Ailbhe Smyth: „Wir brauchen eine Abtreibungsdebatte auf europäischer Ebene, verknüpft mit einer Debatte über unsere Demokratie.“

Wie ist die irische Gesellschaft von einem Abtreibungsverbot zu einem Sieg für die Frauenrechte gelangt? Was lässt sich aus dieser Erfahrung für die derzeitigen feministischen Proteste in Polen ableiten? Małgorzata Kulbaczewska-Figat (Strajk.eu) spricht darüber mit der feministischen Aktivistin Ailbhe Smyth, die in den erfolgreichen politischen Kampagnen für Frauen- und LGBT-Rechte in Irland eine zentrale Rolle

Wie ist die irische Gesellschaft von einem Abtreibungsverbot zu einem Sieg für die Frauenrechte gelangt? Was lässt sich aus dieser Erfahrung für die derzeitigen feministischen Proteste in Polen ableiten? Małgorzata Kulbaczewska-Figat (Strajk.eu) spricht darüber mit der feministischen Aktivistin Ailbhe Smyth, die in den erfolgreichen politischen Kampagnen für Frauen- und LGBT-Rechte in Irland eine zentrale Rolle gespielt hat.

Ailbhe Smyth ist Mitbegründerin der Coalition to Repeal the 8th Amendment, einer 2013 gegründeten zivilgesellschaftlichen Plattform für den Kampf für die Aufhebung des 1983 in der irischen Verfassung verankerten nahezu vollständigen Abtreibungsverbots. Die Koalition wurde später zu einer der drei Säulen der Initiative Together for Yes, die 2018 die Kampagne zum nationalen Referendum für die Aufhebung des achten Verfassungszusatzes und das Recht auf Abtreibung anführte. Bei diesem Referendum stimmte eine große Mehrheit von 66 Prozent für die vorgeschlagene Verfassungsänderung, wobei eine der höchsten Wahlbeteiligungen in Irland überhaupt erreicht wurde. Außerdem war Ailbhe auch 2015 maßgeblich an der erfolgreichen Abstimmungskampagne für die Gleichstellung der Ehe lesbischer und schwuler Paare beteiligt. Als führende Akademikerin am University College Dublin hat Ailbhe die Frauenforschung mitbegründet. Sie hat zahlreiche Beiträge zu Feminismus, Politik und Kultur publiziert.

Smyth war zu Gast im Webinar Our Bodies – Our Choice – Our Decisions (4. März 2021)

Małgorzata Kulbaczewska-Figat: Du bist nun schon seit fast 40 Jahren in der Frauenrechtsbewegung aktiv …

Ailbhe Smyth: Ich bin seit Ende der 1970er-Jahre aktiv. Für Frauen in Irland war das eine schwierige Zeit: Zum einen befanden wir uns in einer wirtschaftlichen Rezession und zum anderen erlebten wir seitens der Kirche einen Backlash, der sich gegen die frühen Aktivitäten der Frauenbefreiungsbewegung richtete. Zu dieser Zeit setzte sich die katholische Kirche für ein komplettes Abtreibungsverbot und die Aufnahme eines entsprechenden Zusatzes in die Verfassung ein. Tatsächlich zeigte diese Kampagne 1981 Erfolg – und meine erste Kampagne als Aktivistin richtete sich gegen diesen Verfassungszusatz. Es war also sehr, sehr schwierig!

Irische Frauen hatten Ende der 1960er-Jahre gerade erst das Recht zum Sekundarschulbesuch erhalten. Meine Tochter kam in den 1970er-Jahren auf die Welt, und da ich mit ihrem Vater nicht verheiratet war, wurde sie automatisch als uneheliches Kind registriert. Das war ein großer Skandal und solange dieses Gesetz in Kraft war, hätte meine Tochter im Falle meines Todes kein Anrecht auf eine Rente gehabt.

Ich habe 1973 geheiratet. Die Universität, bei der ich angestellt war, teilte mir daraufhin mit, dass ich nicht mehr in Vollzeit arbeiten konnte. Die Vorschriften ließen einfach nicht zu, dass verheiratete Frauen in staatlichen Institutionen arbeiteten. Glücklicherweise trat im selben Jahr ein neues Gesetz in Kraft und dieses Verbot wurde aufgehoben. Bis Mitte der 1990er-Jahre war es untersagt, sich scheiden zu lassen, und nicht allzu lange vorher wurde der freie Zugang zu Verhütungsmitteln möglich. Meine Ehe, die nach sechs Monaten zerbrach, wurde erst offiziell aufgelöst, als sich das Gesetz Mitte der 1990er-Jahre änderte.

Schwangerschaftsabbrüche – das dürfen wir nicht vergessen – waren sogar schon vor der Einführung verfassungsrechtlicher Garantien für den Schutz des "ungeborenen Lebens" illegal. Darauf stand lebenslängliche Freiheitsstrafe.

Wie auf Mord …

Ganz genau! Sowohl die Frau, die ihre Schwangerschaft beendete, als auch die medizinische Fachkraft, die ihr dabei half, konnten auf diese Weise bestraft werden! Und selbst nach der derzeitigen irischen Rechtslage, die freilich ungleich besser ist, gilt die Hilfe bei einer Abtreibung als Straftat – sofern nicht sehr eng gefasste gesetzliche Bedingungen erfüllt sind.

Kommen wir noch einmal auf deine eigene Geschichte zurück – da warst du also in den 1970er-Jahren alleinerziehend mit deiner Tochter und hast gleichzeitig an der Universität gearbeitet …

… als eine der wenigen Frauen, die nach der Geburt eines Kindes überhaupt arbeiten gegangen sind. Ich musste das sogar meiner Tochter erklären und ihr sagen, dass das großartig war, weil ich so Geld für uns verdienen konnte. Alleinerziehende Mütter waren zu jener Zeit in der Gesellschaft schrecklich stigmatisiert. Und die brutale Wahrheit darüber, wie unverheiratete schwangere Mädchen in von Nonnen geleitete Institutionen gesperrt und dort praktisch versklavt wurden, kam erst Jahre später ans Licht. Staat und Kirche gingen in dieser Sache Hand in Hand.

Irland stand gerade erst am Anfang von Veränderungen. Wir traten der Europäischen Union bei. Unsere wirtschaftliche Situation, die in den vorangegangenen Jahrzehnten sehr schwierig gewesen war, verbesserte sich allmählich. Die irische Bevölkerung begann, das Land nicht nur zum Arbeiten zu verlassen, sondern auch um in den Urlaub zu fahren, wo die Menschen mit eigenen Augen sehen konnten, wie anders das Leben anderswo war. Und wer nicht reiste, sah das im Fernsehen.

1983 bekommt die Kirche, was sie will. Mit dem achten Zusatz zur irischen Verfassung wurden Ungeborene in ihrem Recht auf Leben genauso geschützt wie die Frau. Er wurde in einem Referendum mit einer Mehrheit von 67 Prozent der Stimmen angenommen. Das bedeutet, dass das Gesetz auch von zumindest einigen Frauen unterstützt wurde …

Auch wenn in Irland erste Veränderungen in Gang kamen, war das Land doch immer noch durch und durch katholisch. Die Kirche hatte einen großen Einfluss auf Schulen und das Gesundheitswesen. Für Tausende von Menschen galt sie nach wie vor als höchste Autorität in Sexualitätsfragen. Also ja, viele Frauen stimmten in diesem Referendum tatsächlich gegen das Recht auf Abtreibung. Trotzdem bin ich überzeugt, dass ein solches Referendum, wenn es 20 Jahre früher stattgefunden hätte, nicht nur mit 67 Prozent akzeptiert worden wäre, sondern mehr als 80 Prozent Ja-Stimmen erhalten hätte. Die Tatsache, dass mehr als ein Drittel gegen die Kirche stimmte, war ein Beweis dafür, dass in unserer Gesellschaft große Veränderungen im Gange waren.

Der achte Verfassungszusatz war fast 40 Jahre in Kraft. Er wurde 2018 mit einem Referendum abgeschafft.

Während dieses gesamten Zeitraums war die Frauenbefreiungsbewegung aktiv, sichtbar, kämpferisch und siegreich. 1990 wählten wir mit Mary Robinson eine Frau, Anwältin und Befürworterin des Rechts auf Abtreibung und gleiche Rechte für die LGBT-Community zur Präsidentin der Republik. Diese beiden Bewegungen, Frauen und LGBT, wuchsen, kämpften und reiften in Irland gemeinsam.

1992 fand ein weiteres Referendum zur Abtreibungsfrage statt. Es wurde aus einem traurigen Anlass organisiert, einer menschlichen Tragödie: Ein 14-jähriges Mädchen war von einem Freund der Familie vergewaltigt worden und wurde daran gehindert, für eine Abtreibung nach Großbritannien zu reisen. Letztlich reiste sie doch, erlitt aber eine Fehlgeburt. Im Referendum beantworteten wir drei Fragen: Sollte eine Frau das Recht auf Informationen über die Möglichkeit einer Abtreibung im Ausland haben? Sollte es möglich sein, frei zu reisen, wenn der Grund eine Abtreibung ist? Und stellt das Risiko, dass eine Frau Suizid begeht, eine Bedrohung für die Gesundheit der Mutter dar (und rechtfertigt damit einen Schwangerschaftsabbruch)? Und die Antwort lautete: Ja.

Diese Veränderung hatte eine große Bedeutung. Es wurde offiziell zugegeben, dass Abtreibungen existierten und trotz des Verbots durchgeführt wurden.

Gab es ein solches Bewusstsein davor nicht? Keinen Untergrund für Abtreibungen?

Nicht wirklich. Vor langer Zeit, in den 1920er- und 1930er-Jahren, konnten Frauen in den Hinterzimmern von Geschäften oder Apotheken inoffiziell verschiedene "Mittel" kaufen, die eine Fehlgeburt auslösen sollten. 1967 trat das britische Abtreibungsgesetz in Kraft. In den 1970er-Jahren reisten Frauen, die ihre Schwangerschaft beenden wollten, dorthin. Das konnte natürlich nicht jede: Viele hatten kein Geld, keine Möglichkeit, ihre Kinder unterzubringen, während sie fort waren … So bekamen sie die Kinder und versuchten sie so gut wie möglich großzuziehen. Über diesen Frauen liegt ein großes Schweigen, ein Schweigen, das niemals gefüllt werden kann.

Und ein weiterer Faktor trug zum Umdenken bei: unser irischer Neoliberalismus. Den Menschen wurde Konsum immer wichtiger und sie wurden materialistischer. Der alte Glaube, dass Gott auf uns herabsieht und alles in der Hand hält, verschwand. Die Gesellschaft wurde säkularisiert und gleichzeitig beging die Kirche eine Art Harakiri – eine ganze Reihe von Skandalen in Verbindung mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester kam ans Licht. Ein Priester nach dem anderen wurde bloßgestellt und immer neue kamen hinzu … Das war ein großer Schock. Die Kirche konnte ihre Autorität nicht mehr durchsetzen.

In Polen ist es ebenfalls die Kirche, die Hand in Hand mit hörigen Politiker*innen das gesetzliche Abtreibungsverbot durchsetzt. Im öffentlichen Diskurs in Polen hören wir häufig Vergleiche zu Irland, die oft in Verbindung mit einer Hoffnung formuliert werden: Dort ist die Allmacht der katholischen Kirche letztlich kollabiert, also können wir das auch erreichen. Wir werden diesen Weg wiederholen und eine offene Gesellschaft aufbauen.

Bei genauerer Betrachtung der Entwicklung der Frauenbewegungen in beiden Ländern zeigen sich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Wenn polnische Frauen auf die Straße gehen, kämpfen sie für Rechte, die ihre Mütter und Großmütter früher einmal hatten. Wir hingegen forderten ein Recht, das wir niemals zuvor gehabt haben. Die katholische Kirche in Polen hat mit ihrer aktuellen Position ein Vakuum ausgefüllt, das nach dem Niedergang des Realsozialismus entstanden war. Sie selbst steht nicht vor dem Niedergang, sondern konnte dieses Vakuum mit ihren eigenen Konzepten füllen und kann nach wie vor auf gehorsame Verbündete zählen: ultrarechte Politiker*innen.

Der Kampf wird also für uns härter sein?

Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Am wichtigsten ist es, nicht aufzugeben. Frauen dürfen sich nicht von den Straßen zurückziehen. Sie müssen anhaltend sichtbar bleiben und immer wieder wiederholen: Wir bleiben hier, bis ihr geht! Nur mit einer Massenbewegung ist es möglich, wirklich etwas zu gewinnen. Das Europäische Parlament meldet sich zu Wort und sagt die richtigen Dinge, aber es hat keine wirkliche Macht. Die Europäische Kommission? Ist weder mutig noch wirklich an Fragen der Sexualität oder Gendergleichberechtigung interessiert.

In Irland waren wir in den 2000er-Jahren als Gesellschaft überzeugt: Wir müssen den achten Verfassungszusatz abschaffen. Leider musste vor der Implementierung dieser Gesetzesänderung eine weitere Tragödie geschehen …

2012 starb Savita Halappanavar mit 31 Jahren durch eine Blutvergiftung. Hätte man ihr nicht eine Abtreibung verweigert, wäre sie noch am Leben.

Dieser Fall war ein Schock für Irland. Eine Frau, die gekommen war, um bei uns zu leben und zu arbeiten, und die in ihren Geburtsland Indien die Möglichkeit zur Beendigung ihrer Schwangerschaft gehabt hätte, starb. Unsere Gesetze hatten sie umgebracht. Es war wirklich beschämend.

Zu dieser Zeit hatten wir in Irland gerade eine Kampagne für die gleichgeschlechtliche Ehe gestartet. Ich arbeitete bei dieser Kampagne mit und sagte dann: Wenn wir die gleichgeschlechtliche Ehe gewinnen, werden wir auch das Recht auf Abtreibung gewinnen.

Das ist wahrscheinlich ein weiterer Unterschied zwischen Polen und Irland, wenn es einfacher war, die Rechte von LGBT-Personen einzufordern als Frauenrechte.

Aber so war es! Mit ihrem Kampf für das Recht auf Eheschließung erklärten lesbische und schwule Paare gegenüber der heterosexuellen Mehrheit: Wir möchten sein wie ihr! Lasst uns nicht anders sein! Wir kämpften für etwas, das weithin akzeptiert war. Nicht legal, aber hyperlegal. Wir sprachen über Liebe, die Notwendigkeit von Stabilität, Kinderversorgung, Sicherheit.

Beim Kampf für das Recht auf Abtreibung ist die Situation anders. Da geht es nicht nur um schöne und angenehme Dinge, sondern auch um Dinge, über die Menschen nicht gern nachdenken. Männer meiden prinzipiell das Gespräch über Abtreibung. Und Frauen … sie verstehen zwar, dass es vorkommt, dass jemand schwanger ist, aber das Kind nicht austragen kann oder möchte – wollen aber auch nicht weiter darüber nachdenken. Und dann gibt es da diesen ganzen Diskurs der Kirche: Abtreibung = Mord, Zerstörung von Leben … Das Thema war auch für uns so schwierig, dass sogar einige der Aktivist*innen, die sich an der Kampagne im Vorfeld des Referendums beteiligten, das letztlich zur Abschaffung des achten Verfassungszusatzes führte, sagten: Ich bin für das Recht auf Abtreibung für alle, aber es gefällt mir nicht! Wir mussten sehr vorsichtig sein und sorgfältig über die Sprache nachdenken, die wir verwendeten. Das galt auch für den radikalen linken Flügel der Bewegung. Schließlich ging es nicht darum, eine ideologische Debatte zu gewinnen oder mit denjenigen zu sprechen, die bereits überzeugt waren, sondern um die Einleitung eines umfassenden gesellschaftlichen Wandels.

Wir setzten bei unseren persönlichen Erfahrungen an und suchten nach dem, was uns verbinden konnte. Wir wiederholten immer wieder: Wir kämpfen für alle, einige für ihre persönlichen Rechte, andere für unsere Töchter, Enkelinnen oder ganz einfach für Frauen, die möglicherweise in Bedrängnis waren. Wir betonten: Abtreibung ist eine Sache der Gerechtigkeit und der Menschenrechte. Wir sagten: Wenn Frauen das Recht erhalten, Entscheidungen zu treffen, beweist der Staat, dass ihm Gleichberechtigung wichtig ist, zeigt aber auch, dass er ein menschlicher, anständiger Staat sein möchte.

In Polen kämpft die Kirche, auch wenn sie durch eine Reihe von Skandalen in Verruf geraten ist, gegen die Frauenbewegung und agiert verbal sehr aggressiv. War das in Irland auch so?

Die Kirche kämpfte in den 1980er-Jahren für das Abtreibungsverbot und startete dann vor dem Referendum von 1992 und auch 2002 entsprechende Kampagnen. 2018 gab sie auf. Die Bischöfe äußerten sich nicht. Stattdessen gab es Anti-Abtreibungsorganisationen, die behaupteten, Abtreibungen seien einfach böse. Die Kirche erkannte, dass die Menschen ihr nicht mehr zuhörten, sondern eigene Entscheidungen trafen. Wie es auch mit Verhütungsmitteln ist, die ebenso als Sünde gelten und dennoch sowohl von irischen als auch von polnischen Frauen verwendet werden. 2018 hatte die Kirche in Irland ihren politischen Einfluss verloren. In Polen scheint sie noch eine politische Kraft zu sein. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der Kampf der polnischen Frauen für ihre Rechte sehr lang werden muss. In Argentinien ist die Kirche nicht wie in Irland kollabiert, konnte aber dennoch die Einführung eines Gesetzes zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht aufhalten. Am wichtigsten ist, dass die Frauenbewegung nicht aufgibt, dass sie immer wieder auf die Straßen geht, für neue Rechte eintritt und auch für jene, die schon gewonnen wurden. Diese Rechte sind nicht für immer gegeben und können widerrufen werden.

Meiner Meinung nach weist der Kampf der polnischen Frauen eine weitere Dimension auf. Er ist eine Herausforderung für die extreme Rechte, eine rechte Regierung, deren Handlungen beobachtet werden und die Rechte in anderen Ländern inspirieren. Männer und Frauen, die deutlich machen, dass sie die rechte Vision nicht akzeptieren, stellen sich dem internationalen Erfolg dieser Vision in den Weg. Polnische Frauen verdienen internationale Solidarität, und eine Regierung, die einerseits ihren Demonstrationen mit brutaler Polizeigewalt begegnet und andererseits Orte toleriert, wo ‚LGBT-Personen nicht willkommen‘ sind, sollte verurteilt werden. Und wenn die Regierung die Stimmen von der Straße ignoriert, sollten Frauen entgegnen: Wir werden euer Gesetz ignorieren. Wir werden einen Weg finden, um uns über eure Gesetze lustig zu machen. Wir werden auf jeder möglichen Ebene kämpfen.

Das geschieht bereits. Mit der Gruppe Abortion Dream Team, in der Aktivist*innen Unterstützung bei der Organisation von Auslandsreisen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen leisten. Mit Gruppen, die bei der Beschaffung der erforderlichen Mittel für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch helfen. Es scheint, als hätten Frauen das Gefühl, dass uns nur unsere Selbstorganisation und Solidarität retten können, weil die Regierung nicht vorhat, in irgendeine Art von Dialog mit den Protestierenden zu treten, selbst nachdem Hunderttausende auf der Straße waren und sich in den Umfragen 70 Prozent auf die Seite der Frauen stellten.

Und die Initiativen dieser Frauen sind wunderbar. Zur gleichen Zeit muss das Thema aber weiter laut angesprochen werden. Eine Abtreibungsdebatte auf europäischer Ebene sollte mit einer Debatte über unsere Demokratie verknüpft sein. Beim Recht auf die Beendigung von Schwangerschaften geht es darum, wer das Recht hat, das Leben von Frauen zu kontrollieren – ob eine Frau das Recht hat, selbst zu entscheiden, oder ob es bestimmte Gruppen gibt, die das Recht bekommen, sie zu kontrollieren.

Der Kampf für Abtreibung ist kein Kampf für die Moral, ist doch die Kirche eine der unmoralischsten, amoralischsten und scheinheiligsten Institutionen überhaupt. Bei diesem Kampf geht es um das Etablieren einer autoritären Gesellschaft.

Hast du auch den Eindruck, dass die autoritäre Rechte von der Pandemie profitiert, während die Linke anhaltend in der Defensive ist? Es ist die Rechte, die sich gesellschaftliche Ängste zunutze macht, während die Linke bestenfalls sagt: "Es ist Zeit, eine Alternative zum neoliberalen Kapitalismus zu entwickeln" – wenn sie denn überhaupt den Mut hat, die Anfechtung kapitalistischer Regeln zu fordern. Wir wagen nicht den Schritt von der Erfindung zur Umsetzung, während die Rechte neue Anhänger*innen gewinnt.

Ganz genau! In Irland haben ultrarechte Bewegungen bislang noch nicht sehr viele Mitglieder, gewinnen aber zunehmend neue Unterstützung – die Pandemie und die Welle der Arbeitslosigkeit, die sie verursacht hat, haben dazu geführt, dass die Menschen ängstlicher, deprimierter und für ihre Vorschläge offener geworden sind. Das ist einer der Gründe, warum ich derzeit am Aufbau von Le Cheile mitarbeite – einer von der Linken entwickelten Plattform, um die Fortschritte der extremen Rechten zu kontern. Allerdings ist mir bewusst, dass eine Blockade allein nicht ausreicht. Die Menschen müssen unsere Konzepte und unsere Alternativen kennenlernen und erfahren, dass die Vorschläge der Rechten lebensferne Slogans sind, dass sie mit ihren extremistischen Ideen die Probleme der Menschen nicht lösen werden und dass wir wissen, wie man Arbeitsplätze rettet. Wir müssen in der Linken intelligenter und entschlossener sein und wissen, wie wir mit Menschen, die unter einer Krise leiden, reden müssen. Der Kampf für Frauenrechte ist mit diesem Kampf verwoben: Schließlich zerstört die Krise ganze Sektoren, in denen Frauen und Jugendliche gearbeitet haben – den Einzelhandel, die Gastronomie und den Tourismus.

Du hast in einem Interview einmal gesagt, dass du von einer Welt träumst, die auf wahrhaft gleichberechtigten Strukturen basiert, und dich voller Stolz als "Aktivistin" bezeichnest. Was ist der Schlüssel, damit unser – wenn ich mich diesem Traum anschließen darf – Aktivismus Früchte trägt?

Es ist schwierig, dafür allgemeingültige Rezepte zu geben, und ich halte es sogar für ein bisschen kontraproduktiv, wenn ich aus dem Blickwinkel meiner irischen Erfahrungen kämpfenden Frauen in Polen Ratschläge geben müsste! Einiger Dinge bin ich mir jedoch sicher. Ich bin sehr tief in der feministischen Tradition verwurzelt, daher komme ich, aber ich finde, als Aktivist*innen dürfen wir niemals globale Bedeutungen und Zusammenhänge aus dem Blick verlieren. Denn es gibt immer viele Probleme zu lösen, die nicht voneinander losgelöst existieren. In meinem Fall gibt es Dinge, für die wir in Irland kämpfen müssen – das betrifft die skandalöse Behandlung von Geflüchteten, die auf die Insel kommen. Die vernachlässigte Wohnungsfrage. Die Situation älterer Menschen – und hier spreche ich auch in meinem eigenen Namen –, die in der Pandemie praktisch aufgegeben worden sind.

Gleichzeitig muss man mit Menschen auch so sprechen, dass sie merken, dass das, was du sagst, authentisch ist und etwas mit deinem und ihrem Leben zu tun hat. Während der Kampagne haben wir versucht, auf diese Weise zu kommunizieren: Was wirst du tun – haben wir die Unentschlossenen gefragt –, wenn deine Tochter keinen Zugang zu einer Abtreibung hat? Wenn dein Enkel schwul ist und nicht heiraten darf? Wir haben die Menschen angeregt, über sich selbst nachzudenken, und sie zum gegenseitigen Verständnis und zur Solidarität mit anderen ermutigt.

Aktivismus ist Arbeit an der Basis. Mit Menschen, auf der Straße. Soziale Medien sind großartig, aber letztlich sind sie auch nur wie ein Blatt Papier und ein Stift! Sie unterstützen die Organisierung, am wichtigsten aber sind große Massenbewegungen. Soziale Netzwerke können für uns ein Werkzeug sein, doch sind es die zum Parlament ziehenden Menschenmengen, die letztlich erreichen, dass Regierungen zittern und dem Willen der Menschen nachgeben.

Glaubst du, dass wir diese gleichberechtigtere Welt erschaffen und den Planeten und uns selbst vor der Zerstörung retten können?

Ich weiß es nicht. Aber es wäre feige und unverantwortlich, nicht dafür zu kämpfen. Ich weiß, dass ich nicht jeden überzeugen und das Leben aller Menschen verändern kann … Aber für mich persönlich wäre es unmöglich, mich angesichts von Systemen und Strukturen, die zu Tod und Zerstörung führen, nicht dagegen zu positionieren. Mit ganzer Kraft. Zu viel steht auf dem Spiel.

Ursprünglich veröffentlicht auf der Website Strajk.eu (Polnisch).