Linke Industriepolitik

Das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung schreibt eine Studie aus zum Thema: „Welchen Spielraum bietet der gegenwärtige Rechtsrahmen der EU für eine linke Industriepolitik?

Die Wirtschaftskrise der EU wird immer dramatischer, auch sieben Jahre nach Zusammenbruch der Lehman-Brothers befinden sich verschiedene Wirtschaften in der EU, v.a. Griechenland, in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit, in der es teilweise wirtschaftliche Aufholprozesse ärmerer Länder innerhalb der EG/EU gab, (zumindest vorläufig) vorbei ist. Die Differenzen zwischen den Produktionskapazitäten der einzelnen Länder wachsen sogar tendenziell, und Länder wie Italien oder Frankreich erleben seit Jahren eine massive Deindustrialisierung. Dieser Trend zu wachsender struktureller Ungleichheit wird durch die (Krisen-)Politik der EU-Institutionen noch verstärkt.
In dieser Situation steigt das Interesse an einer linken Industriepolitik, die nicht nur bestehende Industrien und deren Arbeitsplätze erhält, sondern vielmehr mit Hilfe einer umweltgerechten, nachhaltigen Industrie „Gute Arbeit“ schafft. Diese Industrie soll zum einen für die Arbeiter*innen dauerhaft gesicherte gute Arbeitsplätze schaffen, zum anderen aber den Staaten und Volkswirtschaften helfen, auf zukünftige Wirtschaftskrisen besser reagieren zu können. Denn die Krise hat klar gezeigt, dass diejenigen Länder besser durch die Krise kommen, die über einen stabilen Industriesektor verfügen. Diese Studie ist Teil eines langfristigen Projekts, in dem es nicht nur um die Schaffung umweltgerechter, gendersensitiver Arbeitsplätze geht. Es geht drüber hinaus auch um die Frage der Demokratisierung von Arbeit in den Betrieben und um eine demokratische Wirtschaftspolitik in der Arbeiter*innen und Bürger*innen über Produktion, Distribution und Konsumtion weitgehend mitbestimmen können. Es geht in diesem Projekt nicht darum, dass wir den Wettbewerbsdruck zwischen den Arbeiter*innen unterschiedlicher Länder und Unternehmen noch steigern wollen, sondern um die Sicherung dauerhafter guter Arbeitsbedingungen in einem Wirtschaftssektor, ohne den wir die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht meistern können.
Um den Handlungsspielraum linker, progressiver Akteure, wie z.B. linker Staats- und Landesregierungen, Gewerkschaften aber auch Genossenschaften und besetzter Betriebe besser einschätzen zu können, fragen wir hier nach einer Studie, die die folgende Leitfrage beantworten soll:
Welchen Spielraum bietet der gegenwärtige Rechtsrahmen der EU für eine linke Industriepolitik, v.a. in Hinsicht auf Entwicklungsmöglichkeiten der peripheren Länder (Art 173, ex 157, und dazugehörige andere Bestimmungen)?
Die Europa 2020 Strategie der EU von 2010 fordert einen Industrieanteil an der Wertschöpfung von 20%. Welchen rechtlichen Spielraum haben aber die genannten Akteur*innen innerhalb des gegenwärtigen Rechtsrahmens der EU, eine linke Industriepolitik wie oben beschrieben durchzuführen? Welche Herausforderungen und Probleme aber v.a. auch welche Möglichkeiten bestehen überhaupt?

In Hinsicht auf diese Leitfrage sollen folgende Punkte untersucht werden:


1. Bieten folgende Instrumente der EU Möglichkeiten für eine linke Industriepolitik?

  • Die Flagship Initiative: „An integrated industrial policy for the globalization era“ im Rahmen von Europa 2020
  • Strukturfonds
  • Smart Specialisation
  • Europäische Investitionsbank
  • Horizon 2020
  • Juncker Plan / EFSI
  • EIF 


2. Welchen Einfluss haben die neuen Institutionen der EU, die im Zuge des Krisenmanagements eingeführt wurden, auf den Bereich der Industriepolitik? (z.B. Two Pack, Six Pack, Europäisches Semester, Wettbewerbspakt, Fiskalpakt)

3. Welche Möglichkeiten gibt es für linke Akteure aus Staat, Gesellschaft und Wirtschaft (Gewerkschaften, Kooperativen, besetzte Betriebe) sich transnational zusammen zu schließen.
4. Welche Möglichkeiten bestehen im rechtlichen Rahmen der EU einschließlich der Grundlagenverträge, gezielt sektorspezifische („vertikale“) Förderpolitik zur Re-Industrialisierung zu betreiben? Inwiefern würden derartigen Initiativen auf Hindernisse im EU-Wettbewerbsrecht stoßen?
5. Welche Finanzierungsmöglichkeiten stehen unter rechtlichen Gesichtspunkten für eine progressive (Re-)Industrialisierungspolitik zur Verfügung?
6. Bestandteil sollen auch Vorschläge sein, wie die Gesetzeslage ohne Änderung des Primärrechts so verändert werden könnte, dass eine aktiv gestaltende, aufbauende Industriepolitik (und nicht nur eine erhaltende) durchgeführt werden kann. Diese Vorschläge sollten nach Eingriffstiefe in das Recht gestaffelt dargestellt werden.

Technische Details zur Vergabe


Sprache der Studie: Englisch

Umfang der Studie: 40 Seiten inklusive einer aussagekräftigen und öffentlich verwertbaren Zusammenfassung, die auch getrennt vom Papier veröffentlicht werden kann.
Honorar: 9,500 Euro (brutto)
Bewerbungen elektronisch an Martin Schirdewan (Martin.Schirdewan@rosalux.de) und Roland Kulke (roland.kulke@rosalux.org) Rosa Luxemburg Stiftung, Brüssel.
Die Bewerbungen sollen einen CV, ein Abstract und eine Gliederung der Studie enthalten.
Einsendeschluss ist der 1. November 2015, das Ergebnis wird am 5. November mitgeteilt.
Die Studie ist bis zum 15. Februar 2016 komplett einzusenden.