Erdbeerplantagen in Griechenland: Ausbeutung und Rassismus

Mindestens 28 Erdbeerfeldarbeiter aus Bangladesch wurden am 17. Mai ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem ihre Aufseher auf Anweisung des Arbeitgebers das Feuer auf sie eröffnet hatten. Der Vorfall ereignete sich um 18 Uhr am 41. Kilometer der Autobahn zwischen Patras und Pyrgos auf dem Peloponnes.

Eine große Gruppe migrantischer Arbeiter, die zum überwiegenden Teil aus Bangladesch stammen, wollte die Vorarbeiter ihres griechischen Arbeitgebers treffen, um ihre seit sechs Monaten überfälligen Gehälter einzufordern. Die drei Vorarbeiter griffen jedoch zur Waffe und eröffneten das Feuer auf die Arbeiter. Diese versuchten in Panik zu fliehen und wurden dabei von Kugeln in den Rücken und andere Körperteile getroffen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Manolada aufgrund solcher Ereignisse in den Schlagzeilen ist. Bereits im Jahr 2008 haben zwei Journalist_innen der Tageszeitung Eleftherotypia, Dina Daskalopoulou und Makis Nodaros, die die Arbeits- und Lebensbedingungen der Erdbeerfeldarbeiter erforschten, im Zuge ihrer Recherchen wiederholt Drohungen und Drohanrufe erhalten.
In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Übergriffe auf Erdbeerfeldarbeiter_innen, dieser ist jedoch der bis dato schlimmste. Bisher haben die Besitzer_innen der Felder in Manolada Ilias Straflosigkeit genossen, und die Behörden haben angesichts der Vorfälle eine schockierende Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, obwohl es schon über 150 angezeigte Fälle gibt. In den meisten Erdbeerplantagen erfüllen die migrantischen Arbeiter_innen sämtliche Voraussetzungen, die sie als Opfer von Menschenhandel klassifizieren lassen.
Hunderte asiatische Immigrant_innen, die in den Erdbeerfeldern des Peloponnes arbeiten, leben unter einfachsten Bedingungen und müssen sogar dafür Miete an ihre Bosse bezahlen. Obwohl die griechischen Behörden nach der furchtbaren Attacke versprochen haben, keine der Arbeiter_innen abzuschieben – die meisten von ihnen haben keine gültige Aufenthaltserlaubnis –, schweben diese dennoch in Gefahr, solange der Kreislauf von migrantischer Ausbeutung und Billigarbeit in Griechenland nicht durchbrochen wird. Selbst wenn sie Aufenthaltsbewilligungen erhalten sollten, besteht für sie die reale Bedrohung, rassistisch motivierten Anschlägen der Goldenen Morgenröte oder anderer rechter Gruppen zum Opfer zu fallen.
Es erscheint ironisch, dass sich der Vorfall in Manolada just einen Tag nach der Veröffentlichung des Menschenrechtsberichts von Europarats-Kommissar Nils Muižniek ereignet hat. Der Bericht bestätigt unter anderem, dass in Griechenland ein Anstieg von rassistisch motivierten Anschlägen und Hassverbrechen festgestellt werden kann. Diese Verbrechen "zielen vornehmlich auf Migrant_innen ab und stellen eine ernsthafte Gefährdung des Rechtsstaates und der Demokratie dar".
Die Schüsse in Manolada führen auch einmal mehr die Arbeitsbedingungen von Migrant_innen in Griechenland vor Augen. In vielen landwirtschaftlichen Gebieten in Griechenland hängt der Ertrag von der Arbeit der extrem unterbezahlten und unversicherten Immigrant_innen ab. Diese Situation begünstigt eine Reihe von Ausbeutungsnetzwerken und den Menschenhandel. Es scheint, als wäre Rassismus die alles legitimierende Basis dieser Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte. Die soziale Krise, die von weitreichenden Sparmaßnahmen und einem gesellschaftlichen Konservativismus ausgelöst und einer autoritären Politik verbreitet wurde, trägt zur Entwicklung einer neuen Form der Biopolitik bei: Immigrant_innen, Sexarbeiterinnen, transgender Personen, Drogenkranken und Obdachlosen wird ihre menschliche Würde genommen. Über ganz Griechenland verstreut gibt es Konzentrationslager, in denen unzählige Migrant_innen ihr Dasein fristen. Die griechischen Behörden haben sie – immerhin mehr als 90.000 – auf Basis ihrer Hautfarbe ausgesucht und verhaftet.
Manolada sowie andere Sonderzonen und die Konzentrationslager sind rechtsfreie Räume und stehen als solche über dem Gesetz. Immigrant_innen und andere ‚unwichtige‘ Personengruppen werden Opfer behördlicher Maßnahmen, die bis vor kurzem noch undenkbar waren. Nachdem der erste Schock über die neue Brutalität verdaut ist, wird sogleich ein neues soziales Rauschgift produziert: Das Undenkbare wird plötzlich zur alltäglichen Möglichkeit und jede_r stellt sich die Frage: Wer ist als nächstes dran?