Dieses Papier bietet einen Überblick der gegenwärtigen Migrations- und Asylpolitik in der EU und skizziert die großen Leitlinien einer progressiven europäischen Alternative zu dieser Politik.
Die hier diskutierten Maßnahmen haben zum Ziel, die großen Leitlinien einer progressiven europäischen Asyl- und Migrationspolitik zu skizzieren. Diese Leitlinien fußen auf der Universalität der Menschenrechte, die erforderlich ist, wenn die Interessen der Menschen in Nord und Süd, von Migrant_innen und Einwanderer_innen berücksichtigt werden. Wenn diese Maßnahmen tatsächlich auf die soziale und humanitäre Krise reagieren und binnen eines kurzen Zeitraums umgesetzt werden sollen, sollten sie Teil einer nachhaltigen globalen Strategie sein.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 1. September 2015 haben rund 350 000 Menschen versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen (219 000 waren es 2014). Seit dem Zweiten Weltkrieg haben noch nie so viele Menschen versucht, nach Europa einzureisen. Diese Menschen kommen hauptsächlich aus Ländern, in denen sie Bürgerkriegen, politischer Instabilität oder Verfolgung ausgesetzt sind[1]. Gemäß der Genfer Konvention sind diese Menschen dem Status von Flüchtlingen[2] zuzuordnen. Die Zuwanderungsrouten haben sich als Reaktion auf die Verstärkung der Antimigrationsmaßnahmen entwickelt. Die Intensivierung der Kontrollen an den Außengrenzen erhöhte die Risiken für die Einwanderer_innen und führte zu einer exponentiellen Zunahme von Schiffsunglücken, die viele Tote forderten. Dabei geht es insbesondere um den Korridor im zentralen Mittelmeer, der Tunesien und Libyen mit Italien verbindet. Seit dem Jahr 2000 hat man vor den Toren Europas rund 28 000 Todesfälle registriert[3]. Im Jahr 2015 ertranken bis zum 1. September 2015 bereits 2642 Menschen im Mittelmeer (rund 3500 waren es im Jahr 2014)[4]. Von allen Flüchtlingen weltweit, die 2014 auf der Flucht ums Leben kamen, ertranken 75% im Mittelmeer.
Seit dem Ende der offiziellen Einwanderungsperioden der 1970er-Jahre unterscheidet man in Westeuropa zwischen Asylbewerber_innen und sogenannten „Wirtschaftsmigrant_innen“. Asylbewerber_innen beantragen individuell Schutz vor den Gefahren, denen sie in ihrem Herkunftsland ausgesetzt sind. Aus der zweiten Kategorie werden „ausgewählte" Migrant_innen ausgenommen, es gelten keine klaren gesetzlichen Regelungen und Kriterien, es bleibt einzig der Status der Illegalität. Häufig verbringen diese Menschen vor ihrer Abschiebung bis zu 18 Monate (eine in der EU-Direktive „Retour" 2008 festgelegte maximale Frist) in Abschiebehaft. In der Europäischen Union gibt es rund 400 Abschiebegefängnisse. Regelmäßig führen die europäischen Staaten unter dem Vorwand, mafiöse Strukturen zu bekämpfen, gemeinsame Aktionen durch, die regelrechten Razzien gegen „Sans-papiers" (Migrant_innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus) gleichkommen, wie etwa die Operation Mos Maiorum im Jahr 2014. 11,3 Milliarden € wurden bestimmten Schätzungen zufolge seit 2000 für Abschiebungen in der Europäischen Union ausgegeben. Mehrere Millionen Menschen wurden dabei abgeschoben.
Mit der Schaffung der Schengen-Zone im Jahr 1995 als Raum der Personenfreizügigkeit gingen drastische Kontrollen an den Außengrenzen einher; seit 2000 entstanden hier Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden €[5]. Seit 2005 wird dieser Raum durch die Agentur Frontex kontrolliert, deren Budget stetig steigt (89 197 000 € im Jahr 2014). Wegen bestehender Rechtsunsicherheit zu ihrer juristischen Grundlage steht die Agentur wiederholt in der Kritik, insbesondere da keine geregelte Aufteilung der Zuständigkeiten im Fall von Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte besteht.
NGOs und der UNHCR prangern immer wieder die Logik hinter der „Festung Europa“ an und weisen darauf hin, wie wichtig der Schutz von Flüchtlingen und ganz allgemein die Einhaltung der Rechte aller Migrant_innen ist. Das Asylrecht ist durch eine Vielzahl von Beschränkungen zu einem zentralen Instrument für die Kontrolle der Anzahl von Migrant_innen geworden. Auf EU-Ebene begrenzt die Dublin II-Regelung mehrfache Asylanträge in der EU. Durch diese Regelung können Flüchtlinge in das erste Land zurückgeschickt werden, in dem sie einen Asylantrag gestellt haben, was die Transitländer in Südeuropa unter einen ungeheuren Druck setzt. Im Jahr 2014 wurden in der EU 626 700 Asylanträge registriert, allerdings waren diese äußerst ungleich auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten mit ihrer jeweils unabhängigen Aufnahmepolitik verteilt.
Die katastrophale humanitäre Bilanz des Anstiegs der Schiffsunglücke führte nicht zwangsläufig dazu, dass die Entscheidungsträger_innen in Europa ihren politischen Kurs geändert hätten. Migrationsfragen werden unterschiedlich stark mit einer Logik von Sicherheitsbedenken („securitization")[6] verbunden, was vor allem sicherheitspolitische und militärische Maßnahmen zur Folge hat, die vollkommen ungeeignet für die Lösung einer humanitären Krise sind. Der Zynismus geht sogar so weit, die Rettungsaktionen auf dem Meer zu verurteilen, weil der EU in diesen Fragen so viel Gegenwind entgegenschlägt. So musste Italien die Rettungsaktion Mare Nostrum einstellen, durch die von Oktober 2013 bis November 2014 mehr als 150 000 Menschen aus Seenot gerettet werden konnten, mangels fehlender Kooperationsbereitschaft vonseiten der europäischen Partner_innen. Stattdessen wurde Mare Nostrum durch Triton ersetzt, eine von Frontex koordinierte Aktion, die vielmehr der Überwachung als der Rettung dient.
Als sich an den EU-Grenzen die bislang verheerendste Schiffskatastrophe mit rund 900 Toten abspielte, blieb die Reaktion des Europäischen Rates am 23. April wieder weit hinter den Erwartungen zurück. Wie um die EU von ihrer Verantwortung zu entbinden, konzentrierte sich der Europäische Rat auf den Menschenhandel und verdreifachte das Frontex-Budget, ohne jedoch das Mandat anzupassen. Bisher erlaubt das Frontex-Mandat keine aktiven Rettungsaktionen[7]; des Weiteren wurde die Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Transitländern intensiviert, wobei der Schutz der Flüchtlinge immer weiter aus dem Fokus gerät. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Europäische Union an der Illusion festhält, man könne das Massaker im Mittelmeer dadurch beenden, dass die Festung Europa sich weiter abschirmt.
Um die Schwächen der Asylregelung bei Dublin II anzugehen, schlug die Europäische Kommission vor, verpflichtende Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen und stieß damit auf heftigen Widerstand zahlreicher Mitgliedstaaten. Auch wenn im Zuge der immer zahlreicher eintreffenden Flüchtlinge im Laufe des Sommers 2015 ermutigende Maßnahmen ergriffen wurden (insbesondere das deutsche Moratorium für die Abschiebung syrischer Flüchtlinge), wurde keine nachhaltige Lösung für die hohe Anzahl an Todesopfern im Mittelmeer gefunden. Jene Migrant_innen aber, die keinen Anspruch auf Asyl haben, sind weitaus zahlreicher und geraten bei den zaghaften und ungleichmäßigen Öffnungen in der Asylfrage ins Hintertreffen, da es dabei vor allem darum geht, abgelehnte Bewerber_innen schneller abzuschieben.
Es scheint klar, dass sich die gegenwärtigen Migrationsbewegungen fortsetzen werden – egal, wie wirksam die Maßnahmen gegen die Ursachen für die Flucht der Menschen sein mögen. Daher ist es im Moment besonders wichtig, mit der Sicherheitslogik zu brechen, von der die Grenzpolitik geprägt ist und dabei die Achtung der grundlegenden Menschenrechte wieder in den Vordergrund zu rücken. Wir sollten grundsätzlich die Überwachungslogik überdenken, der Frontex folgt– entweder durch die Auflösung der Agentur selbst oder durch eine radikale Änderung ihres Mandats – und eine breit angelegte Marineoperation ins Lebens rufen, deren ausdrückliche Aufgabe die Seenotrettung und die Vermeidung von Schiffsunglücken ist. Weiterhin muss die „Verschiebung der Außengrenzen" in Länder, die die grundlegenden Menschenrechte nicht wahren, unverzüglich gestoppt werden.
Die militärischen Zwangsmaßnahmen, um Menschen von der Flucht abzuhalten, sind weitgehend gescheitert: Migration ist meist die Reaktion auf eine lebensbedrohliche Situation, die nicht durch eine geschlossene Grenze eingedämmt werden kann. Außerdem fördert genau diese ultrarestriktive Migrationspolitik illegale Netzwerke von Schleppern, die dann unumgänglich werden. Deshalb besteht die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass Menschen das Mittelmeer überqueren darin, legale Wege auf den Alten Kontinent zu schaffen. Die Sterblichkeitsrate könnte durch die breit angelegte Ausstellung humanitärer Visa an Menschen, die in Konfliktgebieten oder in Gebieten großer politischer Instabilität leben, drastisch gesenkt werden. Für Migrant_innen, deren Status nicht unter die Genfer Konvention fällt, müssen unverzüglich und in Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern legale Einreisemöglichkeiten in die Europäische Union geschaffen werden, um zu verhindern, dass sie sich an Schlepper wenden. Langfristig ist eine Debatte über die schrittweise Einführung von Zonen vonnöten, in denen Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit zwischen Aufnahme- und Herkunftsländern gelten. Auch muss diskutiert werden, wie das Recht auf Freizügigkeit gewahrt wird und gleichzeitig die Sozialsysteme in den Herkunftsländern erhalten bleiben können.
Mit Ausnahme von wenigen Fällen ist die Asylpolitik für die EU-Länder ein Werkzeug zur Steuerung der Migration geworden. Dieser Politik wieder einen Sinn zu verleihen bedeutet, wieder im Sinne der Genfer Konvention zu agieren und Asylgesuche fair und individuell zu überprüfen. Das kann durch die Abschaffung der Kategorie der sogenannten „sicheren Herkunftsländer" geschehen. Menschen aus „sicheren Herkunftsländern" haben de facto keine Chance, das Recht auf Asyl in Anspruch zu nehmen[8]. Es müssen zusätzliche Mittel für eine menschenwürdige Aufnahme der Flüchtlinge bereitgestellt werden, insbesondere für die zügige Bereitstellung von Notunterkünften. Gleichzeitig muss der Europäische Rat schnellstmöglich die bisher nicht genutzte Direktive zum „Vorübergehenden Schutz" von 2001 in Kraft setzen und damit Schutz für all jene Menschen bieten, deren Herkunftsländer schwere humanitäre Krisen zu bewältigen haben.
Eine Harmonisierung der europäischen Asylpolitik ist nur wünschenswert, wenn sie einem von unten nach oben angelegten Konzept folgt und dabei Aufnahmeverfahren, Wartezeiten und den Asylbewerber_innen eingeräumte Rechte mit einschließt. Die Asylbewerber_innen, die sich vor allem in den Transitländern in Südeuropa aufhalten, sollten fairer auf die anderen europäischen Staaten verteilt werden. Das von der Kommission und einigen europäischen Staatschefs vorgestellte Konzept der verpflichtenden Quoten entspricht in keinster Weise der Realität der Migrationsbewegungen. Die Verteilung der Menschen sollte eher auf individuellen Präferenzen beruhen, wie der Familienzusammenführung oder die Suche nach einem Arbeitsplatz. Auch sollte die EU solidarische Finanzierungen für am stärksten nachgefragte Länder schaffen[9]. Die Dublin II-Regelung muss aufgehoben werden, um damit „die aktuelle Logik umzukehren und Asylbewerber_innen zu ermöglichen, in einem EU-Land[10] ihrer Wahl einen Asylantrag zu stellen", wie der Sonderberichterstatter über die Lage der Rechte von Migrant_innen empfiehlt.
Die Besonderheiten des Asylrechtes müssen erhalten bleiben, gleichzeitig ist aber auch die Achtung der grundlegenden Menschenrechte für alle Migrant_innen geboten, besonders der Menschen mit unklarem Status. Als grundlegende Basis für eine neue alternative Migrationspolitik kann die „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer_innen und ihrer Familienangehörigen“ herangezogen werden. Diese Konvention wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1990 verabschiedet und von 47 Staaten ratifiziert, darunter kein Industrieland. Dabei handelt es sich um den Versuch, die im Völkerrecht verankerten Menschenrechte auf alle Erscheinungsformen und Etappen von Migration anzuwenden. Zudem ist es für die europäischen Staaten wichtig, möglichst schnell Kriterien für die Einstufung derjeniger Migrant_innen zu entwickeln, die nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Damit muss die ungeklärte rechtliche Situation von Millionen Menschen ohne legalen Status gelöst werden, die oft in eine äußerst prekäre Situation abrutschen (siehe auch V.3.1).
Ausschlaggebend für eine progressive Migrationspolitik ist die Ablehnung ihrer Instrumentalisierung für die wirtschaftliche Lage der Aufnahmeländer, wie sie momentan durch die europäischen Institutionen vertreten wird. Sicherlich kann die Position der Arbeitgeber_innenverbände mancher Länder, darunter Deutschland, positiv gewertet werden, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern wollen, auch wenn, wie einige sagen, damit eine eigene Agenda verfolgt wird. Trotzdem passt diese Position zum Teil zu einer selektiven Einwanderungslogik, die zu einem problematischen „Brain Drain" von den Ländern des Südens nach Norden führt. Ein alternativer Ansatz könnte die Vereinfachung der Zu- und Abwanderung aus Herkunfts- und Aufnahmeländern sein, damit Wissen und Arbeitserfahrungen dem Herkunftsland zugutekommen können. Für hochqualifizierte Einwanderer_innen (deren Emigration sich in weniger entwickelten Ländern besonders negativ auswirken kann) müssen in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern finanzielle Anreize geschaffen werden, um ihre Rückkehr in durch Fachkräftemangel geprägte Herkunftsländer zu unterstützen.
Die unzumutbare humanitäre Situation, die ursächlich für die aktuell hohe Anzahl an Flüchtlingen ist, kann nur beendet werden, wenn nicht weiterhin aus strategischen oder wirtschaftlichen Gründen Konflikte geschürt werden. Es ist sicherlich nicht ganz ohne Bedeutung, dass die Hälfte der Menschen, die im ersten Halbjahr 2015 einen Asylantrag gestellt haben, aus Ländern kommt, deren chronische Instabilität indirekt oder direkt auf die militärischen Interventionen des Westens zurückzuführen ist. Entgegen dieser Kriegslogik, die als „humanitär" bezeichnet wird, muss die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gänzlich auf Diplomatie setzen und sich dabei entschieden für Dialog, Frieden und Demokratie einsetzen. Auch müssen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um der humanitären Herausforderung des „State-building" von sogenannten gescheiterten Staaten gerecht zu werden. Dabei müssen die jeweilige Souveränität der betreffenden Staaten, der Willen der Bevölkerung und das internationale Völkerrecht geachtet werden.
Das Grundrecht auf Freizügigkeit muss Hand in Hand gehen mit dem Recht, nicht vor Notsituationen fliehen zu müssen. Dennoch dürfen entwicklungspolitische Maßnahmen nicht als Werkzeuge zur Eindämmung von Migration verstanden werden. Nicht nur deshalb, weil diese Maßnahmen bei der Migrationseindämmung unwirksam sind, sondern vor allem weil Migration eben auch Entwicklung in den Ländern des Südens fördern kann: Rücküberweisungen von privaten Einkünften übersteigt schon jetzt die Höhe der westlichen Entwicklungshilfe. Diese muss zwar als Zielsetzung weiter bestehen bleiben, aber grundlegend neu orientiert werden, um eine unabhängige und nicht an westlichen Interessen orientierten Entwicklung zu fördern. Entwicklung muss zugunsten einer nachhaltigen Wirtschaftsweise und der lokalen Bevölkerungen gestaltet werden und versuchen, die lokalen Bevölkerungen zu vernetzen. Eine Politik, die die Entwicklungshilfe an die Bedingung der Wiederaufnahme von abgeschobenen Migrant_innen knüpft, muss unverzüglich und mit sofortiger Wirkung gestoppt werden. Das bedeutet aber auch, dass die westlichen Länder ihre verheerende Handelspolitik beenden, insbesondere hinsichtlich der Forderungen nach dem Absenken der Zollschranken und der Ausbeutung der Ressourcen in den Entwicklungsländern.
Ob das nun absichtlich geschieht oder nicht; die Maßnahmen, die den Arbeitsmarkt in „einheimische" Arbeitskräfte und Einwanderer_innen einteilen, führen zu einer „Delokalisierung im Innern", von der am Ende das Kapital profitiert. Die Einwanderer_innen arbeiten letztlich zu Billiglöhnen, entweder durch eine Verzögerung in der Erteilung der Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge, durch das Prinzip des Inländer_innenvorrangs bei der Einstellung oder durch die drohende Abschiebung illegaler Einwanderer_innen. Das zieht die Löhne für Einwanderer_innen erheblich nach unten. Nur die Gewährung gleicher wirtschaftlicher und sozialer Rechte wird den Erhalt der Sozialmodelle in den Aufnahmegesellschaften ermöglichen. Sobald ein Asylverfahren eingeleitet wurde, ist es wichtig, dass Asylbewerber_innen nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung eine Arbeitserlaubnis erhalten. Um zu verhindern, dass die Arbeiter_innenklasse weiter zersplittert, muss alles dafür getan werden, die Einwanderer_innen in die bestehenden Strukturen zum Schutz von Arbeitnehmer_innen einzugliedern. Das setzt aber voraus, dass dort auch ihre spezifische Situation berücksichtigt wird.[11]Detail
Einwanderer_innen den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern, falls sie dies wünschen, ist eine notwendige Maßnahmen, aber nicht immer zielführend, insbesondere für Flüchtlinge, die wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren möchten. Die vollständige Anerkennung der politischen Rechte der Einwanderer_innen und dabei den Aufenthaltsort und nicht die Staatsangehörigkeit zugrunde zu legen könnte eine bereichernde Überlegung sein. Der Vorschlag für eine europäische Staatsbürgerschaft wird von mehreren Organisationen unterstützt und versucht, den Gleichheitsgrundsatz umzusetzen: Diesem Konzept zufolge sind jeder Person, die sich nachweislich mehrere Jahre in der EU aufhält, die vollen politischen Rechte zu garantieren. Durch diesen Vorschlag könnte eine Debatte über das Konzept der Staatsbürgerschaft angeregt werden, wobei das gesellschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl aus dem gemeinsamen Willen, eine Gesellschaft zu gestalten erwächst und nicht aus willkürlichen Kriterien wie Staatsangehörigkeit oder Geburtsort heraus begründet wird.
Die Behörden müssen Verantwortung übernehmen und sich für ein harmonisches Miteinander zwischen Einwanderer_innen und der lokalen Bevölkerung einsetzen. Sie dürfen den ehrenamtlichen Sektor dabei nicht allein lassen. Neben der entschlossenen Bekämpfung von vor allem kriminellem Rassismus müssen Maßnahmen zur Entschärfung der sozialen Spannungen getroffen werden, um das weitgehend negative Bild von Einwanderer_innen in Europa zu verändern. Was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, so muss durch die Unterbringungspolitik einer womöglich explosiven Ghettoisierung der Einwanderer_innen entgegengewirkt werden. Die Herausforderungen gehen über humanitäre und moralische Fragen hinaus, geht es doch auch um die sozialen Kosten einer Spaltung der Arbeitnehmer_innen. Linke Bewegungen und Gewerkschaften schienen dafür die geeignete Grundlage zu bieten, weil ihr Schwerpunkt Klassenkonflikte sind, die Einwanderer_innen und Nicht-Zugewanderte im Kampf gegen ein neoliberales System vereinen können.
Migrant_in: Jede Person, die freiwillig das Herkunftsland auf dem Weg in ein anderes Land verlässt. Die Gründe dafür sind unerheblich. Migrant_innen werden bei der Niederlassung in einem Drittstaat zu Einwanderer_innen /Immigrant_innen.
Asylbewerber_in: Person, die versucht, gemäß der Genfer Konvention als Flüchtling anerkannt zu werden.
Flüchtling: "Jede Person die aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will" (Art. 1 der Genfer Konvention).
sogenannte "Wirtschaftsmigrant_innen": Migrant_innen, die ihr Herkunftsland nicht aus der in der Genfer Konvention begründeten Furcht vor Verfolgung verlassen. Diese Definition wird daher kritisiert, da die Gründe für Migration oftmals vielfältig sind.
"Sans-papier": Migrant_innen, die im Land ihres Wohnsitzes über keinen Aufenthaltstitel verfügen.
Anmerkungen