Klimagerechtigkeit im arabischen Raum aus feministischer Sicht

Source: UN Women (Flickr)

Im November fand in Ägypten die COP27 statt. Fatma Khafagy gibt eine analytische Übersicht über die feministischen Kämpfe im arabischen Raum, die eng mit Klimathemen verflochten sind.

Der arabische Raum leidet unter den Auswirkungen des Klimawandels, wie etwa dem Temperaturanstieg, der alles Leben auf der Welt bedroht. Wir erleben verstärkt Krisen, die vom Klimawandel verursacht werden: Wasserknappheit, einen steigenden Meeresspiegel, die Verschmutzung von Gewässern und andere Phänomene, die sowohl ganze Gesellschaften als auch Frauen im Speziellen betreffen. Frauen leiden unter den Risiken und Konsequenzen des Klimawandels während der arabische Raum ohnehin schon von bewaffneten Konflikten und Kriegen gezeichnet ist und die Palästinensischen Autonomiegebiete seit 1967 durch israelisches Militär besetzt werden. Die arabischen Regierungen reagierten spät auf mit dem Klimawandel verbundene Probleme, und auf seine Auswirkungen auf marginalisierte und verarmte Gemeinschaften in unserer Region.

Größere Schwierigkeiten in Kriegsgebieten und grenzübergreifenden Regionen

In den Palästinensischen Autonomiegebieten kontrolliert Israel 80% der Grundwasservorkommen im Westjordanland. In Gaza wird Menschen der Zugang zu landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in der von Israel eingerichteten „Pufferzone“ im Grenzgebiet verweigert, was 20% des gesamten fruchtbaren Ackerlandes darstellt. Im Westjordanland und in Ostjerusalem kommt es gehäuft zu Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung durch israelische Siedler:innen. In Palästina wurden zwischen 2012-2013 118 Wasser- und Sanitäranlagen zerstört. Derzeit leiden etwa ein Drittel aller Palästinenser:innen unter Nahrungsmittelknappheit. Diese Zahl wird weiter steigen, da 85% der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Palästina auf Regenfälle angewiesen sind, die Langzeitprognosen für den östlichen Mittelmeerraum jedoch von einem Rückgang der Regenfälle um 30% ausgehen.

Grenzüberschreitende Abhängigkeiten zwischen Ländern der Region verkomplizieren die Reaktionen auf die Klimakrise. Die Abhängigkeit des Iraks von der Türkei und dem Iran bezüglich seiner Wasserversorgung gefährdet das Land. Auch Syrien ist auf Wasser aus dem Euphrat und der Türkei angewiesen. Als die Türkei Dämme baute und während des Kriegs die Wasserversorgung Syriens kappte, erlebte das Land eine dramatische Wasserknappheit. Palästinenser:innen sind auf das Wasser angewiesen, das sie von der Besatzungsmacht kaufen müssen, daher sind sie dieser völlig ausgeliefert. Darüber hinaus müssen der östliche Mittelmeerraum, die Staaten Nordwestafrikas und die Golfstaaten stabile politische Beziehungen erhalten, um potentielle grenzüberschreitende Stromnetze zu schützen.

„Die Verweiblichung der landwirtschaftlichen Arbeit“

Im arabischen Raum sind die meisten weiblichen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt. Millionen von Frauen bewirtschaften Äcker, die ihnen nicht gehören. Und das, obwohl die Frauen, die im Landwirtschaftssektor beschäftigt sind, am besten dazu qualifiziert sind, Land- und Wasserressourcen zu schützen, sowie die Umwelt im Allgemeinen.

Die Frauen übernehmen viele Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Sie arbeiten hauptsächlich als unbezahlte Familienangehörige oder als bezahlte Landarbeiterinnen und Saisonarbeitskräfte, die einen Mindestlohn beziehen. Schätzungen zufolge besitzen Frauen nur etwa 5% der landwirtschaftlichen Nutzflächen im arabischen Raum. In Ägypten, im Land mit der längsten landwirtschaftlichen Tradition, ist nur 5% des Landes Eigentum von Frauen. In Tunesien besitzen Frauen weniger als 14%, im Libanon 7,1% und in Saudi Arabien 8%. Der Anteil an Frauen an den Arbeitskräften in der Landwirtschaft stieg in den letzten Jahrzehnten stark an, von etwa 30% 1980 auf 45% im Jahr 2010; ein Trend der auf der Welt einzigartig ist. In manchen Ländern der Region stellen Frauen aufgrund von Migration und bewaffneten Konflikten sogar 60% der Landarbeiter:innenschaft, was zum Phänomen der „Verweiblichung der landwirtschaftlichen Arbeit“ geführt hat.

Wie in vielen anderen Regionen sind Frauen im arabischen Raum für die Produktion von 60-80% der Nahrungsmittel verantwortlich und dennoch äußerst selten Landeigentümerinnen. Sie arbeiten in unsicheren Pachtverhältnissen, haben wenig Entscheidungsmacht und nur ein geringes Maß an Kontrolle über die Landnutzung. Gesellschaftlich konstruierte Geschlechterrollen, fehlender Zugang zur Landverwaltung und diskriminierende Praktiken schränken für Frauen die Kontrolle über Land ein. Dazu kommen in der arabischen Welt noch verschiedene nutzlandbezogene Eigenheiten des Gewohnheitsrechts und Religionsgesetze, die die Art und Weise einschränken, wie Frauen zu Landbesitz oder Kontrolle über Nutzflächen kommen.

Die Bürde der (unbezahlten) Care-Arbeit

Darüber hinaus nimmt das Leid der Frauen aufgrund der unbezahlten Care-Arbeit innerhalb des Haushalts zu, da sie die Bürde tragen, den Bedürfnissen ihrer Familienangehörigen nachzukommen und ihre begrenzten Ressourcen zu verwalten, um deren Sicherheit und Gesundheit sicherzustellen. Dieser Druck wird durch den Klimawandel verstärkt, sowie durch mangelhafte politische Maßnahmen und Programme, die auf die Bedürfnisse der am stärksten an den Rand gedrängten Gruppen eingehen sollen, einschließlich der Bedürfnisse von Frauen und Kindern.

Zukunftsperspektiven

Frauen müssen Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen wie Land und Wasser ausüben können, um ihre Sicherheit und Entscheidungsmacht zu gewährleisten, und um sich aktiv einbringen zu können. Sie müssen auch Zugang zu Technologie und Dienstleistungen haben, die ihre Arbeitslast erleichtern.

Die COP27 ist zu Ende und die COP28 wird im arabischen Raum stattfinden. Arabische Feminist:innen sind davon überzeugt, dass Frauen und Mädchen ein Recht auf aktives Engagement für Klimagerechtigkeit haben, da sie gleichberechtigt sind und Wandel herbeiführen können. 

Leider wird es zivilgesellschaftlichen Organisationen durch Auflagen der UN sehr schwer gemacht, die Akkreditierung zu erhalten, um an einer COP teilnehmen zu können. So muss etwa die Anmeldung ein Jahr davor erfolgen; außerdem ist der dafür einzureichende Antrag äußerst kompliziert. Bei der COP27 in Sharm Al Sheikh gab es für NGOs kaum Möglichkeiten zur Teilnahme. Die zuständigen Behörden gaben 28 ägyptischen (regierungsfreundlichen) NGOs den Vorzug, die nicht unbedingt im Klimabereich tätig sind und ließen diese teilnehmen. Ägypten sollte jedoch allen Arten von Organisationen, Gewerkschaften und Bewegungen bei nationalen wie internationalen Veranstaltungen Raum bieten.

Die meisten Maßnahmen zur Abschwächung und Anpassung des Klimawandels vernachlässigen die Rolle der Frauen und ihres wichtigen Beitrags. Weder dieses fortgesetzte Ignorieren der Rolle und des Potentials der Frauen, noch die bis jetzt gesetzten Maßnahmen werden eine wirkungsvolle Lösung der Klimakrise mit sich bringen. Frauen im arabischen Raum sind keine passiven Opfer der Klimakrise; sie stehen im Klimakampf bereits an vorderster Front als Vorantreiberinnen des Wandels, deren vielfältiges Wissen und unterschiedlichen Fähigkeiten für diesen Kampf von größter Wichtigkeit sind.


Referenzen

Die ersten aktualisierten landesweit festgelegten Beiträge Ägyptens (8. Juni 2022)
Ägyptens Nationale Strategie für den Klimawandel 2050. Erstellt von Integral Consult
Khafagy, Fatma (2022), Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen in Ägypten
Nationale Strategie zur Einbeziehung der Geschlechterperspektive in den Klimawandel in Ägypten (Juni 2021), EEAA, CIUCN, CEDARE