Das Wirtschaftsprogramm der SYRIZA – Für eine Regierung der Linken in Griechenland

Mit der Ankündigung von Neuwahlen in Griechenland für den 17. Juni sah sich SYRIZA (die Koalition der Radikalen Linken) mit einem ernsten Problem konfrontiert. Sollte das Bündnis als stärkste Kraft hervorgehen, muss geklärt werden, welche Maßnahmen bezüglich des Memorandums vollzogen werden sollen. Alexis Tsipras, Vorsitzender der SYRIZA, verfasste einen an führende EU-Vertreter_innen gerichteten Brief, in dem er sich dafür aussprach, die strategische Struktur der Union neu zu verhandeln. Dieser wurde von den Medien und politischen Gegner_innen der Partei inkorrekt zitiert und dessen Inhalt so dargestellt, als bedeute er einen Rückzug von der ursprünglichen Position der Partei, das Memorandum zu Gänze abzulehnen, hin zu einer Position der Verhandlungsbereitschaft.
Es war allerdings klar, dass sich der Brief auf eine weiter gefasstes Thema bezog: die Notwendigkeit einer Änderung der gesamten EU-Logik, inklusive des Memorandums.
Die Taktik mancher Kommentator_innen ging allerdings insofern auf, als sie Verwirrung bezüglich der Positionen von SYRIZA stiftete. Zur gleichen Zeit begann eine lange Diskussion über das Wirtschaftsprogramm der SYRIZA und dessen Realisierbarkeit.

Annullierung des Memorandums, für ein tatsächlich europäisches Griechenland

Vergangene Woche, am Freitag, 1. Juni, gab Alexis Tsipras in einem Raum dicht gedrängt mit Parteimitgliedern und Journalisten, viele davon VertreterInnen internationaler Medien, das überarbeitete Programm der SYRIZA bekannt. Die erste Amtshandlung der SYRIZA, so begann Tsipras seine Rede, werde in der Aufkündigung des Memorandums und der damit verbundenen Gesetze bestehen. Danach wird, da SYRIZA ja nicht den Ausstieg aus der Eurozone und der EU fordert, die Regierung das Rettungsabkommen und die damit verbundene Schuldenrückzahlung neu verhandeln, damit der Lebensstandard eines europäischen Staates aufrecht bleibt und damit Griechenland nicht zu einer Kolonie der Eurozone absinkt. Die Hauptachse dieser Argumentation ist, dass Griechenlands Schulden nicht mehr rückzahlbar sind. Die Streichung des größten Teiles der Schulden muss daher zwingend im endgültigen Verhandlungsergebnis enthalten sein. Die Regierung wird außerdem eine „Entwicklungsklausel“ fordern, die voraussetzt, dass Griechenlands Schulden erst bei positiven Wachstumsraten zurückzuzahlen sind, wobei sich die Höhe der Rückzahlungsraten proportional zur Entwicklung des BIP verhalten soll.

Die finanziellen Maßnahmen: Für gerechte Löhne, für ein gutes Leben

Die Bemühungen SYRIZAs beinhalten Maßnahmen für jene, die unter der Krise am meisten zu leiden haben:
1. Die Verringerung des Mindestlohns um 22 % wird rückgängig gemacht. Dieser wird künftig bei 750 Euro liegen, das Arbeitslosengeld bei 461 Euro.
2. Die Einsparungen bei den Sozialabgaben, Pensionen und im öffentlichen Sektor werden aufgehoben.
3. Die Auszahlung des Arbeitslosengeldes wird auf zwei Jahre angehoben.
4. Die aktuelle Arbeitsmarktreform die es Arbeitgeber_innen erlaubt, Individualverträge durchzusetzen, nachdem Kollektivverträge ausgelaufen sind, wird aufgehoben.
5. Die vielen Sondersteuerregelungen für Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen werden abgeschafft.
6. Die Verringerung der Sozialausgaben wird sofort rückgängig gemacht.
7. Die Mehrwertsteuer, vor allem auf Grundnahrungsmittel wie Milch und Brot, wird reduziert, um den Konsum anzuregen.
8. Eine teilweise oder totale Schuldenannullierung für hochverschuldete Haushalte und Betriebe wird umgesetzt.
9. Indirekte Steuern in der Lebensmittelindustrie und Tourismusbranche werden reduziert.
10. Die Privatisierung strategischer öffentlicher Organisationen wird gestoppt. Schrittweise und an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert, soll es zu einer Rückgewinnung der öffentlichen Kontrolle über privatisierte Betriebe kommen.

Woher nimmt SYRIZA das Geld für all das?

Um zu erklären, wie diese Maßnahmen finanziert werden können, erwähnte Alexis Tsipras die Verstaatlichung jener Banken, die momentan im Zuge des Rettungsprogramms von EU und IWF mit Kapital ausgestattet werden, außerdem eine radikale Umgestaltung der öffentlichen Ausgaben, verstärkte Kontrolle von staatlich gekauften Waren und Leistungen, die Erstellung von Aufzeichnungen über Eigentum und Grund zwecks Besteuerung und Vermeidung von Steuerflucht, die Beschlagnahmung von Eigentum jener, die ihre Steuererklärungen absichtlich fälschen, die Neuorganisation von Steuersätzen orientiert am europäischen Durchschnitt, um höhere Einkommen besser zu besteuern, die Erhöhung von Steuern für Schiffsbesitzer_innen, welche gegenwärtig 58 verschiedene Steuerbegünstigungen genießen, die Herstellung passender Konditionen, um die Einlagen in griechische Banken zu erhöhen, die Erschließung des staatlichen Mineralreichtums, die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Schweiz über die Besteuerung von Bankeinlagen griechischer Staatsbürger_innen, die bessere Auslastung der NSRP (Nationalen Strategische Rahmenpläne).
Zusätzlich gab Alexis Tsipras einige institutionelle Änderungen bekannt, die sich mit der Tatsache befassen, dass private Fernsehstationen, die Schiffseigentümer_innen und Großinvestor_innen im Nahbereich von PASOK (Sozialist_innen) und ND (Konservative) gehören, ohne Dauerlizenz operieren und keine Abgaben für die Frequenznutzung an den Staat bezahlen.
Alexis Tsipras schloss seine Rede mit folgender Aussage: „Die Griech_innen betteln nicht um Geld. Sie fordern Arbeit, um ein gutes Leben führen zu können. Sie fordern, dass ihre Grundbedürfnisse gedeckt werden. Wir versprechen, dass Gelder auch gespart werden können, ohne die brutalen Einschnitte, die das Memorandum mit sich bringt “.
Die englische Übersetzung von Alexis Tsipras’ Rede vom Freitag, 1. Juni, in der Athinas Hall ist zu finden unter: http://www.transform-network.net/en/home/article/a-road-map-for-the-new-greece.html