Das Linke Inselfest – ein Bericht

Von 28. bis 30. August veranstaltete die Europäische Vereinigte Linke Arbeiterpartei 2006 in Horány (25 km nördlich von Budapest am Donauufer) ein Festival im Regatta Freizeitzentrum, an dem auch andere Linksparteien (Ungarische Sozialistische Partei, 4K! PM), progressive Gewerkschaften und NGOs als Gäste teilnahmen.

Die Organisator_innen teilten die Ansicht, dass für die Lösung der wachsenden gesellschaftlichen Probleme ein Zusammentreffen der fragmentierten ungarischen Linken nötig sei, sowie die Formulierung einer gemeinsamen Agenda.
Ziel dieses dritten linken Festivals seit dem Systemwechsel war die Wiederbelebung des politischen und kulturellen Geistes  der ungarischen Arbeiter_innenbewegung Gödi Fészek, die vor dem Zweiten Weltkrieg bestanden hatte.
Teil des reichhaltigen kulturellen und politischen Programms des Linken Inselfestes waren am ersten Tag die Reden von Maite Mola, Vizepräsidentin der Europäischen Linkspartei, und Ivan Harsanyi, einem Historiker, die über die Situation Europas und die Herausforderungen sprachen, denen sich Europa stellen muss. Auch eine Anzahl von diplomatischen Delegationen (wie etwa der Kubanische Botschafter und ein venezolanischer Diplomat) nahmen an den Diskussionen teil.
Ebenso wichtig und interessant auch die Diskussion zwischen Jozsef Tobias, Präsident der Sozialistischen Partei und Attila Vajnai, Chef der Europäischen Linken Arbeiterpartei 2006, zur Bedeutung der Linken und dem Wahlverhalten der Linkswähler_innen. Beide teilten die Meinung, dass es für die Zukunft die Entwicklung einer starken linken Zusammenarbeit braucht.
Die ungarischen NGOs diskutierten über unterschiedliche Themen, wie etwa linken Feminismus, Umweltthemen (Paks2, GVO), Freihandelsabkommen (besonders TTIP), Legalisierung von Marihuana, demokratische Gemeinwohlbankensysteme,  neue Möglichkeiten durch Liquid Democracy, sowie das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Zu den wirtschaftlichen und sozialen Aspekten des aktuellen, nicht nachhaltigen Systems präsentierten Annamaria Artner, Karloy Lorant und Andras Nagy sehr gute Beiträge.
Unter der Moderation von György Droppa erläuterten uns die spanischen und polnischen Gäste die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Situation ihrer Herkunftsländer und skizzierten die individuellen und europäischen Pflichten der Linken in der nahen Zukunft.
Die Erfahrungen der ungarischen Gewerkschaften und sozialen Organisationen in den letzten 25 Jahren, sowie die Dilemmas, die die Kooperation mit politischen Parteien hervorbringt, wurden mit Szabolcs Beöthy-Feher, einem Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Jugendliga, Ferenc Norbert, Mitglied der Jugendsektion des Ungarischen Gewerkschaftsbundes, Imre Komjáthy, Vizepräsident der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes und Janos Vadasz, dem ehemaligen Präsidenten der Gewerkschaft für Arbeiter_innen im Bereich der öffentlichen Sammlungen und öffentlichen Bildung diskutiert. Istvanne Szöllősi, ehemalige Präsidentin der Lehrer_innengewerkschaft, moderierte die Diskussion.
Am letzten Tag des Festivals, das in Zusammenarbeit mit bekannten Wissenschafter_innen, Historiker_innen und Vertreter_innen der Zivilgesellschaft abgehalten wurde, wurde das Thema Armut und die Situation der Roma besprochen, sowie der Vorstoß des Faschismus und die steigenden Flüchtlingszahlen. Darüber hinaus zog man eine Bilanz über die 25 Jahre nach dem Systemwechsel. Die wichtigste Lektion dabei war, dass autoritäre Regimes mit diktatorischen Tendenzen nicht nur in Osteuropa entstehen können. Faschismus stellt auch im europäischen Westen (wie etwa Belgien oder Frankreich) ein um sich greifendes Phänomen dar. Neofaschismus ist ein Produkt des aktuellen, herrschenden Systems und wird von den westlichen Machtstrukturen des Staates, die mit dem Kapital verflochten sind, finanziell unterstützt. Auch in Ungarn lassen sich keine klaren Unterschiede festmachen; es gibt keine definierbare Trennlinie zwischen der rechten Fidesz und der rechtsextremen Jobbik.
Das kulturelle Programm umfasste Diskussionen mit dem Schriftsteller György Moldova und dem Dichter Ferenc Baranyi, die Live-Telefonverbindung mit dem Künstler Emil Keres, großartige poetische und musikalische Performances von Künstler_innen wie Robert Garai, Laszlo Kövesdi, Balázs Galkó und Szilva am Akkordeon, wie auch die Live Show der bei Jugendlichen sehr beliebten Rockband Mouksa mit dem Titel „System Change“ waren großartig.
Die Teilnehmer_innen formulierten nach dem dreitägigen Linken Inselfest die folgenden Forderungen:

1. Flüchtlinge


a) Die humane Betreuung der Flüchtlinge ist eine Aufgabe des Staates.

b) Spekulativen Gerüchten muss ein Ende gesetzt werden – wir brauchen authentische öffentliche Information!
c) Die ungarische Regierung soll sich entschieden für den Frieden einsetzen und nicht an Kriegen teilnehmen. Wir fordern, dass sich Ungarn sofort aus dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak zurückzieht.
d) Die ungarische Regierung soll gegen jeglichen Waffenverkauf in diese Regionen offen Position beziehen und gegen jede Art von paramilitärischer Organisation aktiv werden.
Die Ungar_innen verlassen aufgrund der überhohen Steuerlast, des totgesparten, sich ständig verschlechternden ungarischen Gesundheitssystems, der Korruption, des Privatschulsystems, des mangelnden sozialen Sicherheitsnetzes, des einheitlichen Steuersatzes, der hohen Arbeitslosigkeit und der hohen Mehrwertsteuer von 27%, der niedrigen Löhne und Ausbeutung und der vom ungarischen Staat angewendeten Mafiamethoden das Land. Die Flüchtlinge, die nach Ungarn und in andere Länder gelangen wollen, sind Opfer der Kriege, Desertifikation, Gewalt und aggressiven Staaten.

2. Gesellschaft und Soziales


Wir fordern die amtierende Regierung dazu auf, die Vorgaben der EU-Sozialcharta und die Bestimmungen der von Ungarn unterzeichneten ILO-Konventionen zu erfüllen.

a) Ein sofort wirksames Krisenmanagement-Paket wird benötigt. Für Wohnnebenkosten und Bankdienstleistungen sollen Sozialtarife eingeführt werden.
b) Ein progressives Steuersystem muss in mehreren Phasen eingeführt werden, wobei die Zinssätze für die Reichsten erhöht und die Steuererleichterungen für die größten Unternehmen abgeschafft werden sollen.
c) Bestehende Ressourcen sollen auf die Bereiche Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft und die Entwicklung von umweltfreundlicher Industrie umverteilt werden.
d) Die Privatisierung von öffentlichem Eigentum, wie dies von Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU forciert wird, muss unterbunden werden.
e) Wir müssen eine neue Republik gründen; wir müssen grundlegende demokratische und soziale Rechte verteidigen. Nur so können wir der Drohung, die vom Neofaschismus ausgeht, standhalten.
Demokratische Opposition, linke Kooperation!
Budapest, 1. September 2015