Die spanischen Banken in Not

Seit Beginn der Krise stritten die spanischen Behörden ausdrücklich jedes Risiko für de spanischen Bankensektor ab. Die Realität gestaltete sich allerdings anders, spätestens seit Inspektor_innen der Bank von Spanien, der spanischen Zentralbank, vor einem unüberwindbaren Schuldenberg warnten, der sich im Zuge der Immobilienblase anhäufte. Die Finanzbehörden schauten seinerzeit weg und feierten das „spanische Wunder“.
Mit der Sperrung der internationalen Finanzmärkte waren die spanischen Banken nicht mehr in der Lage, ihre bei den europäischen Zentralbanken aufgenommenen Kredite zu verlängern. Die Situation wurde als Liquiditätskrise dargestellt. Eine Zeitlang konnte sich der Bankensektor auf Kredite der EZB verlassen, die von Bürgschaften des spanischen Staates und von Staatsanleihen abgesichert wurden. Vergangenen November und Februar gelang es den Banken im Rahmen eines LRG (Langfristigen Refinanzierungsgeschäfts), einen 100 Milliarden Euro schweren Kredit aufzunehmen, mit dem Bankautomaten aufgefüllt und ausstehende Schulden – hoffentlich günstig – beglichen wurden. Die Kombination aus nach und nach eintreffenden Zahlungen und gelegentlichen größeren Finanzspritzen hat die Liquiditätskrise in Zaum gehalten; das eigentliche Problem, die mögliche Zahlungsunfähigkeit Spaniens, ist aber dadurch nicht gelöst worden.
Das Bonitätsproblem der spanischen Banken liegt in faulen Krediten, vor allem in solchen, die an die Immobilienbranche ausgezahlt wurden. Solange die Inhaber_innen für die Schuldenbelastung von Häusern bestraft werden können, ist die Menge nicht-performativer Kredite für Banken eine zu bewältigende, weil die zuerst Genannten alles tun werden, um ihre Existenzen zu sichern. Anders verhält es sich mit den Krediten an die Immobilienwirtschaft in der Höhe von 400 Milliarden Euro, denn sie stellen eine gewaltige Altlast mit sehr geringen Chancen auf Rückerstattung dar. Hinzu kommt eine vom Sparprogramm induzierte Wirtschaftsdepression, in der sich mit der Zeit immer mehr Kredite als faul entpuppen.
Dieses Problem war von Anfang an bekannt, wurde bisher aber verschwiegen. Halbstaatliche Genossenschaftsbanken wurden privatisiert und wann immer eine von ihnen in Insolvenz ging, wurde sie mit anderen fusioniert; als Endprodukt entstand eine noch größere zahlungsunfähige Institution. Bankia ist das Produkt einer solchen Finanzoperation. Unter dem Vorsitz des ehemaligen Finanzministers der Volkspartei und späteren Geschäftsführers des IWF, Rodrigo Rato, schrieb sie eine kurze Geschichte als größte Bank des Landes, als sie vergangenen Sommer im Zuge des Zusammenschlusses mehrerer Genossenschaftsbanken verstaatlicht wurde.
Nun müht sich der spanische Staat damit ab, 24 Milliarden Euro für die Umstrukturierung der Bankia aufzubringen; das nachdem der spanischen Bevölkerung ein 10 Milliarden Euro schweres Sparprogramm im Bildungs- und Gesundheitssektor aufgedrückt wurde. Niemand weiß, welche Bank als nächstes dran sein wird. Es gibt mehrere Kandidatinnen. Nun soll eine „unabhängige” Rechnungsprüfung Aufschluss über das tatsächlich Problem geben, allerdings wird diese von denselben durchgeführt werden, welche die Anglo Irish zwei Jahre vor deren Konkurs als die „beste Bank der Welt” bezeichnet haben. Wie viel Befriedigung wird diese Prüfung jenen französischen, deutschen und belgischen Großbanken bringen, die in den guten alten Zeiten stets bereit waren, durch Hypotheken gesicherte Wertpapiere und Anleihen von ihren spanischen Kolleginnen zu kaufen? Die meisten dieser Papiere werden jetzt von der EZB gestützt, welche mittels Target2 außerdem ein Gläubiger_innenvolumen in der Höhe von 270 Milliarden Euro gegenüber dem spanischen Staat innehat. Diese Zahlen geben einen Hinweis auf die Größenordnung des Problems, die durchaus mit der Situation in Griechenland. Irland und Portugal zu vergleichen ist.
Sich aus diesem Zombie-Szenario heraus zu manövrieren könnte die herrschenden Klassen Spaniens teuer zu stehen kommen. Entweder lassen sich Finanzierungsmöglichkeiten über die ausgeschöpften öffentlichen Mittel Spaniens finden oder man wendet sich an den ESM (Euro-Rettungsschirm), um Hilfe bei der Neuausstattung mit Kapital zu erhalten. Dies käme aber einer Kontrollabgabe über das Finanzsystem an „Europa” gleich. Erstere Variante wird auf jeden Fall einen heftigen Proteststurm auslösen und das, obwohl ihre Umsetzbarkeit fraglich ist. Die zweite Variante bedeutet den Verlust des Bollwerkes der spanischen Bourgeoisie, der Finanzindustrie, die einen Schatten über den Übergang zur Demokratie, den EU-Beitritt, und die Geburt des Euros geworfen hat, um schlussendlich Opfer des eigenen Erfolges zu werden.