ITH-Konferenz 2019: Arbeit auf dem Land. AkteurInnen, Gesellschaften und Umwelten

Die 55. ITH-Konferenz (5.-7. September 2019, Linz) beabsichtigt die Beziehungen zwischen der Geschichte der Arbeit, der Arbeitenden und der ArbeiterInnenbewegungen und der Geschichte des ländlichen Raumes zu festigen

Die Konferenz ist darum bemüht, das Themengebiet der „Arbeit auf dem Land“ aus zwei Blickwinkeln zu behandeln: erstens, landwirtschaftliche Arbeit als Koproduktion von Gesellschaft und Natur und, zweitens, ländliche Arbeitsverhältnisse als Bestandteile größerer politischer und wirtschaftlicher Systeme. Beiträge zu dieser Konferenz sollen aufzeigen, wie sich diese beiden Perspektiven gegenseitig ergänzen, Forschungsdesiderate und blinde Flecken in der jeweils anderen Perspektive ausfindig machen, Brücken bauen und zur theoretischen, methodologischen und empirischen Bereicherung der Geschichte landwirtschaftlicher Arbeit beitragen.

Der erste Blickwinkel akzentuiert die Aspekte, die landwirtschaftliche Arbeit – Acker- und Gartenbau, Viehzucht, Arbeit in der Wald- und Forstwirtschaft oder die Verarbeitung von auf dem Land produzierten Rohstoffen – von anderen Formen der Arbeit unterscheidet. Diese Perspektive lenkt die Aufmerksamkeit auf die aus ihrer natürlichen Einbettung resultierenden Unterschiede der Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen: die natürlichen Einschränkungen betreffend die Auswahl von Kulturpflanzen in bestimmten Regionen, die biologischen Wachstumsprozesse von Pflanzen und Tieren, die Saisonalität des Arbeitsprozesses, die Unbeständigkeiten des Wetters und die sich daraus ergebenden ertragsbezogenen Risiken und die Auswirkungen auf materielle und immaterielle kulturelle Phänomene (Siedlungsmuster, Haushaltszusammensetzung, Techniken und Technologien, Wahrnehmungen der Umwelt, Möglichkeiten zur Intensivierung des Produktionsprozesses, die Entscheidung über Vertragsformen, soziale Schichtung und Eigentumsrechte usw.). Eingehende Fallstudien mit regionalem oder lokalem Schwerpunkt würden sich eignen, um die Koproduktion von Gesellschaft und Natur zu fassen.

Der zweite Blickwinkel, von dem aus das Thema beleuchtet wird, betont die Vielfalt ländlicher Arbeitsverhältnisse und untersucht eher Gemeinsamkeiten mit anderen Arbeitsverhältnissen und, nicht zuletzt, das breite Spektrum an Verknüpfungen zwischen landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Arbeit durch Individuen und Haushalte. Dies umfasst haushaltsbasierte Formen der Arbeitsorganisation, Gesindedienst, Lohnarbeit (dauerhaft, saisonal, migrierend), Zwangsarbeit (Sklaverei, Fronarbeit) sowie weitere Formen freier und unfreier Arbeit, aber auch landwirtschaftliche Aktivitäten von ländlichen HandwerkerInnen und IndustriearbeiterInnen, die geschlechts-, alters- und lebenslaufspezifische Arbeitsteilung und viele andere Themengebiete. Die Zusammenhänge dieser unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse mit übergreifenden (sozio-)politischen und (sozio-)ökonomischen Phänomenen (wie z.B. Territorialstaaten und globale Kapitalismen seit dem 16. Jahrhundert) sind von besonderem Interesse. Der jeweilige Fokus liegt eher auf allgemeinen Aspekten, wie beispielsweise Klassen- und Machtverhältnissen, sozialen Bewegungen und der (Nicht-)Organisierung von LandarbeiterInnen, Mobilität und Migration, Güterketten, Governance-Strukturen, dem Zugang zu Eigentum an Grund und Boden und anderen zentralen Ressourcen und Marktentwicklungen als Erklärungen für die soziale Zusammensetzung ländlicher Gesellschaften. Diese Perspektive verlangt nach der Erweiterung der Forschungsperspektive auf unterschiedliche Ebenen, vom Lokalen zum Globalen.

Die Konferenz beabsichtigt Beiträge aus verschiedenen Disziplinen (Geschichte, Geographie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Anthropologie usw.) und unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Kontexten zusammenzuführen, die die Komplexität ländlicher Arbeitsverhältnisse und die Handlungsmacht ländlicher ArbeiterInnen aus den skizzierten Perspektiven behandeln. Das Interesse an lang- und kurzfristigen historischen Entwicklungen sollte einen gemeinsamen Ausgangspunkt für interdisziplinäre Debatten darstellen. Neben eingehenden Fallstudien sind Beiträge, die auf internationale Vergleiche und/oder transanationale Verbindungen fokussieren, besonders willkommen. Beiträge könnten den praktischen Handlungsspielraum ländlicher AkteurInnen im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Widerstand beleuchten oder untersuchen, wie die Geschichte landwirtschaftlicher Arbeit in einem bestimmten Raum von den natürlichen Möglichkeiten und Einschränkungen, technologischen Entwicklungen und globalisierenden Marktkräften beeinflusst wurde. Dies sind lediglich zwei Beispiele, wie Beiträge zu dieser Konferenz durch einen Fokus auf die Untersuchung von Arbeit produktiv an die bestehenden Verbindungen zwischen der Geschichte des ländlichen Raumes und der Geschichte der Arbeit, der Arbeitenden und der ArbeiterInnenbewegungen anknüpfen bzw. diese Verbindungen erweitert können.

EINREICHUNG

Vorschläge für Beiträge sollen enthalten:

  • Abstract (max. 300 Wörter)
  • Kurzbiografie (Fließtext, max. 200 Wörter)
  • vollständige Adresse und E-Mail-Adresse

Der Abstract des vorgeschlagenen Beitrages soll einen eigenen Absatz enthalten, der beschreibt, wie sich der eingereichte Beitrag auf den Call for Papers bzw. gegebenenfalls auf bestimmte Elemente oder Fragen im Call for Papers bezieht.
Die Kurzbiografie soll Informationen über bisherige Beiträge des Einreichers bzw. der Einreicherin zum Forschungsgebiet der Geschichte von Arbeit und ArbeiterInnen-bewegungen bzw. sozialen Bewegungen enthalten. Die Einreichenden sind eingeladen (so vorhanden) insbesondere ihre einschlägigen Publikationen anführen, und können gerne Kopien von ein oder zwei solchen Publikationen für Informationszwecke beilegen.

Einreichungen bitte an Lukas Neissl: lukas.neissl@ith.or.at

TERMINE

Einreichung der Vorschläge: bis 6. Januar 2019
Mitteilung über Entscheidung der Annahme: 17. Februar 2019
Langfassung oder Vortragsfassung der Beiträge: bis 4. August 2019

VORBEREITUNGSGRUPPE

Lisa Bolyos, Wien
Josef Ehmer, Universität Wien
Winfried R. Garscha, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Dirk Hoerder, Wien
Erich Landsteiner, Universität Wien
Ernst Langthaler, Johannes Kepler Universität Linz
Lukas Neissl, ITH, Wien
Silke Neunsinger, Labour Movement Archives and Library, Stockholm
Brigitte Pellar, Wien
Susan Zimmermann, ITH, Wien

Die ITH-Konferenz 2019 wird in Kooperation mit dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes (St. Pölten) organisiert.

DIE ITH UND IHRE MITGLIEDER

Die ITH ist eines der weltweit wichtigsten Foren der Geschichte der Arbeit, der Arbeitenden sowie der ArbeiterInnenbewegungen und anderer sozialen Bewegungen. Die ITH fördert globale und inklusive Forschungsperspektiven und offene vergleichende Herangehensweisen. Ihrer Tradition der Zusammenarbeit mit Organisationen der ArbeiterInnenbewegung folgend, legt die ITH zugleich Wert auf die Vermittlung von Forschung außerhalb der eigentlichen akademischen ForscherInnengemeinde. Gegenwärtig gehören der ITH ca. 100 Mitgliedsorganisationen und eine rasch wachsende Zahl von individuellen Mitgliedern auf fünf Kontinenten an.

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