Die neue autoritäre und undemokratische Führung Griechenlands

Die kürzlich gewählte Regierung der Nea Dimokratia („Neue Demokratie“) stellt sich ganz in den Dienst eines „Recht-und-Ordnungs-Doktrins“.

In den vergangenen Wochen erlebten wir in Griechenland, insbesondere in Athen, eine Welle der politischen Repression, im Zuge derer es täglich zu Zwischenfällen kam, die eines der wichtigsten strategischen Ziele der Rechtsregierung der „Neuen Demokratie“ offenbaren: Autoritarismus, die Verbreitung von Angst und die Mundtotmachung der Linken. Man könnte sagen, die Rechte nutze traditionell Polizei- und staatliche Repression, um progressive und radikale gesellschaftliche Reaktionen zu kontrollieren, sowie um den organisierten Aktivismus der politischen Linken in die Schranken zu weisen. Und es stimmt, dass die griechische Polizei schon immer eine zutiefst undemokratische, gewalttätige Institution ist, die von den konservativsten, nationalistischsten und rechtsextremsten Ideologien des modernen griechischen Staates durchdrungen ist. Es ist jedoch stets von größter Wichtigkeit für die Linke, politische und ideologische Veränderungen analysieren zu können, ohne zu stark vereinfachte historische Vergleiche zu ziehen oder leichtfertige Prognosen abzugeben.

 

Innerhalb von drei Wochen beschloss die neugewählte Regierung einen frontalen Angriff auf die Studierendenbewegung zu starten, die seit fast zwei Monaten Demonstrationen organisiert, da eine neue Reform der Regierung die Privatisierung des griechischen Hochschulsystems zum Ziel hat. Von der Angst vor einer möglichen Eskalation der Lage zum Jahrestag des Aufstands an der Technischen Universität Athens (Polytechnio) 1973, beschloss der Universitätsrat der Wirtschaftsuniversität Athen (ehemals ASOEE), einige Tage vor dem 17. November die Universität geschlossen zu halten. Die Studierenden protestierten dagegen und versuchten, die Universität wieder zu besetzen, worauf die Regierung mit der Entsendung vollbewaffneter und aggressiver Polizeikräfte reagierte. Diese attackierten 200 Studierende, setzten Tränengas ein und fügten letzteren mit ihren Schlagstöcken Kopfverletzungen zu. Die Medien – nichts anderes als eine Propagandamaschine der Rechten – nannte dies eine mutige Entscheidung der Regierung, der verbreiteten „Kriminalität“ an den griechischen Universitäten Einhalt zu gebieten.

 

Auf ähnliche Weise drang die Polizei an einem gewöhnlichen Samstagabend in einen Nachtclub im Stadtzentrum ein, zwang 300 junge Menschen auf die Knie und ließ sie ihre Arme hinter dem Kopf verschränken, als würden sie ihre Exekution erwarten. Mit diesem Überfall vollstreckte man angeblich ein Drogenbekämpfungsgesetz – was erlaubt man sich aber, Bürger_innen beim Tanzen, Trinken und Spaß haben so zu behandeln? Eine Frau berichtete, dass Polizeikräfte sie dazu nötigten, sich vor den anderen Menschen auszuziehen. Und als sie sie auf ihre demokratischen Rechte hinwies, bekam sie von einem Polizisten die Antwort: „Hier gibt’s keine Demokratie, verstanden?“

Abseits des Angriffs auf die Studierendenbewegung ist die Regierung geradezu darauf versessen, mit Exarcheia, dem Stadtteil im Zentrum Athens, der seit Jahrzehnten einen fruchtbaren Boden für gesellschaftlichen und politischen Widerstand darstellt, abzurechnen. So patrouillieren Polizeikräfte die Straßen dieses Stadtteils, kontrollieren und verhaften wahllos Menschen ohne Grund oder Befugnis – hauptsächlich Mitglieder linker oder anarchistisch-autonomer politischer Organisationen und militante Studierende. Die Übergriffe nehmen manchmal das Ausmaß regelrechter Folter an; falsche Anschuldigungen werden ausgesprochen, um Linke und Anarchist_innen als Terrorist_innen darzustellen.

 

Die staatliche Gewalt der letzten Wochen fand ihren Höhepunkt in der Nacht des 17. Novembers, nach einer riesigen Demonstration zum 46. Jahrestag des Aufstands am Polytechnio. Die Demonstration war äußerst gut besucht (mehr als 25.000 Teilnehmer_innen wurden gezählt) und verlief lautstark aber friedlich. Die Menschen gaben aufeinander acht und viele Parlamentsabgeordnete der Linken nahmen daran teil. Alexis Tsipras war unter den Demonstrant_innen, gemeinsam mit seinen Genoss_innen der Syriza. Damit war er der erste Ex-Premierminister in der Geschichte der griechischen parlamentarischen Demokratie, der an einer solchen Demonstration teilnahm. Daher – trotz dem vergifteten Klima der Angst, das die Regierung kultiviert hatte (mehr als 5.000 vollbewaffnete Polizeikräfte, 2 Drohnen, 50 Polizeimotorräder, etc. kamen zum Einsatz) kam es zu keinen Vorfällen nach der Demonstration, bei der die Teilnehmer_innen gegen zutiefst unpopuläre und antidemokratische Strategien der griechischen Regierung demonstriert hatten. Dennoch kam es nach der Demonstration in Exarchia zu einem verabscheuungswürdigen, gewaltigen Polizeieinsatz, im Zuge dessen dutzende Polizist_innen heimkehrende Passant_innen unter falschen Vorwänden völlig wahllos attackierten, schlugen und festnahmen. Zahllose Handyvideos zeigen das Ausmaß der Polizeibrutalität, zu der es in dieser Nacht kam. Die Videos wurden in einigen Medien gezeigt, jedoch hauptsächlich in den Sozialen Medien verbreitet. Es trat eine Art der Recht-und-Ordnungs-Praxis zu Tage, die man einem totalitären Regime der Vergangenheit zugetraut hätte – Bilder, die einem westlichen, demokratischen Staat keinesfalls entsprechen.

 

Premierminister Mitsotakis erklärte während seines Wahlkampfs, sich für „weniger Staat“ einzusetzen. Damit meinte er wohl die zusätzliche Rekrutierung von 1.500 Polizeikräften und 1.200 Grenzkontrollbeamten, während besonders auf den Inseln ein dramatischer Lehrer_innenmangel herrscht. Diese Regierung braucht einen grausamen Polizeiapparat. Sie baut in ihrer Arbeitsweise auf Angst, Terror und Mundtotmachung auf. Ihre Strategie ist die Umsetzung einer umfassenden neoliberalen Reform des gesamten Staates, der Wirtschaft, des Arbeitsmarkts, etc. und diese wird nicht friedlich vor sich gehen. Sie weiß bereits, wie die soziale und politische Reaktion darauf aussehen wird. Daher muss sie sich darauf vorbereiten, sich selbst zu schützen. Wie sicher sie sich aber auch wähnt, Wille und Macht der Menschen sowie der Kampf der Linken sind – und war schon immer – unendlich stark.