Frauen und Mädchen auf der Flucht

Kriege und Konflikte bestimmen das Leben in vielen Teilen der Welt. Wo Gewalt zum Alltag gehört, sind Frauen ganz besonders sexuellen Übergriffen und häuslicher Gewalt ausgesetzt. Sie nehmen eine besondere Verantwortung auf sich, das Überleben ihrer Familien zu organisieren und Daseinsvorsorge zu leisten unter extremen Bedingungen patriarchaler Unterdrückung, Bedrohung durch Waffen, Minen und Milizen. Sie haben oft schwierigen Zugang zu Ressourcen, Essen und sauberem Wasser und leiden besonders unter wirtschaftlicher Not. Als Fluchtgründe kommen geschlechtsspezifische Bedrohungen hinzu wie Vergewaltigungen – das sind gut dokumentierte Kriegswaffen –, Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung, Ehrenmorde.
Auf der gefährlichen und entbehrungsreichen Flucht werden Frauen häufig Opfer von Menschenhändlern, sie werden wirtschaftlich ausgebeutet, in die Prostitution gedrängt, verheiratet, verkauft und als Haussklavinnen gehalten. Frauen und Mädchen sind auf dem Weg grundsätzlich hochgradig gefährdet, sexuell ausgebeutet zu werden von allen Menschen, mit denen sie auf der Flucht zusammentreffen, von anderen Flüchtlingen, Schmugglern, Polizei und Autoritäten, ohne dass sie Zugang zu Klagemöglichkeiten und Strafverfolgung haben.
An den EU-Außengrenzen gibt es für sie nur unzureichenden Schutz, auch in den Auffanglagern erleben sie wiederum häufig Übergriffe durch Helfer und Wachpersonal. Ihren besonderen hygienischen und medizinischen Bedürfnissen wird nur unzureichend Rechnung getragen. Eine Maskulinisierung des Helfersektors und des Asylsystems insgesamt lässt sie erneut zu Opfern werden; alte Traumatisierung brechen wieder auf – gerade bei den Frauen, die schon einmal mit männlicher Gewalt konfrontiert waren.
Wenn die Frauen dann in der EU angekommen sind, ist ihr Leiden oft nicht beendet, sie sind gefährdet in (Massen-)Unterkünften durch weitere Übergriffe, zu wenig spezifische Hilfestellungen, zu wenig individuelle Beratung und unzureichend geschultes Personal.

Was muss nach Meinung von WILPF passieren? 

  • Dazu gehört, dass Waffenlieferungen – insbesondere in Krisengebiete – sofort eingestellt /geächtet werden müssen.
  • Es darf keine Ausweitung „sicherer“ Herkunftsstaaten geben und keine Deals mit diktatorischen Regimen zur Zwangsrückführung von Migrant_innen (Türkei, Libyen, Ägypten).
  • Menschenschmuggler können nicht militärisch bekämpft werden. Die Aufgabe der Seenotrettung und die Schließung europäischer Grenzen spielen aber den Schmugglern in die Hände. Deshalb müssen die neuen Grenzen und Mauern abgebaut werden und viel mehr legale Zugangswege in die EU eröffnet werden. Gleichzeitig braucht es nicht nur zivilgesellschaftliche Anstrengungen, eine Kultur des Willkommens aufrecht zu erhalten und eine Notversorgung zu gewährleisten, sondern eine medial unterstützte Vertrauensbildungskampagne und Integrationsmaßnahmen auf allen Ebenen kommunalen und staatlichen Handelns.
  • Der Familiennachzug darf nicht eingeschränkt werden, um Integration zu erleichtern und auch Frauen den legalen Zugang zur Flucht zu ermöglichen und nicht nur alleinstehenden jungen Männern, die auch das Gleichgewicht einer Gesellschaft – unabhängig von ihrem jeweiligen Ursprung – gefährden können.
  • Es braucht die Beibehaltung individueller unabhängiger Asylverfahren, gerade für Frauen, die Gewährleistung einer freien Aussage und Dokumentation, u.a. auch Kinderbetreuung.
  • Es braucht die Möglichkeit geschlechtsspezifischer Unterbringung in getrennten Unterkünften, adäquaten Zugang zu medizinischer Versorgung und die Aufklärung über Rechte, Klagerechte, Anhörungen.
  • Frauen brauchen angemessene (Fort-)Bildungsangebote und Empowerment.
  • Die Staaten müssen dringend die Istanbulkonvention ratifizieren (Übereinkommen des Europarats über die „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ – von Deutschland unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert) und den Honeyballreport des Europäischen Parlaments (über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter) zur Kenntnis nehmen und in allen Ländern umsetzen.
  • Der Artikel 32 des CEDAW Report (General recommendation No. 32 — on the gender-related dimensions of refugee status, asylum, nationality and statelessness of women) hat eine besondere Bedeutung.