Besetzen wir das Patriarchat! Mach mit!

Unter dieser Losung und mit über 60 Zelten wurde am 12. Mai die zentrale Wiener Ringstraße zehn Stunden lang von Frauen besetzt. „Wir beziehen uns mit dieser Aktion im öffentlichen Raum auf die sozialen Bewegungen weltweit, die für eine demokratische und gerechtere Welt kämpfen und die Auswirkungen der aktuellen Wirtschafts-, Finanz- und Politikkrise nicht einfach hinzunehmen bereit sind“, hieß es im Aufruf zur Zeltstadt. 
Es war dies bereits die 2. große Mobilisierung der Plattform 20000frauen, die sich vor 2 Jahren als breite zivilgesellschaftliche Bewegung zusammenfand und inzwischen als frauenpolitischer Faktor in Österreich etabliert hat. Neben der Sichtbarmachung frauenpolitischer Defizite im öffentlichen Raum und mit kleineren Aktionen das ganze Jahr über wird auf gemeinsam mit dem Frauenministerium veranstalteten Enqueten auch die inhaltliche Auseinandersetzung vorangetrieben. Denn das Erkennen gemeinsamer Interessen darf die ebenso vorhandenen Differenzen nicht überdecken.
Als Angehörige und Privilegierte einer reichen Industrienation können wir in unseren Kämpfen um unseren Anteil am Kuchen nicht außer Acht lassen, dass dieser durch die Ausbeutung von Ressourcen anderer Länder und ihren Bevölkerungen gebacken wird. Unser Kampf um adäquate Berufsarbeitsplätze muss im Blickfeld haben, dass dies nicht selten mittels Abschiebung der Reproduktionsarbeiten auf Migrantinnen ermöglicht wird. Diesen Tatsachen wird im „Visionen“-Text der Plattform Rechnung getragen, die so auch als den Interessen aller Plattformfrauen Ausdruck verleihend gelesen werden können. Dieser Text ist in 7 Sprachen übersetzt, die deutsche Fassung siehe unter: http://zwanzigtausendfrauen.at/2011/01/unsere-vision/ Die Differenzen sind vor allem dort zu orten, wo es um realpolitische Forderungen und Strategien zur Veränderung geht bzw. auch um die objektiven Möglichkeiten, diese in die Öffentlichkeit oder in die entsprechenden Institutionen zu tragen und Diskussionen und Diskursverschiebungen auszulösen. Dem voran gibt es die grundlegende Differenz in den Einschätzungen der aktuellen politischen Situation in den Polen der systemimmanenten und der systemkritischen bzw. -überwindenden Kritik.
Dennoch zeigte schon die Demonstration am 19. März 2011, dass es diesem sehr heterogenen Bündnis möglich war, völlig neue Zielgruppen von Frauen zu erreichen – nicht wenige, die überhaupt das erste Mal für ihre Anliegen auf die Straße gegangen sind und spüren konnten, dass sie damit nicht allein sind. So bietet die Plattform einen Raum der Vernetzung von Frauen und ihren Diskussionen.
Im Wissen, wenn es links keinen ausreichenden Druck gibt, findet sich die Mitte im Sog nach rechts wieder, denke ich, dass die Plattform 20000frauen durch die sehr heterogene Zusammenarbeit feministisch und damit in der Radikalität der feministischen Theorie links anschieben konnte, und die gemischte Linke des Landes täte vielleicht gut daran, von diesen aktuellen feministischen Praxen zu lernen.