Fortgeführter Neoliberalismus

Obwohl im Zuge der kürzlich in Serbien abgehaltenen Parlamentswahlen einige neue Kandidat_innen die politische Bühne betraten, handelt es sich dabei um keine wirklich neuen Akteur_innen. In der politischen Landschaft Serbiens tauchen seit 25 Jahren immer wieder dieselben Gesichter auf. Leider gibt es keine linke Option, die die aktuellen Entwicklungen nutzen und eine Alternative zum Status quo darstellen könnte.

Wenig Neues in der serbischen Politik

Die serbischen Parlamentswahlen brachten keine wirklichen Neuigkeiten. Die Koalition um die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS), die von Premierminister Aleksandar Vučić angeführt wird, konnte eine Stimmenmehrheit gewinnen und wird mit 131 von 250 Mandaten eine Regierung bilden können – obwohl sie einen streng neoliberalen Kurs verfolgt und in eine Reihe von politischen Skandalen verwickelt ist. Durch einen wesentlichen Faktor unterscheidet sich die Zusammensetzung des aktuellen Parlaments jedoch von der vormaligen: Bei den Wahlen im Jahr 2014 gelang es nur vier Listen, die 5%-Schwelle zu knacken, während es diesmal drei weitere Wahlbündnisse ins Parlament schafften. Außerdem verlor die SNS 27 Mandate, obwohl sie beinahe um 100.000 Stimmen mehr als bei den letzten Wahlen gewinnen konnte.
Die zweitgrößte Parlamentsfraktion ist die Sozialistische Partei Serbiens (SPS), die vormals von Slobodan Milošević angeführt wurde und beinahe 11% der Stimmen für sich verbuchen konnte. Diese Partei, deren Regierung während der Proteste im Oktober 2000 gestürzt wurde, schaffte es paradoxerweise, ihre Präsenz im Parlament zu ihren Gunsten zu nutzen und erwies sich in den letzten 15 Jahren als äußerst einflussreich. Die Partei unterstützte Vojislav Koštunicas Minderheitsregierung zwischen 2004 und 2007. Im Jahr 2008 schaffte sie es mithilfe eines Paktes mit der Demokratischen Partei, der dazu diente, die historische Bürde der 1990er vergessen zu machen, in die Regierung . Als Folge dieses Paktes war die SPS bis heute Teil einer jeden Regierung – ganz unabhängig davon, welche Partei die Wahlen gewonnen hatte.
Die Opposition wird noch immer von der Demokratischen Partei (DP) angeführt, einer Partei der Mitte, die die Regierung zwischen 2008 und 2012 anführte. Sie konnte einmal mehr kein gutes Wahlergebnis einfahren und musste sich mit 6% der Stimmen zufrieden geben, was exakt dem Resultat von 2014 entspricht. Sie wird sich mit der Sozialdemokratischen Partei Serbiens (SDP) zusammentun müssen, die ein Ableger der DP ist und vom ehemaligen serbischen Präsidenten Boris Tadić angeleitet wird, und mit seiner Koalitionspartnerin, der Liberaldemokratischen Partei (LDP), die ebenfalls eine Abspaltung der DP darstellt.
Die Neuzugänge im serbischen Parlament bringen in Wahrheit nichts Neues. Ein solcher Newcomer ist die nationalistische, rechtsextreme Serbische Radikale Partei (SRS), die von Vojislav Šešelj angeführt wird, der für seine chauvinistische und kriegshetzerische Rhetorik bekannt ist. Eine weitere neue parlamentarische Formation ist die konservative Koalition, die sich aus der konservativen Demokratischen Partei Serbiens (DPS) und der rechtsextremen Bewegung „Dveri“ zusammensetzt. Ehemaliger Anführer der DPS war Vojislav Koštunica, der nach Slobodan Miloševićs Sturz am 5. Oktober 2000 im Zuge der Massendemonstrationen Präsident von Jugoslawien geworden war. Die Partei wird nun von Sanda Rašković Ivić geführt, die oft als serbisches Gegenstück zu Marine Le Pen gehandelt wird. „Dveri“ kann als proto-faschistische Partei mit engen Verbindungen zur serbisch-orthodoxen Kirche definiert werden.
Die dritte neue Parlamentsfraktion, „Dosta je bilo“ (DJB, „Es reicht“), fügt sich äußerst gut in diese nationalistische Parteienlandschaft ein. Die Partei wird von Saša Radulović angeführt, einem ehemaligen Konkursverwalter, der Wirtschaftsminister in der Vučić-Regierung war. Radulović trat 2014 von seinem Regierungsamt zurück, nachdem er versucht hatte, ein neues Arbeitsgesetz durchzusetzen, das auf radikal-neoliberalen Grundsätzen beruhte. Dieses Arbeitsgesetz wurde mit geringfügigen Änderungen später im Jahr 2014 umgesetzt. Nach seinem Rücktritt begann Radulović mit dem Aufbau einer politischen Organisation, die eine neoliberale Agenda verfolgt und sich auf Korruption in der Vučić-Regierung konzentriert.

Pro-Russland vs. pro-EU

Nichts Neues also in der Politik. Die politische Landschaft hat sich mit diesen Wahlen kaum verändert. Seit 25 Jahren tauchen immer wieder dieselben Gesichter auf. Privatisierungen, die Beschneidung der Arbeitnehmer_innenrechte und fortgeführter Neoliberalismus kennzeichneten die Politik jeder einzelnen bisher gebildeten Regierung. Das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen den serbischen Parteien ist ihre entweder pro-russische oder pro-europäische Haltung. Auch dies scheint jedoch nicht wirklich von Bedeutung zu sein; die SNS, die herrschende Partei, scheint etwa beide Positionen zu vereinen: Premierminister Vučić befürwortet etwa einen Pro-EU-Kurs, während der ehemalige SNS-Präsident Tomislav Nicolić (nunmehr Präsident von Serbien) die pro-russische Linie der Partei vertritt.
Mit der neuen SNS-Regierung wird die Zukunft der serbischen Gesellschaft weiterhin von Neoliberalismus geprägt sein, was in den letzten Jahren zu Kürzungen der Beamt_innengehälter und Pensionen, der Privatisierung von staatlich geführten Unternehmen und natürlichen Rohstoffquellen sowie der fortgeführten Beschneidung von Arbeitnehmer_innenrechten geführt hat. In den letzten zehn Jahren wurde immer wieder das Mantra wiederholt, dass wir ein „besseres Wirtschaftsklima“ bräuchten; in der Praxis bedeutet dies jedoch schlicht erhöhte Subventionen für ausländische Investor_innen.

Hoffnungen auf eine linke Alternative

Das Wahlergebnis zeigt, dass die Menschen immer noch an die strahlende Zukunft glauben, die Vučić verspricht, sobald „die Reformen“ erst einmal umgesetzt sein würden. Das Problem ist nur, dass kein Ende dieser „Reformen“ in Sicht ist. Der Aufstieg der radikalen Rechten geht mit der Unzufriedenheit der Bevölkerung Hand in Hand. Problematisch ist, dass es im serbischen Parteienspektrum keine linke Wahloption gibt, die die aktuellen Entwicklungen nutzen und eine Alternative zum Status quo darstellen könnte. Abseits der Parteipolitik gibt es jedoch verschiedene Bewegungen, die eine vielversprechende Entwicklung durchmachen. Es bleibt zu hoffen, dass sich mit ihnen eine radikal linke Alternative herausbildet.
 
Vladimir Simović ist Soziologe und Aktivist. Er ist Mitglied des Center for Politics of Emancipation (CPE), einer Organisation, die Teil der radikal-linken Koalition Linker Gipfel Serbiens ist.