Nein zur NATO

Dem NATO-Gipfel am 25. Mai in Brüssel kam besondere Bedeutung zu. Zum einen wurde das neue Hauptquartier in Brüssel eingeweiht; zum anderen die Verteilung der Militärausgaben auf die Mitgliedstaaten und das Augenmerk der NATO auf den Kampf gegen den Terrorismus diskutiert.

Die NATO beschloss, vollwertiges Mitglied der 2014 ins Leben gerufenen „Anti-IS-Allianz“ zu werden und sich dem sogenannten „Krieg gegen den IS“ anzuschließen. Außerdem kamen führende Vertreter_innen der NATO-Mitgliedsstaaten überein, nationale Pläne zur Erreichung des Ziels, die Verteidigungsausgaben auf 2% des BIP anzuheben, auszuarbeiten. Dieses Ziel war bereits 2014 in Wales festgelegt worden, wurde aber durch die Regierung Trump in den vergangenen Monaten zusätzlich forciert. Die „drei Cs“, die diesen Plänen zugrunde liegen – cash, capabilities, contributions (finanzielle Mittel, Ressourcen, Beiträge) – können ganz einfach als Aufruf zum Kauf moderner Waffen und zur Beteiligung an Kriegen verstanden werden. Zu diesem Zweck müssen gleichzeitig alle anderen Ausgaben – für Soziales, Gesundheit, Bildung, Arbeitsmarkt und Umwelt – beschnitten werden.

Gegengipfel

Das internationale Netzwerk „Nein zum Krieg – Nein zur NATO“ nutzte diese Gelegenheit, um zu Aktionen gegen den NATO-Gipfel in Brüssel aufzurufen. Zu diesen Aktionen zählte ein am 25. Mai organisierter Gegengipfel. Bei dieser alternativen Friedenskonferenz kamen führende Friedensaktivist_innen aus der ganzen Welt zusammen, um Nein zur NATO zu sagen und sich für Abrüstung auszusprechen.

Die Konferenz wurde mit finanzieller Unterstützung u.a. von transform! europe, der Europäischen Linken und der GUE/NGL organisiert. Es nahmen verschiedene belgische und internationale Organisationen teil, darunter Agir pour la Paix, 11.11.11, CNAPD, CDN, CSOTAN, Intal, International Coalition to Ban Uranium Weapons, IPB, Mouvement de la Paix, Mouvement de la Paix, Mouvement Chrétien pour la Paix (BE) und Vrede.

An diesem Tag kamen über 200 Teilnehmer_innen zusammen und diskutierten in internationaler und solidarischer Atmosphäre die wichtigsten Fragen der Friedensbewegungen und wie die daraus resultierenden Aufgaben gemeinsam bewältigt werden können.

Veranstaltungen

Der Gegengipfel begann mit Grußworten der Organisator_innen und Kate Hudson (CDN, Campaign for Nuclear Disarmament, UK) und dem Dank an die über 10.000 Menschen, die in Brüssel am 24. Mai gegen die NATO und Trump auf die Straße gegangen waren. Der gemeinsame Nenner der Friedensaktivist_innen, Globalisierungskritiker_innen, Migrant_innen, Gender-Aktivist_innen, Bürgerrechtler_innen und Umweltschützer_innen war ein klares Nein zur Aufrüstung. „Er [Trump] lässt uns die US-Kriege bezahlen“, sagte Hudson. „Wir brauchen Einigkeit im Kampf für soziale Gerechtigkeit, für Gleichberechtigung, für den Kampf gegen den Klimawandel“.

Den Ausgangspunkt der Konferenz bildete eine Plenarsitzung, in der Expert_innen und Friedensaktivist_innen die wichtigsten Probleme, die im Zusammenhang mit der Rolle der NATO stehen, und die Gründe für die Forderung nach einer Welt ohne NATO diskutierten.

Nils Andersson, französischer Autor und Experte für internationales Recht, der auch für sein Engagement gegen den französischen Kolonialismus – vor allem die Besetzung Algeriens – bekannt ist, sprach über die NATO-Kriege aus einer globalen Perspektive. Welchem Zweck dient die NATO? Was sind ihre Aufgaben? Andersson stellte fest, dass das Militärbündnis schon aufgrund seiner Natur dazu da ist, um Krieg zu führen. Krieg gegen wen? Krieg für wen? Obwohl die NATO als Verteidigungsbündnis bezeichnet wird, ist sie eine Militärallianz. „Die NATO“, so Andersson, „hat Europa geformt“, weil es immer ein wichtiges Ziel der USA gewesen ist, Europa in ihrem Einflussgebiet zu halten. Nur weil die NATO in den letzten Jahrzehnten ihren Diskurs von politischer Hegemonie zu einer auf Verteidigung und Abschreckung basierenden Rhetorik verändert hat, hat sich weder ihre Natur noch ihre Rolle in der Welt gewandelt. Es wird immer wichtiger, gegen eine weitere Aufrüstung Europas und der USA einzustehen und eine komplette Auflösung der NATO zu fordern.

In seinem Beitrag zur NATO, der EU, der Aufrüstung und der Konfrontation mit Russland sagte Djordje Kuzmanović, Sprecher der France Insoumise, dass die USA die Konfrontation mit Russland sucht, auch wenn dies das Risiko eines Krieges erhöht. Das neue Wettrüsten führt zu Spannungen mit Russland und verhindert den Aufbau friedlicher Beziehungen. „Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen“, schloss er, “ohne Krieg dient die NATO nur dazu, zukünftige Kriege vorzubereiten“.

Kees Van Der Pijl (Oorlog is geen oplossing, Niederlande) bezog sich in seinem Beitrag auf die Themen Militärausgaben und Rüstungsindustrie. Dabei hob er die wichtige Rolle der US-amerikanischen Waffenhersteller hervor. In seiner Analyse der „politischen Ökonomie eines Neuen Kalten Krieges“, zeigte Van Der Pijl auf, wie sich der heutige Kapitalismus vom „sozialen Kompromiss“, zu dem er kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs gezwungen worden war, verabschiedet hat: Der sogenannte „Kapitalismus mit einem menschlichen Antlitz“ sollte damals die Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus sichern. Heute ersetzt die herrschende Klasse Kompromisspolitik und Sozialstaat jedoch durch eine Politik der Angst – und die NATO folgt diesem Weg.

Arielle Denis (ICAN, Frankreich) sprach danach über Atomwaffen und das UN-Abkommen zum Atomwaffenverbot. Als letzte Rednerin trat Maz Saleem (Stop the War Coalition, UK) auf und schloss die Plenarsitzung mit einer Präsentation zur NATO und dem sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus“.

Nach der ersten Plenarsitzung wurden verschiedene Workshops und Sondersitzungen zu Themen wie den EU-NATO-Beziehungen, Waffenhandel, Frauen und NATO, die US-Atomwaffen in Europa und der Aufrüstung im Mittelmeer während der Flüchtlingskrise (vollständiges Programm hier) veranstaltet. Am Ende der Veranstaltung stand eine Plenarsitzung mit einer Podiumsdiskussion zum Thema Delegitimierung der NATO.

Ergebnisse

Das sind den Organisator_innen zufolge die wichtigsten Ergebnisse der Diskussionen:

  • Die Herausforderung für die Friedensbewegungen bestehen darin, dem Ziel, die Militärbudgets auf 2% des BIP festzulegen, entgegenzuwirken und für echte Abrüstung einzustehen: Abrüstung als Entwicklungsmotor und Abrüstung zur Lösung sozialer und globaler Probleme. Die Konferenzteilnehmer_innen wurden auf eine intensivere Arbeit zur Erreichung dieser Ziele vorbereitet.
  • Das UN-Abkommen zum Atomwaffenverbot muss Wirklichkeit werden. Wir brauchen nukleare Abrüstung anstelle einer Modernisierung von Atomwaffen. Das ist die Botschaft an alle Atommächte. Außerdem muss Europa endlich atomwaffenfrei werden.
  • Kooperation an Stelle von Konfrontation ist nicht nur wichtig, sondern auch notwendig – und möglich. Vor allem mit Russland. Feindbilder und Anschuldigungen dienen nur der Vorbereitung von Kriegen.
  • Ein Ende der Interventionskriege in Mali, Afghanistan und den vielen anderen Ländern, in denen die NATO Krieg führt, ist die Grundbedingung für eine friedliche und gerechte Entwicklung der Welt.

„Abschließend“, berichtet Reiner Braun, Co-Vorsitzender des International Peace Bureaus, „sind ein striktes Nein zur NATO und eine nicht nachlassende Delegitimierung der NATO notwendig. Das Ziel muss es sein, die NATO zu überwinden. NATO und Weltfrieden schließen einander aus. Wir brauchen friedliche Zusammenarbeit. Diese Positionen des internationalen Netzwerks „Nein zum Krieg – Nein zur NATO“ trafen auf breite Zustimmung. Die Ziele können nur in einer breiten, vielfältigen, vielschichtigen und auch sehr aktiven und mobilisierenden internationalen Friedensbewegung erreicht werden. Die optimistische Atmosphäre der Proteste und der Gegengipfel spornen uns an, dieses Ziel zu erreichen.“