Das SYRIZA-Regierungsprogramm

Im Folgenden die Einleitung zum Regierungsprogramm der SYRIZA, wie es vom Zentralkomitee am Samstag, 5. September verabschiedet wurde. Diese Einleitung fasst die Analysearbeit der Partei zu den Ereignissen zusammen, die sich während des Verhandlungsprozesses zugetragen hatten, und enthält auch ihre Strategie für die kommende Regierungsperiode.

SYRIZA
Einleitung des Regierungsprogramms
September 2015

Die Linksregierung unter neuen VORAUSSETZUNGEN: Die Verteidigung einer Hochburg
1. Einleitung
Der 25. Januar markierte einen noch nie dagewesenen politischen Wandel in der Situation Griechenlands und Europas. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg schaffte es eine radikale Linkspartei in einem Moment der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise, den Status einer Regierungspartei zu erreichen.
Die vergangenen fünf Jahre waren von der Politik der Memoranden geprägt, die die traditionellen politischen und sozialen Verhältnisse auf den Kopf stellte, die gesellschaftliche Koalition zerstörte und die aktiv oder passiv die neoliberale Umstrukturierung der griechischen Wirtschaft und der sozialen und politischen Umstände der letzten 25 Jahre unterstützte. All dies geschah, als der langsame und stufenweise Umstrukturierungsprozess von einem brutalen Programm der strukturellen Anpassungen und internen Abwertung abgelöst wurde, das keinen Spielraum für mögliche gleichwertige materielle Erleichterungen (Niedrigzinskredite, Steuerbefreiungen, eingeschränkte Lohnerhöhungen) für jene gesellschaftlichen Klassen ließ, die die neoliberale Machtkoalition in der vergangenen Regierungsperiode unterstützt hatten.
Der Zusammenbruch der ehemaligen sozialen und politischen Allianzen fiel zusammen mit der wachsenden Begeisterung der Bevölkerung für kollektive Mobilisierung, sowohl traditioneller Art (Streiks, Demonstrationen), wie auch neuer Art (Mobilisierung am Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen und neue Initiativen der gesellschaftlichen Solidarität). Mit der verstärkten Einbringung größerer Teile der Bevölkerung in die gesellschaftlichen Kämpfe erkannte SYRIZA, dass es an der Zeit war, eine neue Initiative der gesellschaftlichen Allianz zu starten, die das Potential zu einer Regierungsmacht hätte. Und genau dies wurde schließlich Wirklichkeit.
Das politische Programm, das die gesellschaftliche Umstellung beschleunigte und vollendete, war das Programm von Thessaloniki, das auf vier Säulen aufbaute: Die Bewältigung der humanitären Krise, die Ankurbelung der Wirtschaft, die Wiederherstellung des Arbeitsrechts und die demokratische Umstrukturierung des Staates.
Es handelte sich um ein Programm, das auf die Umverteilung von Einkommen und Macht abzielte und dabei jenen Klassen nutzen sollte, die unter der Politik der Memoranden am stärksten gelitten hatten. Es war jedoch immer klar, dass zu seiner Umsetzung eine schwierige Verhandlung mit den Gläubiger_innen nötig sein würde, um das wirksamste Druckmittel zur erzwungenen Durchsetzung der haushaltspolitischen Anpassungsprogramme aus der Welt zu schaffen: die Schulden und der Ausschluss der griechischen Wirtschaft von den Kapitalmärkten.
2. Verhandlung
Die Waffe der finanziellen Austrocknung wurde von den Gläubiger_innen und den Institutionen während des gesamten Verhandlungsprozesses mit der neuen Regierung allerdings sehr wirksam angewendet. Als SYRIZA an die Macht kam, nahm die EZB das Land in den Würgegriff und drohte mit dem Zusammenbruch des griechischen Finanzsystems. Damit sollte wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Druck auf die neue Regierung ausgeübt werden. Ziel war es, sie dadurch entweder zu stürzen oder sie zur bedingungslosen Kapitulation und der Verabschiedung des vormals eingeführten haushaltspolitischen Anpassungsprogramms und des internen Abwertungsprogramms zu zwingen.
Trotz unserer begrenzten Handlungsoptionen versuchten wir uns auf jede erdenkliche Art und Weise gegen diese Druckmaßnahmen zu wehren und stellten einen neuen politischen Ethos und eine neue gesellschaftliche Perspektive sowohl im Land selbst als auch gegenüber den anderen Staaten zur Schau.
In Bezug auf die Verhandlungen unternahmen wir – trotz Zeitverschwendung und etwaiger taktischer Fehler – alles, was in unserer Macht stand, um den angewendeten Mechanismen zu unserer finanziellen Erstickung standzuhalten (Zahlungen an den IWF wurden mit Verspätung abgewickelt, die ursprüngliche Rettungsvereinbarung wurde abgelehnt, Kapitalkontrollen wurden eingeführt und das Bankensystem vor den finanziellen Erpressungen der EZB geschützt), sowie alles, um eine politische Botschaft an Europa zu senden, dass das interne Abwertungsprogramm gescheitert sei und keine Unterstützung durch die Bevölkerung genieße.
Der politische Kampf erreichte am 5. Juli mit dem Referendum seinen Höhepunkt, einem Moment der politischen Mobilisierung und des steigenden Kampfgeistes, der noch lange im Bewusstsein der europäischen Bevölkerung erhalten bleiben wird und sich in der nahen Zukunft in die Politik niederschlagen wird. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht und das Referendum nicht für gegenteilige Zwecke missbraucht wird, sodass es für die Bevölkerung keinen Anlass zur Frustration darstellt, da das Nachspiel nicht den anfänglichen Enthusiasmus widerspiegelte. Die Kämpfe während und nach dem Referendum, die die Ereignisse in einen Zusammenhang setzten, sollten durchaus sehr ernst genommen werden, da bestimmte politische Kräfte den Anlass für das Referendum und sein Ergebnis verdrehten, um es für ihre Zwecke zu nutzen und als politisches Vehikel zu missbrauchen, um als Opposition zu überleben.
Man muss daher stets bedenken, dass es das erklärte Ziel des Referendums war, die Verhandlungsposition der Regierung in einer nicht gleichberechtigten und unsymmetrischen Verhandlung zu stärken. Wir haben nie etwas anderes behauptet; wir haben nie gesagt, dass wir unser Mandat dazu verwenden wollten, die Eurozone zu zerstören, wobei wir in diesem Prozess schließlich uns zu allererst umbringen würden. Stattdessen baten wir die Menschen, ein Programm der horizontalen Kürzungen und Steuererhöhungen abzulehnen, das von einer politisch motivierten Durchführbarkeitsstudie zu den griechischen Schulden, die hohe Primärüberschüsse verlangte, begleitet wurde, sowie einer unzureichenden Finanzierung unter dem alten Programm (die Rettungsvereinbarung von 2012), die um nur fünf Monate verlängert werden würde, und daher die wirtschaftliche Unsicherheit beibehalten würde und das Risiko eines Grexit bloß in die nahe Zukunft aufschieben würde. Und genau das war das Mandat, das wir von der griechischen Bevölkerung erhalten haben: Diesen spezifischen Vorschlag der Institutionen zugunsten einer besseren, dafür tatsächlich machbaren Vereinbarung abzulehnen, ohne im äußerst negativen europäischen Kontext ein weitreichendes soziales Desaster zu riskieren.
3. Das Erpressungsdilemma
Für den Volltext siehe pdf rechts (Englisch).
12 Seiten

Übersetzung: Veronika Peterseil