Griechenland: Eine entscheidende Schlacht in einem europäischen Kampf

In den letzten zwei Jahren ist Griechenland ein großes Labor gewesen. Ein Labor für eine Wirtschaftspolitik (d.h., wo getestet wurde, wie in einer fortgeschrittenen kapitalistischen Ökonomie und angesichts einer bedrohlichen Wirtschaftskrise ein Programm interner Geldabwertung funktionieren würde), in dem die Grenzen der sozialen Reaktion ausgelotet wurden, und eines, in dem Form und Größe politischer Entwicklung sichtbar wurden.
Wird damit das Offensichtliche behauptet? Nicht wirklich. Ob das, was in diesem kleinen Land an der europäischen Peripherie geschieht, als eine Geschichte unserer Tage über „Verbrechen und (wohlmeinende) Strafe“ gewertet werden soll oder als Vorgeschmack auf ein Muster, das in ganz Europa zur Anwendung kommen soll ist – und bleibt – die Frage, die es zu beantworten gilt.
Griechenland hat eines der aggressivsten Programme der wirtschaftlichen Anpassung hinter sich, das in der entwickelten Welt jemals zur Anwendung kam, mit einem absolut verheerenden Ergebnis. Die stetige Verringerung des griechischen BNP zwischen 2009 und 20011 betrug zuletzt 12%, während im ersten Drittel des Jahres 2012 die Rezession -7,5% betrug, Löhne und Gehälter ebenso wie Pensionen in manchen Fallen bis zu 50% zurückgegangen sind, die offizielle Arbeitslosenrate 22% erreicht hat und Sozialausgaben laufend gekürzt werden, mit dem Ziel, 30% des BNP zu erreichen. Das sollte die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, das Interesse für Investitionen wecken und die griechische Wirtschaft (laut anfänglichen Prognosen) vermutlich bis 2013 auf die Märkte zurück bringen. Was sich stattdessen ereignete, war eine Anhäufung der noch immer wachsenden Schulden – ein auch nach einer Umstrukturierung von 53% vor einigen Monaten noch immer nicht nachhaltig gelöstes Problem –, eine aus der Kontrolle geratene Rezession und eine Gesellschaft am Rande des Zusammenbruchs.  
Was machte die Geschichte von der „wohlwollenden Strafe“ aus all dem? Die Antwort findet sich klar und deutlich in der Schlagzeile des Guardian vom 26. Mai 2012: „Lagarde an die Griechen – Es ist Zahltag, erwartet kein Mitgefühl“. Mit anderen Worten: „Es ist nicht das Versagen der Austeritätspolitik, es ist eure Schuld. Das ist ein griechisches Problem, bei dem wir euch nun schon lange genug ausgeholfen haben. Jetzt ist es für euch an der Zeit zu zahlen“. Es bräuchte wahrscheinlich noch zwei oder drei Artikel in dieser Länge, um zu erklären, was mit den Worten „helfen“ und „zurückzahlen“ gemeint ist, aber für den Rahmen dieser Erzählung sollte es ausreichen, nochmals einen Blick auf den vorherigen Absatz zu werfen, um zu erkennen, wie hilfreich die „Hilfe“ tatsächlich war.
Wie lautet nun die griechische Version dieser Geschichte? Verleugnen wir uns selbst, wenn wir darauf bestehen, dass Griechenland kein Ausnahmefall ist, der vom Rest des europäischen Geflechts abgetrennt werden muss, damit dieses sich selbst in Sicherheit bringen kann? Das Gegenteil ist der Fall. Wir blicken zurück und stellen einige interessante Tatsachen fest: Dass das erste europäische Land, das von der Krise getroffen wurde, Island war, eines der Länder mit dem geringsten Korruptionsgrad weltweit. Dass das „irische Wunder“ in Stücke zerfiel, als es für die riesigen Verpflichtungen seines Bankensektors aufkommen musste. Dass Länder mit einer Geschichte niedriger Verschuldung, wie bspw. Spanien, nun am Rande des Abgrunds stehen. Dass Ökonomien mit produktiven privatwirtschaftlichen Sektoren, wie bspw. Italien und Frankreich, der Gefahr eines möglichen Zusammenbruchs ins Auge blicken.
Warum die griechische Linke in ihrer Argumentation bemüht ist, ist die Dringlichkeit, dass jede/r erkennt, dass es sich bei der momentanen Situation Griechenlands um ein ernstes europäisches Problem handelt, das nur gemeinsam von den EuropäerInnen gelöst werden kann. Dass es sich bei der Verknüpfung von Rettungs- und Sparpolitik um eine irrationale, unwirksame, sozial zerstörerische und gefährliche Art des Umgangs mit der europäischen Krise handelt. Dass das, was wir in unserem Land erleben, ein lauter Ausdruck der Ablehnung der Austeritätspolitiken ist, der nicht nur für Griechenland entscheidend ist, sondern auch für den Rest Europas.
Nach dem Ausgang der Wahlen in Griechenland am 6. Mai, der Stärkung der Linken in Frankreich, dem Rücktritt der Regierung in den Niederlanden und all den anderen Anstrengungen des Widerstands, die wir bereits gesehen haben und in ganz Europa weiter sehen werden, müssen diejenigen unter uns, die glauben, dass ein anderes Europa möglich ist, zuversichtlicher als je zuvor sein, dass die Entscheidung, die wir getroffen haben, nämlich, dass wir das europäische Feld der Auseinandersetzung nicht verlassen werden, die richtige war.
Daher sollten wir uns nicht auf isolierte, nationalstaatliche Debatten beschränken, während sich gerade jetzt die Gründe, warum wir die ganze Zeit über für eine Europäische Linke eingetreten sind, die kommuniziert, die Erfahrungen austauscht, die Kämpfe zu koordinieren versucht, als richtig erweisen.
Ausgehend von Griechenland liegt unsere Chance vielleicht darin, die Beziehungen zwischen unseren Ökonomien, die Kommunikation zwischen unseren Gesellschaften, die gegenseitige Inspiration, die wir aus unseren Bewegungen schöpfen, die Anziehungskraft unserer Wahlkämpfe für die Völker Europas, einbringen zu können. Vielleicht beginnen sich gerade jetzt die Stücke unseres eigenen Puzzles zusammenzufügen.