„Wir brauchen einen überzeugenden Alternativplan“

Intervention der „Initiative der SYRIZA-Mitglieder der 53+“ bei der SYRIZA-Nationalversammlung am 29./30. August in Athen.

„Die Wahl am 20. September stellt für das Land und die Linke, SYRIZA, einen Meilenstein dar. Es ist aber auch ein äußerst wichtiges Ereignis für die europäische Linke, die trotz der Schwierigkeiten, die sich im Zuge der rasanten Entwicklungen nach dem Referendum ergeben haben, die griechische Linke und ihre Bestrebungen, ihre Position als Regierungspartei zu behalten, weiterhin beobachtet. Diese Wahl wird jedoch einen Meilenstein mit geänderten Inhalten darstellen und es wird anderes auf dem Spiel stehen, als dies bei den Wahlen vom 25. Januar der Fall war. Uns bleibt wenig Zeit und wir stehen vor großen Hindernissen, aber wir alle müssen unseren Beitrag leisten, damit wir einen Wahlsieg einfahren – für eine unabhängige SYRIZA-Mehrheitsregierung, deren Zusammensetzung nicht von der Laune und Politik von Parteien abhängt, deren Programm nicht mit dem Programm der SYRIZA kompatibel ist.
Gleichzeitig müssen wir einen überzeugenden Alternativplan formulieren – den wir vormals nicht hatten – zu dem die Gesellschaft ihren Beitrag leistet, der in einer echten Beziehung zur europäischen Linken steht und der uns aus der neoliberalen Politik der Memoranden führt. Wir müssen den Menschen und den radikalen sozialen Bewegungen vertrauen, auch wenn sie sich in manchen Aspekten nicht mit unserer Politik decken. Der Wahlkampf muss die Werte, den Ideenreichtum und die Durchschlagskraft der Linken widerspiegeln, aber auch durchaus den eigenen Fehlern, die zu Niederlagen und der Demobilisierung von Individuen geführt haben, kritisch gegenüberstehen. Unsere tägliche Arbeit muss auf das dauerhafte Ziel der Gesellschaftstransformation und des wirtschaftlichen Wandels im Land ausgerichtet sein.
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Normale Parteimitglieder oder Freund_innen der Partei nahmen unglücklicherweise an – besonders während der siebenmonatigen Regierungszeit der SYRIZA –, dass ihre einzige Aufgabe darin bestünde, die Regierungsentscheidungen zu verfolgen und diese in der Gesellschaft zu befürworten. Diese Parteimitglieder und Parteifreund_innen verstanden dies als Einladung, die Partei an sich, wie sie seit 2012 besteht, eher außer Acht zu lassen. Sie begründeten dies mit der Ansicht, dass es eine direkte, unmittelbare Beziehung von der Regierungsspitze zur Bevölkerung geben solle, die keine Partei als Mediator brauche, sowie der Annahme, dass die Partei und ihre Machenschaften eher eine Bürde darstelle und die Entwicklung des Einflusses der Regierung in Wirklichkeit behindere. Die Parteien der Linken werden jedoch nicht einzig und allein von ihren Spitzenpersönlichkeiten definiert, sondern von ihren Prinzipien, Ideen, Programmen und den Anliegen ihrer Mitglieder.
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Mit diesem Wochenende können wir ankündigen, dass wir aktiv daran arbeiten werden, die Befreiung der griechischen Bevölkerung und Wirtschaft aus der Falle der Memoranden und verheerenden Austeritätsmaßnahmen zu erreichen, dass wir den negativen Einfluss, den die Vereinbarungen auf das Wirtschaftswachstum haben, mildern oder beseitigen werden, dass wir die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen unterstützen, Rechte respektieren, und den autonomen Bewegungen (antirassistische, feministische, ökologische, antiautoritäre, Anti-kriegs-, Anti-Prohibitions-, LGBT-, Gefangenen- und Obdachlosenorganisationen) und Initiativen Raum geben wollen.
Heute brauchen wir mehr denn je eine Partei, die ihre richtungsweisende Rolle tatsächlich wahrnimmt und nicht stillsteht, eine demokratische, kollektiv funktionierende Partei, die radikal und sozial handelt und konkrete politische Maßnahmen setzt.
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Die Parteiführung muss der Partei selbst, dieser heutigen Versammlung und der Bevölkerung auch kritisch gegenüberstehen. Sie soll sich gegen falsche Zuschreibungen wehren, z.B. gegen Gerüchte über angebliche Pläne zur Diversifikation und Verlagerung der Parteianhängerschaft, was dem legitimen Versuch, diese Unterstützungsbasis schlichtweg auszuweiten, widerspricht.
Wir, die Unterzeichner_innen dieses Textes, sind Teil der ‚53+Bewegung‘, einer Gruppe innerhalb der SYRIZA, die sich für ihren Zusammenhalt, ihre demokratische Funktionsweise und ihre radikal linke, bewegungsorientierte Ausrichtung einsetzte. Wir nehmen die Verantwortung, die uns zufällt, an – auch für jene Angelegenheiten, die wir nicht verhinderten konnten oder durch unsere Intervention zu verhindern versuchten.
Diese zweitägige Veranstaltung ist von größter Wichtigkeit. Wir sind davon überzeugt, dass die kollektiven Antworten, die hier gegeben werden, den Verlauf des Projekts stark beeinflussen werden und sich auf die Haltung von tausenden von Mitstreitenden innerhalb und außerhalb der SYRIZA auswirken werden.
Werden wir mit unserer Intervention Erfolg haben? Dieser liegt heute ferner als je zuvor, ist allerdings noch zwingend nötiger geworden. Von unser aller Einsatz wird er jedoch abhängen.“
Übersetzung: Veronika Peterseil
Für den Volltext (Englisch) siehe pdf-Datei rechts.