Grundeinkommen für Österreich, Europa und die ganze Welt Interview mit Klaus Sambor

Klaus Sambor aus Wien ist einer der Hauptinitiator_innen von Aktivitäten zum Grundeinkommen in Österreich und in Europa. Er ist auch einer der Hauptorganisator_innen der aktuellen europäischen Bürger_inneninitiative "Bedingungsloses Grundeinkommen in der gesamten EU", die von September 2020 bis September 2021 in allen Ländern der Europäischen Union stattfindet.

Auch verfügbar in Tschechisch auf der Website von !Argument

Marek Hrubec: 1. Was hat Sie zuerst zu einem bedingungslosen Grundeinkommen geführt? Was waren die Fakten oder Argumente? 

Klaus Sambor: Wir (meine Frau und ich) haben bei der Erarbeitung eines Buches "Die Wende der Titanic" mitgearbeitet. Dieses Buch ist 2005 erschienen und behandelte viele wesentlichen Themen, wie Ökologie, Demokratie, Wirtschaft und vieles mehr. Eine wesentliche Aussage ist "Eine gesicherte Existenz ermöglicht jedem Menschen eine Entfaltung seiner Neigungen und Talente. Bildung ist ganzheitlich und fördert die Freiheit des Individuums ebenso wie dessen Verantwortung für die Gesellschaft und Welt." Hier sahen wir einen direkten Zusammenhang mit der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) und widmeten uns danach in einer Attac Inhaltsgruppe "Grundeinkommen" diesem Thema. Das BGE ist ein Baustein im Transformationsprozess mit dem Ziel, ein "Gutes Leben für Alle" zu schaffen. 

2. Können Sie für Ihr Buch einige der Hauptprobleme und deren Lösungen angeben? Ich frage, um den Kontext zu klären, in dem das Grundeinkommen stattfinden kann.

In einem Text wird eine generationenverantwortliche Treuhandschaft an gemeinnützigen Zukunftsgütern beschrieben und die Problematik der juristischen Person (Anonymität, Haftungsbeschränkung, schrankenlose Kapitalverschiebung usw.) im Sinne von nachhaltiger Entwicklung. Ein mehrjähriger "(Welt-)Bürgerdienst" (Katastrophen- und Ökologiedienst) zur Erlangung einer lebenslangen Grundsicherung wird im Gegensatz zu der auch bereits im Buch ausgeführten Attac Vorstellung eines emanzipatorischen Bedingungslosen Grundeinkommens beschrieben. Es wurden beide Ideen als Grundlage für einen weiteren Dialog skizziert. 

3. Was sind die größten positiven Effekte, die Sie im Grundeinkommen sehen?

Befreiung von Lebensängsten, Abnahme von Dauerstress, Verhinderung von Armut und ihren zerstörerischen Folgen. Nur durch eine gesicherte Existenz kann man Arbeit, die destruktiv (Schädigung der Umwelt, Ausbeutung anderer Menschen) oder unzumutbar (Arbeitsbedingungen) ist, ablehnen. Kombiniert mit "neuer" Vollarbeitszeit von ca. 25 Stunden pro Woche ermöglicht es ein ganzheitliches Leben für die Menschen. Es gäbe weniger Erwerbsarbeitslosigkeit und mehr Freiheit, den Beruf frei zu wählen und auch andere Aspekte des Lebens zu verwirklichen. Für Partner_innen mehr Zeit, gemeinsam zu sprechen, für Kinder mehr Geborgenheit und für alle die Möglichkeit, zwischenmenschliche Beziehungen zu vertiefen. Auch die Möglichkeit, sich Problemen und deren Lösungen zu widmen. Das BGE erlaubt ein menschenwürdiges Leben mit mehr Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität, Gleichheit und Gesundheit. 

4. Welche sozialen Gruppen können am meisten vom Grundeinkommen profitieren?

Die Frage, welche soziale Gruppen am meisten durch die Einführung des BGE profitieren, beantworte ich nicht gerne, denn es würden alle profitieren. Sogar die "Reichen", die bei einer BGE-Finanzierungsvariante, die von "reich" zu "arm" umverteilt, würden profitieren, da sie sich in einer Gesellschaft mit sonst immer mehr Ungleichheit nicht unsicher fühlen müssen, keine Zäune, Bodyguards und dergleichen brauchen würden. Aber natürlich könnte man Jugendliche, die keine materielle Perspektivenlosigkeit mehr fürchten müssen, hervorheben oder auch Künstler_innen und Freiberufliche, die durch BGE risikoloser leben könnten.

Mit einem BGE ließe sich die auch unmittelbare Existenzsicherung für Kleinbäuer_innen mit der gesellschaftlich notwendigen sozial-ökologischen Transformation verbinden. Wenn dann Kleinbäuer_innen nicht zusätzlich einer Erwerbsarbeit nachgehen müssten, um überleben zu können, werden Erwerbsarbeitsplätze für andere frei.

5. Ein wichtiger Aspekt Ihrer Aktivitäten als Organisator von Grundeinkommensinitiativen ist, diese in internationaler und transnationaler Zusammenarbeit zu organisieren. Was ist der größte positive Aspekt der europäischen Bürger_inneninitiative?

Ja, ich finde es sehr wichtig, dass das Thema BGE national, Europa- und weltweit diskutiert wird. Momentan haben wir deshalb neben all den Aktivitäten in der EU auch jedes Monat eine weltweite Diskussion, die Ali Mutlu Köylüoglu organisiert. Er hat auch mit einer Working Group eine "Global Map of UBI Networks" erstellt. Dort sieht man derzeit die große Aktivität in der EU bezüglich der European Citizens Initiative (ECI). Aber natürlich ist es für die nichteuropäischen Länder genauso wichtig.

Der positivste Aspekt unserer ECI ist sicher, dass die Öffentlichkeit über das emanzipatorische BGE durch Zeitungen, Radio und TV-Sendungen informiert wird. Außerdem planen wir mit einem Brief an alle 704 EU-Parlamentarier_innen, diese über unsere ECI zu informieren und wollen sie auffordern, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die Idee zu unterstützen.

6. Halten Sie es für angemessen, das Grundeinkommen weltweit überall in derselben Höhe einzuführen oder unterschiedliche Finanzbeträge nach unterschiedlichen BIPs (oder anderen Kriterien) in verschiedenen Ländern oder Regionen einzuführen?

Es ist sicher wichtig, die Einführung eines BGE weltweit zu planen, wobei natürlich die geplante Höhe des BGE an den Finanzierungsmöglichkeiten der Staaten und nach der derzeitigen Einkommenshöhe der Menschen orientiert sein müssen. Auch andere Faktoren sind dabei zu berücksichtigen, z.B. was in den einzelnen Staaten neben einer finanziellen Absicherung, wie Bildung, Gesundheitswesen und Infrastrukturaufgaben wichtig ist. Wahrscheinlich wird es nötig sein, dass reichere Staaten ihre Hilfe-Beiträge für Entwicklungszusammenarbeit wesentlich erhöhen. 

7. Die Europäische Bürger_inneninitiative für bedingungsloses Grundeinkommen von 2013 bis 2014 hat wesentlich dazu beigetragen, die öffentliche Meinung zum Grundeinkommen in der Europäischen Union zu ändern. Nach der Initiative wussten mehr Menschen über das Grundeinkommen Bescheid und auch mehr Menschen wollten es. Wie sehen Sie diese öffentliche Transformation?

Es ist dies sehr wichtig gewesen und obwohl wir damals die Kriterien für eine erfolgreiche ECI nicht erfüllt hatten, war das Netzwerk für das BGE durch diese ECI so weit gestärkt worden, dass wir die Dynamik ausnutzten und gleich nach Abschluss der ECI den Verein "Unconditional Basic Income Europe" (UBIE) gegründet haben. Viele Menschen hörten vom UBI zum ersten Mal und entdeckten dessen Vorteile.

8. Welche Auswirkungen hatte diese Initiative auf die öffentliche Meinung in Ihrem Heimatland Österreich?

Der Einfluss war sehr groß! Wir versuchen die Öffentlichkeit mit diesem Thema weiter zu erreichen.

Wir haben in Österreich einen "Runden Tisch Grundeinkommen" (RTG), er dient der Vernetzung unterschiedlicher Vereine, Initiativen und Personen, die sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Der Zusammenschluss des RTG setzt sich für die Einführung des BGE in Österreich, Europa (Unconditional Basic Income Europe UBIE) und grundsätzlich auch weltweit (Basic Income Earth Network BIEN) ein.

Für Österreich hat man sich für ein "Gemeinsames Volksbegehren des RTG" entschieden, das am 6. Februar 2020 registriert wurde und bis Ende 2021 versuchen wird, mindestens 100.000 Unterstützungserklärungen zu bekommen, damit sich der österreichische Nationalrat mit der Frage des BGE ernsthaft beschäftigen muss.

Der Text des Volksbegehrens lautet: Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen. Wir fordern den Gesetzgeber auf, durch bundesverfassungsgesetzliche Regelungen, ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) einzuführen. Dieses soll jeder Person mit Hauptwohnsitz in Österreich ein menschenwürdiges Dasein und echte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Höhe, Finanzierung und Umsetzung sollen in einem Prozess, an dem die Zivilgesellschaft maßgeblich beteiligt ist, gesetzlich verankert werden. Dieses Volksbegehren wird parallel zu unserer ECI durchgeführt und gemeinsam beworben.

9. Was betonen Sie und Ihr österreichisches Team bei der neuen Europäischen Bürgerinitiative?

Wie oben erwähnt, führen wir parallel zu unserer ECI ein Volksbegehren durch. Dazu bilden wir ein Team von Sprecher_innen für beide Aktivitäten aus, das heißt, dass wir für alle 9 Bundesländer in Österreich jeweils 2 – 3 Verantwortliche ausbilden, die gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, um die Kampagnenarbeit regional zu unterstützen. Dies ist ähnlich, wie wir es bei der ECI für die Member States machen, nämlich "National Coordinators and Substitutes" zu finden, die für die Kampagnen in ihren Ländern die Hauptverantwortung dafür übernehmen, dass genügend Unterschriften gesammelt werden.

In Österreich haben wir bei Attac eine Gründungsdeklaration, die nun 20 Jahre alt ist und bei der u.a. ein Ziel festgehalten ist, nämlich: "Ein Gutes Leben für Alle bedeutet für uns konkret: die Würde aller Menschen wird geachtet, die grundlegenden Bedürfnisse werden befriedigt, individuelle Entwicklungsmöglichkeiten gefördert." Dazu bekommen wir immer mehr Unterstützung zur Verbreitung unserer ECI in der gesamten EU.

10. Sie haben die Verknüpfung von Organisationsebenen in Österreich, in Europa (UBIE) und weltweit (BIEN) erwähnt. Da ich mit meinen Kollegen auch versuche, nationale, europäische und globale Ebenen bei der Erforschung und Koordinierung von Aktivitäten zum Grundeinkommen miteinander zu verbinden, möchte ich Sie fragen, welche Partnerinstitutionen Ihrer Meinung nach für eine Zusammenarbeit geeignet sind. Bisher haben wir in nationalen, europäischen und globalen Sozialforen zusammengearbeitet, beispielsweise mit Gewerkschaften und gemeinnützigen Organisationen auf allen drei Ebenen sowie mit politischen Gruppen auf nationaler und europäischer Ebene.

Hier bin ich ganz derselben Meinung, dass wir auf allen 3 Ebenen entsprechende "Bündnispartner" suchen sollen. Bei uns sind neben den Gewerkschaften, die sich ja auch auf internationaler Ebene für unser Anliegen stark machen sollten, auch die kirchlichen Organisationen gefragt. Diese haben für die Anliegen durch den Papst Franziskus einen guten "Fürsprecher". Wir haben in Österreich einen "Christlich- marxistischen" Arbeitskreis. Vertreter aus diesem Kreis waren beim Papst auf Audienz geladen. 

Wir suchen ebenfalls das Bündnis mit den Jugendbewegungen, wie z.B. mit der Friday for Future Bewegung und werden zum Beispiel auch die ECI "Action on Climate Emergency" unterstützen und auch sie wollen unsere ECI für das BGE unterstützen.

11. Sie sind einer der Hauptinitiator_innen der Europäischen Bürgerinitiative 2020-2021. Was erwarten Sie von dieser neuen Initiative? Was kann von 2013 bis 2014 anders sein?

Mehr Leute als vorher wissen von den Vorteilen des BGE. Es wird dieses Mal gelingen, beide notwendigen Kriterien für eine ECI zu erfüllen. Es gibt zwei Kriterien für eine erfolgreiche ECI. Es ist notwendig, dass mindestens 7 Länder ihre Schwelle erreichen. Die zweite ist, dass wir in allen Ländern zusammen mindestens eine Million Unterschriften erreichen müssen. Siehe hier

Vielen Dank für das Interview.