Die Jahresmitgliederversammlung 2018 von transform! europe

Am 19. und 20. September trafen sich Vertreter_innen der Mitglieds- und Beobachterorganisationen von transform! europe in der Zentrale in Wien zur jährlichen Vollversammlung.

Bericht

Der Schwerpunkt des zweitägigen Treffens lag auf den derzeitigen politischen Herausforderungen in Europa, der anstehenden Europawahl und den Chancen und Risiken für die Linke sowie auf der Strategieplanung des Netzwerkes für 2019. Die Mitgliederversammlung verabschiedete den Finanzbericht 2017-18 und wählte das neue Board für transform! sowie zwei neue Beobachterorganisationen.

Politische Debatte, anstehende Herausforderungen und Strategieplanung

Zehn Jahre nach der Finanzkrise von 2008 wächst der Graben zwischen den Regionen Europas (Süden, MOE, Norden, Mitte), während die andauernden Brexit-Verhandlungen uns vor Augen führen, dass die europäische Integration keine Einbahnstraße ist. Gleichzeitig mit einer wachsenden Skepsis gegenüber dem europäischen Projekt erleben wir ein Erstarken extrem rechter, erzkonservativer und fremdenfeindlicher Kräfte überall in Europa. Extrem rechte Parteien sind nicht länger nur eine Randerscheinung der Geschichte, sie drängen mitten in Europa in die Regierungen, wie zuletzt in Italien und Österreich. Wie die kürzlich durchgeführten Wahlen in Ungarn zeigen, scheinen autoritäre und illiberale Regierungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas ihre Regimes zu stabilisieren. Dieser Aufschwung der extremen Rechten lässt sich nicht allein als parallellaufende Prozesse in einzelnen Ländern erklären, er muss als europaweiter Trend verstanden werden. Die sich hieraus ergebenden Fragen betreffen nicht nur die Linke, sondern die Zukunft Europas im Ganzen. Sieht man über die offensichtlichen Rivalitäten der Nationalismen hinweg, vereint die allgemeine Feindseligkeit gegenüber Migranten und Flüchtlingen einerseits und der Widerstand gegen die Vorstellung einer europäischen Integration andererseits die extreme Rechte. Wird es ihr gelingen, eine tragfähige europäische Agenda zu erschaffen, die als Basis einer rechten Gruppierung geeignet ist und über die bloße technische Zusammenarbeit im Europäischen Parlament hinausgeht? Hat die extreme Rechte ein gemeinsames Projekt der Hegemonie, das die neoliberale Hegemonie bedroht? Inwieweit passt dieses Hegemonieprojekt in die Agenden der traditionellen konservativen Parteien? Die EU verfolgt weiterhin die neoliberale Doktrin der Austerität, während gleichzeitig in die Rüstung und die Externalisierung der Grenzen investiert wird und der selbsterklärte „progressive Block“ (Grüne, Sozialdemokraten) scheint den eingeschlagenen Weg der Pasokifizierung blind weiterzugehen. Es zeigt sich eine proeuropäische Strömung (verkörpert von Emmanuel Macron) die tatsächlich weniger mit europäischer Solidarität und mehr mit einer erbarmungslosen neoliberalen Agenda zu tun hat und die proeuropäische Rhetorik im Grunde nur vorschiebt. Das kommt bei der ALDE gut an, am rechten Flügel der Grünen (sichtbar an Daniel Cohn-Bendit) und sogar in der italienischen PD. Das war die Hauptaussage von Jean-Claude Junckers Rede zur Lage der Union: “Make Europe great again!”. Die vorherrschende politische Debatte ist ein unter falscher Flagge geführter Kampf zwischen denjenigen, die sich als Kosmopoliten darstellen und die gleichzeitig eine neokoloniale, militaristische Agenda verfolgen einerseits und denen, die Migrant_innen und Flüchtlinge als Sündenböcke missbrauchen, so das menschliche Leben abwerten und sich als die selbsterklärten „Verteidiger der Identität und der Traditionen Europas“ gerieren andererseits.

Die Hauptprobleme europäischer Gesellschaften, Austerität, Arbeitslosigkeit, Deindustrialisierung, Klimawandel, Steuerflucht, Autoritarismus, Rassismus u. a. m., bleiben von der herrschenden Politik ungelöst, während sich die internationale Landschaft in Windeseile verändert. In Zeiten, die die Weichen für die Zukunft Europas in der Welt stellen, werden all diese Probleme sich zweifellos in den Ergebnissen der anstehenden Europawahl niederschlagen – und die Aussichten sind mehr als düster. 

Allen Rufen nach Einigkeit zum Trotz ist auch die Lage innerhalb der Linken eine Herausforderung, solange sich vorherrschende öffentliche Debatten in unseren Reihen widerspiegeln. Die dritte unabhängige linke Position, neben Macronismus und Nationalismus, ist noch nicht ausreichend ausformuliert. Kann eine Fragmentierung der Linken angesichts des Aufschwungs der extremen Rechten eine sinnvolle Antwort sein? Wie können wir unsere Diskussionen auf das ausrichten, was uns vereint, anstatt uns auf das Trennende zu konzentrieren? Wie unterstützen wir die bestehenden Bemühungen, einen gemeinsamen politischen Bereich für strategische Diskussionen der linken Akteur_innen in Europa zu schaffen? Wie erneuern wir gemeinsam die Diskussion über die wirklichen Probleme der europäischen Gesellschaften? Wie können wir gemeinsam die öffentliche Debatte in Europa auf echte Lösungen lenken, welche die Linke anbietet, weg von den Pseudo-Problemen, die die extreme Rechte den Europäer_innen aufdrängt? Wie fördern wir strategisch und kohärent die Vision einer feministischen, ökologisch nachhaltigen und sozialen Zukunft für Europa?

All diese Fragen und der bestehende Kampf um die Demokratie in Europa und seinen Ländern zeigt, wie sehr wir in der Linken neue Wege der politischen Teilhabe, der Mobilisierung und der Kommunikation brauchen. Die Auswertung und Nutzbarmachung der nach der Finanzkrise von 2008 im europäischen Süden gemachten Erfahrungen, aber auch ein Verständnis für die Bedeutung der Länder Mittel- und Osteuropas sind Vorraussetzungen für die Lösung der bestehenden Probleme.
 

Projekte 2019

Dieses Jahr hat transform! mehr als 50 Projektvorschläge erhalten, die sich größtenteils um sieben Themenbereiche herum gruppieren:

1. Marxismus-Feminismus
2. Strategische Perspektiven der radikalen Linken und eine Strategie für Großbritannien
3. Produktive Transformation
4. Die extreme und populistische Rechte
5. Commons
6. Globale Strategie und Migration
7. Aussichten und Projekte für Mittel- und Osteuropa

8. Cooperation Strategies for Southern Europe

Mitglieder und Beobachterorganisationen haben außerdem dezentralisierte Projekte von europäischer Relevanz eingebracht.

Die Feinabstimmung des Programmes für 2019 wird beim nächsten Boardmeeting, das im Oktober 2018 in Prag stattfindet, abgeschlossen.

Neue Beobachter

Die Mitgliederversammlung hat einstimmig die Bewerbung zum Beobachterstatus des Center for Politics of Emancipation (Serbien) sowie von R-komplex, dem Publikationsnetzwerk der Partei der Freiheit und Solidarität (Türkei), akzeptiert.

Prüfungskommission

cul:tra: Helga Calcada   

RLF: Meinhard Tietz

Espaces Marx: Louis Weber     

Left Forum Finland: Jari Salo              

SPED: Viera Hudeckova           

Neuer Vorstand

Der neu-gewählte Vorstand von transform!:

Walter Baier (Österreich)

Marga Ferré (Spanien)

Cornelia Hildebrandt (Deutschland)

Yann Le Lann (Frankreich)

Jiri Malek (Tschechische Republik)

Hugo Monteiro (Portugal)

Roberto Morea (Italien)

Jukka Pietiläinen (Finnland)

Danai Koltsida (Griechenland)

Politischer Koordinator: Walter Baier

Wissenschaftlicher & Strategischer Berater: Haris Golemis