50 Jahre VSA: Verlag – ein Grund zum Feiern und für einen Rückblick

Walter Baier würdigt mit dem VSA: Verlag einen der Initiatoren zur Gründung von transform! europe und einen wesentlichen Impulsgeber für die europäische und internationale Zusammenarbeit der Linken.

Der 1972 gegründete VSA: Verlag sieht seine Publikationstätigkeit als Beitrag zur demokratischen Diskussionskultur in der gewerkschaftlichen und politischen Linken – zu Analyse, Aufklärung und Aktion. Davon zeugen rund 60 Buchveröffentlichungen pro Jahr, die Herausgabe der Zeitschrift Sozialismus und die dazugehörige Webseite. Wer die räumlichen Verhältnisse im Hamburger Verlagszentrum und die geringe Anzahl der Mitarbeiter*innen kennt, kann vor ihrem Engagement und ihrer Disziplin nur den Hut ziehen.

Die Liste der Autor*innen, von denen viele erst durch die Übersetzungen von VSA: einem deutschsprachigen Publikum zugänglich wurden, liest sich wie das Who is Who des aufgeklärten und undogmatischen Marxismus der vergangenen Jahrzehnte: Louis Althusser, Giovanni Arrighi, Pierre Bourdieu, Robert Brenner, Michael Brie, Luciana Castellina, Elisabeth Gauthier, David Harvey, Sabine Kebir, Marcello Musto, Leo Panitch, Nicos Poulantzas, Saskia Sassen, Erik O. Wright … um nur einige zu nennen.

Der Verlag hat mich über mein gesamtes politisches Leben hinweg begleitet. Nachdem ich mich in den 1970er-Jahren in der – um es vorsichtig auszudrücken – damals sehr traditionellen Kommunistischen Partei Österreichs politisiert und sozialisiert hatte, öffnete VSA: das Fenster zu einem anderen marxistischen Universum.

Bücher wie Jean Ellensteins Histoire du phénomène stalinien, das bei VSA: übersetzt wurde (Geschichte des ‚Stalinismus‘, 1976), Gramsci. Philosophie der Praxis und die Hegemonie des Proletariats von KPI-Führungsmitglied Luciano Gruppi (1977) und Eurokommunismus und Staat von Santiago Carrillo, dem Generalsekretär der damals noch illegalen Kommunistischen Partei Spaniens, öffneten die Tore für einen neuen Diskurs.

Unsere unmittelbare und intensive Zusammenarbeit entwickelte sich erst viel später. VSA:/Sozialismus gehörte dem kleinen Kreis an, der am Rande des Weltsozialforums in Porto Alegre die Initiative zur Gründung von transform! europe ergriff. Es folgten gemeinsame Auftritte bei den Europäischen Sozialforen. Das wichtigste Ergebnis der Zusammenarbeit aus jener Zeit ist die Studie von Elisabeth Gauthier, Joachim Bischoff und Bernhard Müller über die moderne Rechte in Europa, die in deutsch-französischer Zusammenarbeit entstand und die moralische Verurteilung rechtspopulistischer Parteien durch die materialistische Sozialwissenschaft untermauerte.

Siehe: Joachim Bischoff / Elisabeth Gauthier / Bernhard Müller (2015): Europas Rechte. Das Konzept des „modernisierten“ Rechtspopulismus. Eine Flugschrift.

Der VSA: Verlag war und ist eine Drehscheibe der europäischen und internationalen Zusammenarbeit. Seit 1997 liefert er jährlich das von Leo Panitch (verstorben 2020) und Greg Albo herausgegebene Socialist Register aus.

Von 2015 bis 2019 publizierte VSA: die deutsche Ausgabe des transform! Jahrbuchs unter der Leitung von Bernhard Müller.

Zu den Kooperationspartner*innen des Verlags zählen Attac, das Institut Solidarische Moderne, die Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie auch deutsche Gewerkschaften.

Im Rahmen meiner politischen Koordinationstätigkeit für transform! europe hatte ich regelmäßig Gelegenheit, die Genoss*innen und Kolleg*innen zu besuchen. Wie wir wissen, sind Österreicher*innen und Deutsche durch ihre gemeinsame Sprache getrennt. Aufgrund der Mentalitätsunterschiede zwischen dem protestantischen Norden und dem katholischen Südosten bedarf es seit jeher einer gemeinsamen Anstrengung, um Brücken zu bauen. 

Wenn ich die Kolleg*innen des VSA: Verlags kurz beschreiben sollte, fallen mir drei Worte ein: mutig, unbestechlich und unabhängig – Eigenschaften, die zudem mit verlegerischem Geschick und kaufmännischer Umsicht einhergehen.

Es war mir stets eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Walter Baier