Dialop zwischen Marxist_innen und Christ_innen

Syros ist eine Insel, drei Fährstunden von Athen entfernt. Sie ist, wenn man so will, die „Hauptstadt“ der ägäischen Inseln. Ihre Geschichte ist voll von Flüchtlingen und Migrant_innen, die ihre jeweilige Kultur und Religion mitgebracht haben. Sie alle leben bis heute friedlich nebeneinander. Schon am Fähranleger springen einem zwei Kirchen ins Auge, die einander auf

Syros ist eine Insel, drei Fährstunden von Athen entfernt. Sie ist, wenn man so will, die „Hauptstadt“ der ägäischen Inseln. Ihre Geschichte ist voll von Flüchtlingen und Migrant_innen, die ihre jeweilige Kultur und Religion mitgebracht haben. Sie alle leben bis heute friedlich nebeneinander. Schon am Fähranleger springen einem zwei Kirchen ins Auge, die einander auf zwei Berggipfeln gegenüberstehen: eine katholische und eine orthodoxe. Die Sommeruni ist die erste von transform! Europe und der päpstlichen Universität initiierte Sommeruni und trägt den erstaunlichen Namen Dialop (abgeleitet von „Transversal Dialogue Project“). Als wir anfingen, dieses Dialogprojekt für Marxist_innen und Christ_innen zu planen, kamen wir spontan auf den Gedanken, diesen Ort für die Veranstaltung zu wählen.

Natürlich fand dieser Dialog dort nicht zum ersten Mal statt, in Italien gab es ihn ununterbrochen, was von der europäischen Linken nicht gesagt werden kann. Papst Franziskus hat hier eine einmalige Gelegenheit geschaffen und Möglichkeiten eröffnet, die sonst wohl verschlossen geblieben wären.

Die weltpolitische Lage, Kriege „in Serie“, die Frage der Migration und die Formen des Kapitalismus heute werfen Fragen auf, mit denen wir uns tagtäglich beschäftigen, wo wir häufig Analysen und Reaktionen teilen und die Verschlechterung der zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen beunruhigt wahrnehmen, insbesondere die wachsende Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit.

An der Sommeruni haben insgesamt 35 Studierende aus europäischen Ländern teilgenommen. Sie kamen zum Beispiel aus Albanien, Ungarn, Serbien, Spanien (sowohl aus dem Baskenland als auch aus Katalonien), der Ukraine, Deutschland, Italien, Griechenland und Polen, aber auch aus Argentinien, Uruguay, Burundi und Madagaskar. Intellektuelle, Politiker_innen und Hochschullehrer_innen aus dem marxistischen und christlichen Umfeld haben zur Orientierung an vier Themenbereichen gearbeitet: Dialog, Demokratie, Commons und Europa.

Natürlich bleiben die Differenzen von christlicher Religion und marxistischer Vision davon unberührt. Genau deshalb wollten wir Raum für einen Dialog schaffen, der eine echte Auseinandersetzung und ein tieferes Verständnis für diese Differenzen ermöglicht.

Diese jeweiligen Standpunkte sollen weder übernommen noch abgelegt werden, doch ermöglicht das Spannungsfeld eine zielgenaue Identifizierung derjenigen Werte, auf denen eine gemeinsame Vision aufgebaut werden kann und schafft einen Umriss für die Aufgaben, die in Angriff genommen werden müssen.

Der Zweck der Sommeruni ist denn auch nicht nur die Debatte, die natürlich eine immanente Bedeutung hat und sicher eine echte Bereicherung für die Teilnehmer_innen darstellt, sondern auch das Ausloten möglicher Formen der Kooperation bei bestimmten Problemen und das Erarbeiten einer Gewohnheit des Einander-Zuhörens.

Hierfür haben wir Arbeitsgruppen geschaffen, die sich mit den Themen Commons (auf Grundlage der Enzyklika Laudato si, der Umweltenzyklika), Integration, Migration, Demokratie und politische Teilhabe, der EU und einem alternativem White Paper sowie Zukunftsvisionen für dieses Projekt beschäftigt haben.

Die Fähigkeit, einander zuzuhören, Vertrauen aufzubauen und zu interagieren war die Grundlage, auf der wir uns dann gezielt Überlegungen zu bestimmten Problemen zuwenden konnten und ich halte es für maßgeblich, dass wir fortfahren. Zu erwähnen ist hier zweifellos das unterschiedliche Verständnis von sozialer Intervention durch das Kollektiv bzw. den oder die Einzelne, das wir bei uns beobachten konnten. Doch fiel es allen Teilnehmer_innen leicht, die Facetten des sozialen Kontexts einer jeden Person zu erfassen und so war der soziale Bereich ein Bereich großer Übereinstimmung. Am letzten Tag haben die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorgestellt. Hierbei waren wir alle recht überrascht, wie einig sich die Studierenden in ihren Standpunkten waren und wie sehr es ihnen gelang, effektive Vorschläge zu unterbreiten.

Ich selber nehme vom Dialop Erfahrungen mit, die mich bereichern und die, so hoffe ich, dazu beitragen können, die dunklen Wolken von Intoleranz und Angst zu vertreiben.