere nicht existieren; oder programmatische Reden, wenn beides nicht vorliegt. Die Parteiprogramme sind in Umfang und Zusammensetzung sehr unterschiedlich: Das Parteiprogramm der AfD hat beispielsweise 190 Seiten; außerdem hat die Partei ein zusätzliches 88-seitiges Wahlkampfprogramm speziell für die EP-Wahl verabschiedet. Die PVV andererseits hat ein Parteiprogramm von der Länge einer halben Seite und legte kein spezielles Programm für die EP-Wahl vor. Dadurch ist es notwendig, programmatische Reden in die Studie einzubeziehen, da Vergleiche sonst nicht möglich wären.

    Dies ist nur einer der Aspekte, der unterschiedlichen Traditionen und verschiedenen politischen Kulturen, die bei einer Analyse der Wahlprogramme, gemeinsam mit den Eigenheiten der jeweiligen politischen Systeme, sowie politischen und kulturellen Traditionen, berücksichtigt werden müssen.

    Darüber hinaus muss klargestellt werden, dass das Konzept Europa unterschiedliche Bedeutungen trägt. Die EU selbst und die meisten der großen Mainstream-Parteien neigen dazu, Europa und die EU gleichzusetzen. Dies umfasst auch ein Bekenntnis zu westlichen demokratischen Systemen, eine (neo-)liberale wirtschaftliche und soziale Ordnung und eine vertiefte Integration der Staaten in die Union. Die meisten rechtsextremen Parteien jedoch lehnen dieses Europabild ab. Erst seit kurzem zeichnet sich ein neuer Trend ab: Nach Matteo Salvinis Bemühungen zur Schaffung einer neuen rechten Parlamentsfraktion nach der Wahl, verändert sich nun die Rhetorik: Sie wird tendenziell weniger antieuropäisch und verlegt sich auf den Versuch, die EU von innen zu ändern. In den Augen der extremen Rechten wird die EU so zur unrechtmäßigen Besetzerin der europäischen Idee, während die rechtsextremen Parteien die wahren Verteidigerinnen Europas sind. Dieses Europaverständnis ist nichts Neues, sondern baut auf den intellektuellen Traditionen faschistischer und nationalsozialistischer Ideologien auf, die Europa gegen die „jüdisch-bolschewistischen Horden im Osten“ verteidigten. In der Vergangenheit umfassten Europabilder häufig Antisemitismus, Kolonialismus und Nationalismus. In den späten 1960er Jahren entwickelten französische neofaschistische Kreise der Nouvelle Droite das Konzept einer „neuen Ordnung für Europa“, die jetzt in rechtsextremer Propaganda zur angeblich notwendigen Verteidigung Europas auftaucht.

     


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