#LuxLeaks und #Ruling-Gate: Und nun?

Kurz und bündig: 12 Thesen zu LuxLeaks vom Luxemburgischen Déi Lénk-Abgeordneten Justin Turpel.

1. Ein Steuerbetrug sondergleichen. Unter dem Deckmantel des Steuergeheimnisses wurden in Luxemburg Milliarden an Steuergeldern hinterzogen. Die vom ‚Internationalen Konsortium für Investigativen Journalismus‘ ICIJ unter LuxLeaks veröffentlichten Dokumente zeigen mehr als deutlich, dass dies ein Steuerbetrug sondergleichen darstellt. Durch so genannte Steueroptimierung konnten Multinationale Gesellschaften, mit Hilfe des Luxemburger Staates, Milliarden an Steuergeldern einsparen.
So Amazon, die bei 5,5 Mia Umsätzen nur 4.219.339 Euro Steuern (also weniger als 0,1%) zahlt; oder E.On, die durch ihre Luxemburger Finanzstruktur ‚Dutchdelta‘ bei 130 Mio Gewinn, ganze 1.575 Euro Steuern zahlt (1); oder Ikea, Pepsi, Heinz, FedEx, Apple, und, und, und …
2. Nur die Spitze des Eisberges. Insgesamt über 340 Firmen haben profitiert, dies zum Nachteil zahlreicher Staaten und deren BürgerInnen, die mittels Sparplänen und Sozialabbau gezwungen werden die daraus entstandenen Löcher im Staatsbudget zu stopfen! Dennoch handelt es sich hierbei nur um die Spitze des Eisberges, da die veröffentlichten Dokumente nur die von der Consulting-Firma ‚PriceWaterhouseCoopers‘ organisierten Steuerarrangements der Periode 2002-2010 betreffen; diejenigen der vorhergehenden und nachfolgenden Perioden, ebenso wie diejenigen der anderen Beraterfirmen sind bisher nicht bekannt.
3. Profitoptimierung für Waffenhersteller und Rüstungsindustrie. Wenn der junge Abgeordnete und Generalsekretär der LSAP Yves Cruchten zur Rechtfertigung dieser Praxis twittert „Wéinstens verkafe mir keng Waffen u Schurkenstaaten oder maachen de Nopeschlaenner Konkurrenz mat ridicule niddrege Léin…“, so hat er übersehen, dass zahlreiche Waffenlieferanten und Rüstungsfirmen impliziert sind.
Jedes Jahr veröffentlicht das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research and Institute) eine Liste mit den 100 größten und gewichtigsten Rüstungsfirmen und Waffenherstellern der Welt. Rund ein Drittel dieser Firmen befindet sich auf der Liste der von ‚PriceWaterhouseCoopers‘ organisierten Steuerarrangements (2).
Während Luxemburg sich damit rühmen will, Waffenlieferungen und Rüstungsgeschäfte zu ächten, unterstützt es konkret Kriegstreiber und Rüstungsfirmen bei der Optimierung ihrer Profite. Welche Heuchelei! Und die Behauptung, Luxemburg mache seinen Nachbarländern keine Konkurrenz mit lächerlich niedrigen Löhnen, stimmt auch nicht: erstens, werden mit genau diesem Argument die Löhne in Luxemburg immer wieder gedrückt oder Arbeit ausgelagert, und zweitens, besteuert Luxemburg beispielswiese Unternehmen wie Amazon, die ihren Gewinn mit Dumpinglöhnen in Deutschland erwirtschaftet, und dort nicht einmal Steuern dafür zahlt!
4. Mitverantwortung bei der Finanzkrise. Bisher wurde noch nicht aufgezeigt, was mit den Geldern geschah, die die Konzerne mit Luxemburger Hilfe einsparen konnten. Mit Sicherheit wurde der größte Teil davon in dubiose Finanzprodukte investiert, die schlussendlich 2008-2009 zum Finanzkrach führten.
Besonders hervor stechen auch die Dokumente, die genau die Firma betreffen, die durch ihre dubiosen Geschäfte und Spekulationen der Finanzkrise zum Ausbruch verhalf: die Lehmann Brothers, die noch im Juli 2008 – also genau 2 Monate bevor es krachte – Profitmaximierung und Steuerersparnisse über ihre Luxemburger Holdingstrukturen organisierte (dies natürlich mit der wohlwollenden Unterstützung von ‚PriceWaterhouseCoopers‘ und dem Luxemburger Fiskus!)
5. Sind wir etwa alle Schmarotzer? Jetzt wird uns erzählt, der Staat und alle seine BürgerInnern hätten von dem illegitimen Steueraufkommen profitiert. – In Wirklichkeit haben die Konzerne und Superreichen profitiert. Und  deren Bereicherung bewirkt zudem, dass die sozialen Ungleichheiten stetig zunehmen. Sind wir nicht alle Gefangene dieses Systems geworden? Findet sich nicht immer wieder ein Land, ein Staat, das den Konzernen noch niedrigere Steuern anbietet, wodurch die Spirale immer weiter nach unten dreht, soweit, bis wirklich nichts mehr übrig bleibt?
Auch in Luxemburg zahlen die Haushalte und Beschäftigten immer mehr Steuern, während der Steueranteil der Betriebe stetig zurückgeht. Würde nicht jedes Landes jeder Staat und alle BürgerInnen davon profitieren, wenn die Konzerne und Kapitalbesitzer überall einen gerechten Steueranteil bezahlen würden? Es ist höchste Zeit für ein „Opt out“ aus dieser Falle!
6. Die CSV-LSAP-Regierung und Juncker gehören vor eine parlamentarische Untersuchungskommission. Wäre die CSV-LSAP Regierung und Premier Jean-Claude Juncker nicht über die Affäre mit dem Geheimdienst gestolpert, und wären nicht Neuwahlen gewesen, so müssten sie jetzt definitiv abdanken!
Wäre #LuxLeaks und #Ruling-Gate in diesem Ausmaß vor etwas mehr als einem Jahr aufgedeckt worden, so hätten alle Oppositionsparteien, auch Grüne und DP, geflissentlich eine Untersuchungskommission beantragt, um Licht in die dubiosen und schändlichen Machenschaften der CSV-LSAP-Regierung und des CSV-Staates zu bringen. Und genau dies müsste jetzt geschehen. So wie Grüne und DP kürzlich Untersuchungsausschüsse im Falle Wingring/Livange oder SREL gefordert haben, müssten sie einen solchen auch jetzt unterstützen.
7. Praxis der Steueroptimierung in EU-Vertrag verankert. Luxemburg ist nicht das einzige Land, das mit Steueroptimierung versucht internationale Firmen an Land zu ziehen. USA, Irland, die Niederlande, aber auch Belgien, Frankreich, usw. betreiben ähnliche Geschäfte. Die fiskale Konkurrenz, und damit der Steuerdumping zwischen den EU-Staaten ist im Maastrichter Vertrag selbst enthalten.
Doch Luxemburg hat es offensichtlich zu aArg getrieben: anderen Staaten Firmen abzuwerben, die hierzulande überhaupt keine oder nur minimalste Steuern zahlen, kann andere Staaten, die dadurch auf immer weniger Steueraufkommen zurückgreifen müssen, in höchstem Grad verärgern. Dabei wollen diese die Steueroptimierung nicht unterbinden, sie möchten nur der Übertreibung Einhalt gebieten! Darauf laufen letztlich auch die Bemühungen der EU-Kommission und der OECD hinaus.
8. Die Bürger zahlen die Zeche. Wenn die einzelnen Staaten immer weniger Unternehmenssteuer erhalten – und darauf läuft es bei der Steueroptimierung schlussendlich heraus – dann entstehen Haushaltslöcher, die durch Sozialabbau und Steuererhöhungen kompensiert werden.
Steuererhöhungen treffen aber nicht die Konzerne und Unternehmen, sondern die kleineren Betriebe, die Haushalte, die Beschäftigten und die Rentner. In Luxemburg geht das vor kurzem vorgelegte 5. Sparpaket der Regierung genau in diese Richtung!
9. Die Konzeptlosigkeit der Regierung. Vor zwei Wochen habe ich Finanzminister Gramegna in der Finanzkommission der Abgeordnetenkammer darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht genügen würde dem Informationsaustausch zu unterstützen und andere minimale Änderungen vorzunehmen, um von “Forum Mondial“ und ähnlicher Instanzen von der grauen Liste der Steueroasen gestrichen zu werden.
Dazu müssten ebenfalls die bestehenden Steuerschlupflöcher (ich erwähnte ‚Tax-Ruling‘ und ‚Patent-Box‘) geschlossen und keine neuen (siehe unter anderem „Fondations patrimoniales“) geschaffen werden. Gramegna verneinte dies und meinte, Luxemburg sei auf dem guten Weg; die von mir erwähnten Instrumente hätten damit nichts zu tun! Heute nun ist nicht nur das Ansehen Luxemburgs (und seiner BürgerInnen) nachträglich beschädigt, sondern unsere Regierung verstrickt sich in immer größere Widersprüche.
10. Doppelzüngigkeit schadet zusätzlich. Wenn der Finanzminister der internationalen Presse erklärt, Luxemburg „könne die Praxis des Steuerdumping nicht gutheißen“ und  trete ein „für Steuergerechtigkeit“, so stellt dies nicht nur ein Höchstmaß an Hypokrisie dar, sondern ist aus seinem Munde auch unglaubwürdig, umso mehr er vorher erklärt hat, die Praxis des ‚Tax-Ruling‘ gehöre zum Luxemburger ‚Patrimoine‘ und Premier Bettel posaunt, „er“ sei nicht da um die Schulden anderer Länder zu begleichen!
All dies ist ebenso doppelzüngig wie unglaubwürdig! Auch die Bezeichnung der Anschuldigungen„Verschwörungstheorie  gegen Luxemburg oder Kommissions-Präsident Juncker als „Verschwörungstheorie“, sowie dies vondurch den die Verantwortlichen von ‚PriceWaterhouseCoopers‘ angeführt wird, darf nicht zur Ablenkungvom Thema ablenken herhalten. Die Journalisten des ‚Internationalen Konsortium für Investigativen Journalismus‘ haben ihre Arbeit getan – und mit dieser sollten wir uns befassen, statt sie zu kritisieren!
11. Den Sumpf aufdecken und austrocknen. Der ganze Steuersumpf muss aufgedeckt werden; es soll offen und transparent geklärt werden, wer davon profitiert, wie viel, wo und durch wen.? Das Steuergeheimnis großer Konzerne darf nicht als Vorwand dienen um Aufklärung zu verhindern. Deshalb setzt déi Lénk sich für das Zustandekommen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ein, der die diesbezügliche Aufklärungsarbeit durchführt und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zieht.
Ein solcher Untersuchungsausschuss könnte auch auf die Expertise anderer Strukturen, wie ‚Transparency International‘, zurückgreifen und mit ähnlich gelagerten Ausschüssen anderer Länder sowie der des Europaparlamentes, zusammenarbeiten. Letztendlich geht es ja nicht nur im Luxemburg.
12. Endlich über Alternativen diskutieren! Schlussendlich wird es höchste Zeit über Alternativen zur jetzigen Kopf-in-den-Sand-Politik zu diskutieren. Zum Beispiel indem wir eine wirkliche Steuergerechtigkeit einleiten, bei der das Gleichgewicht zwischen der Unternehmenssteuer und dem Steueraufkommen der Haushalte und Beschäftigten wiederhergestellt wird.
Bei der die „breiten Schultern“ entsprechend mehr zu tragen haben, wobei der Höchststeuersatz wieder erhöht und eine Reichensteuer (wie die LSAP sie in Sonntagsreden fordert) eingeführt wird. Womit in Europa Mindeststeuersätze für Betriebe und Konzerne eingeführt werden, die nicht unterboten werden dürfen, und alle Unternehmen angehalten werden, ihre Steuern dort zu zahlen, wo der Mehrwert erwirtschaftet wird.
Wobei die Konzerne und die Finanz- und Fondsindustrie dazu gebracht werden ihre Gewinne, die sie in Entwicklungsländern erwirtschafteten, auch dort zu versteuern und diesen Ländern nicht ihre Steuersubstanz zu entziehen, womit die derzeit die Resultate der öffentlichen Entwicklungshilfe wieder kaputt  machen. In der Tat: es wird höchste Zeit für einen wirklichen Paradigmenwechsel.
Erstveröffentlichung am 7. November auf: http://www.goosch.lu/ Anmerkungen
(1) ARD-Panorama, 6. November 2014
(2) Siehe Tweet von Fisec sàrl @codefiscal mit Verweis auf justpaste.it/BrothersInArmsLux