„Faschismus oder Demokratie“. Lehren aus den Wahlen in Madrid

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Die Autonome Gemeinschaft  Madrid (eine Autonome Gemeinschaft entspricht im föderalen Spanien in etwa den deutschen Ländern) wird seit 26 Jahren von der konservativen Rechten der Partido Popular (PP) regiert. Dass sie die Wahlen erneut gewonnen hat, ist daher nichts Außergewöhnliches. Aber warum hat das die Linke diesmal als Niederlage erlebt?

Triumph des „Trumpismus“

Der wichtigste Grund dafür ist, dass nach achtzig Jahren (einschließlich der 40 Jahre der faschistischen Diktatur) in Spanien erstmals eine fortschrittliche Koalitionsregierung bestehend aus der sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und der linken Unidas Podemos regiert. Während der eineinhalb Jahre, die diese Regierung nun im Amt ist, wird die Speerspitze der rechtsgerichteten Opposition von der Präsidentin der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Isabel Díaz Ayuso, gebildet. Mit einer Aggressivität, die sogar für die spanische Rechte ungewöhnlich ist, und einem an Donald Trump angelehnten Politikstil versucht sie – aus ihrer Position als Präsidentin von Spaniens reichster Region heraus – die Regierung zu boykottieren.

Ayuso rief vorgezogene Wahlen in Madrid aus, weil Umfragen gezeigt hatten, dass die PP die Wahlen auf Kosten der Mitte-rechts Partei Ciudadanos gewinnen und diese von der politischen Landkarte fegen könnte (was tatsächlich geschah) und dass sie ihr Wahlergebnis auf Kosten der rechtsextremen Vox mit einer Sprache im Stile Trumps verbessern könne. Sie rief die Wahlen auch aus, um die Linke zu schwächen, die von der PP mit dem Slogan „Sozialismus oder Freiheit“ angegriffen wurde, wobei sie die Vereinnahmung des Begriffs „Freiheit“, die Opposition gegen die Regierung und wahnwitzige Attacken auf Pablo Iglesias zu den Hauptachsen ihrer erfolgreichen Kampagne machte. Im Klartext bedeutete dies eine Verschiebung von rechtskonservativen zu rechtsextremen Positionen.

Quelle: Communidad de Madrid

Niederlage der Sozialdemokratie und Spaltung der Linken

Aufseiten der PSOE wurde die Neuwahl als Gelegenheit gesehen, sich von der Linken und von Unidas Podemos zu distanzieren. Daher legte sie ihren Wahlkampf und ihre Politik so an, dass sie Stimmen auf Kosten des zentristischen Flügels von Ciudadanos gewinnen würde – ein Fehler, der sich als fatal herausstellen sollte, da die Wähler_innen von Ciudadanos massenweise zur PP überliefen und die PSOE in Madrid das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfuhr.

Aufseiten der Linken kandidierte einerseits eine Abspaltung von Podemos namens Más Madrid, angeführt von Iñigo Errejón, der ehemaligen Nummer Zwei bei Podemos, die einen moderaten Diskurs des transversalen Linkspopulismus bediente. Auf der anderen Seite das Bündnis Unidas Podemos, dessen schwache Ausgangsposition Pablo Iglesias dazu zwang, sein Amt als spanischer Vizepräsident aufzugeben und sich in die politische Arena von Madrid zu wechseln.

Polarisierung im Wahlkampf

Die Wahlen in Madrid werden auch als Niederlage der Linken interpretiert, da sich der Slogan „Faschismus oder Demokratie“, zu dem Iglesias die Position der Linken verdichtete, als Antwort auf den von der Rechten benützten Slogan „Sozialismus oder Freiheit“ als unwirksam erwies. Die Bemühungen von Unidas Podemos waren auf die Mobilisierung der Menschen in den Arbeiter_innenvierteln der Stadt Madrid und deren Vororte konzentriert, in der Überzeugung, dass ein dortiger Anstieg der Wahlbeteiligung zu einer Niederlage der Rechten führen würde – eine Hypothese, die sich nicht bewahrheiten sollte.

Die Polarisierung hat tatsächlich dazu geführt, dass die Medien, immer der herrschenden Klasse zu Diensten, Pablo Iglesias und Unidas Podemos in einem bisher unbekannten Ausmaß attackierten, Iglesias als Faschisten bezeichneten, einen Lügner, korrupt, einen leibhaftigen Dämon. Dies führte zu einer Mobilisierung der Rechten, um zu verhindern, dass Iglesias Teil der Madrider Regierung werden würde. Die Wahlbeteiligung erreichte einen historischen Höchststand und die Rechte gewann in fast jedem Bezirk.

Der Rechten ist es gelungen, die Pandemie-Verdrossenheit für sich zu nutzen und die falsche Hoffnung zu nähren, dass das Ende der Pandemie verordnet werden könne. Es gibt jene, die das, was momentan mit den steigenden Impfzahlen einsetzt, mit dem nihilistischen Begehren vergleichen, das sich in Europa nach dem Ersten Weltkrieg ausbreitete, sie sprechen von „neuen und glücklichen 20er-Jahren“, in denen die Suche nach individualistischer Bedürfnisbefriedigung die Zeichen der Zeit gewesen wären.

Mit diesem falschen Optimismus konfrontiert, warnen wir Linke vor dem Faschismus und vor dunklen Zeiten – was nicht zum erwarteten Anstieg der Wahlbeteiligung aufseiten der Arbeiter_innen führte. Ungeachtet dessen haben Unidas Podemos und Más Madrid an Wähler_innenstimmen dazugewonnen. Die Katastrophe für den linken Block resultierte aus dem kompletten Versagen der Sozialdemokratie.

Weitere Entwicklungen

Das Madrider Wahlergebnis hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die fortschrittliche Regierung in Spanien. Bis zu den nächsten Wahlen sind es noch zwei Jahre und es ist gerade das föderale System in Spanien, das es der radikalisierten Rechten erschwert, die Bündnisse zu bilden, die nötig wären, um das Land zu regieren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass wir weniger wachsam sind gegenüber der Radikalisierung der Rechten und den Medienbotschaften, die jedwedes fortschrittliche Denken dämonisieren.

Pablo Iglesias hat sich aus der Politik zurückgezogen, da er sich dessen bewusst ist, dass seine Person in einer Art und Weise dämonisiert wurde, die der Linken nur schadet. Das eröffnet eine neue Zeit für Podemos und schließt gewissermaßen den Kreis, der vor zehn Jahren mit der 15-M Bewegung der Indignados („die Empörten“) eröffnet wurde.

Wir erleben eine neue Krise, die die Linke dazu zwingt, ihre Positionen zu überdenken und sich auf die neue Offensive des Kapitals und die Formen, in denen diese zum Ausdruck kommt, etwa auf die leeren, aber gefährlichen Diskurse der extremen Rechten, einzustellen.