Nichtwähler_innen als stimmenstärkste Fraktion

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen zeigen, dass linke, unabhängige Bürger_innenlisten gute Ergebnisse einfahren können. Ganz allgemein weisen die Resultate darauf hin, dass sowohl der Niedergang der PD als auch der fehlende Zuspruch zur Fünf-Sterne-Bewegung Platz für eine neue politische Kraft machen.

Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse ist jedoch Berlusconis zurückgewonnener politischer Einfluss.

Im Zuge der vergangenen Lokalwahlen mussten in einem Großteil der Kommunen Stichwahlen zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidat_innen abgehalten werden. Die Bürgermeister_innen waren damit also nur in seltenen Fällen in der Lage, im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit für sich zu gewinnen. Die Wahlbeteiligung stand im ersten Wahlgang bei 58 % der 9 Millionen registrierten Wahlberechtigten; in der Stichwahl bei 46 %.

Im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2012, bei denen noch 66 % der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht hatten, war die Wahlbeteiligung 2017 also niedriger. Diese Wahlen basieren stets auf der direkten Beziehung zwischen Kandidat_innen und Wähler_innen. Da sie immer weniger von den politischen Entscheidungen auf nationaler Ebene abhängen, wird ihnen in den Medien eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Magere Ergebnisse für Grillo

Die wichtigste politische Veränderung, die sich nach den Wahlen abzeichnete, betraf die Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento 5 Stelle – M5S). Obwohl sie auf nationaler Ebene ständig in einem Höhenflug begriffen ist, wurde sie nun im Rahmen dieser Wahl auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt.

In vielen Kommunen fuhr Beppe Grillos Liste nur Ergebnisse zwischen 5 und 6 % ein. Erwähnenswert ist der Fall Parmas, wo der amtierende Bürgermeister im Jahr 2012 zum ersten Bürgermeister der Fünf-Sterne-Bewegung gewählt worden war. Nachdem er jedoch 2016 aus der Partei ausgeschlossen worden war, führte er eine Bürger_innenliste an, die breiten Zuspruch fand und mit der er sich in der Stichwahl 2017 gegen den Mitte-links-Kandidaten durchsetzen konnte. Auch in Genua kam es zu interessanten Entwicklungen, wo die Spitzenkandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung ursprünglich per Online-Abstimmung gewählt worden war. Diese designierte Kandidatin wurde von Beppe Grillo jedoch abgelehnt; im Alleingang kürte der Parteichef ganz einfach einen anderen Spitzenkandidaten. Dieses Vorgehen kostete der Bewegung einiges an Wähler_innenvertrauen. Aus der Stichwahl zwischen dem Mitte-rechts- und dem Mitte-links-Kandidaten ging schließlich der Vertreter des Mitte-rechts-Lagers als Sieger hervor, der damit das Ende einer historischen Periode der linken Stadtregierung einläutete. Ganz allgemein machte sich ein sinkendes Vertrauen in die Fünf-Sterne-Bewegung bemerkbar. Dies ist nicht zuletzt auf ihre Arbeit in verschiedenen Regionen zurückzuführen.

Das Scheitern der Demokratischen Partei

Der PD (Partito Democratico – PD), die die Mehrheit ihrer Stichwahlen verlor, erging es nicht besser. Im ersten Wahlgang erreichten 29 Bürgermeister_innen der Partei die absolute Mehrheit; in 87 Städten mussten sich ihre Kandidat_innen der Stichwahl stellen. In der Mehrheit dieser Kommunen verlor die PD jedoch deutlich gegen Mitte-rechts-Kandidat_innen – wie etwa in Genua, Piacenza und L’Aquila – oder gegen die (wenigen) Kandidat_innen der Fünf-Sterne-Bewegung, wie in Carrara oder Guidonia. Für Matteo Renzi bedeuten diese Wahlen mit Sicherheit keinen Sieg, da sich die PD – um überhaupt eine realistische Chance auf einen Gewinn zu haben – in vielen Fällen nur als Wahlbündnispartnerin mit einer Bürger_innenliste oder linken Liste präsentierte. Das beste Beispiel dafür ist Palermo, wo die PD Teil eines Wahlbündnisses war, das den amtierenden Bürgermeister Leoluca Orlando unterstützte (einen bekannten, unabhängigen Kandidaten, der Palermo bereits viele Jahre lang regiert hatte) und dafür einen überwältigenden Zuspruch erfuhr.

Die schlechten Ergebnisse der PD führten zu parteiinternen Auseinandersetzungen. Auch bedeutende Repräsentant_innen denken nun über mögliche Bündnisoptionen nach und stellen die Parteiführung Renzis sowie seine Kandidatur als Premierminister in Frage. Sie suchen nach einer oder einem Reservekandidat_in wie Massimo D’Alema und Konsorten. Die Linke will nun eine Alternative zur PD zu entwickeln. Der ehemalige Bürgermeister Mailands, Giuliano Pisapia, ebnete am 1. Juli den Weg in Richtung einer progressiven Liste. Ehemalige PD-Mitglieder, wie die vormaligen Parteisekretäre Pier Luigi Bersani und D’Alema vertrauen auf ihn, den ersten Schritt zu setzen.

Die Rechte auf dem Vormarsch

Auf Seite der Rechten feiern die Lega Nord und das Berlusconi-Lager Erfolge – die Rückkehr Berlusconis und seines politischen Einflusses ist wohl als eines der bedeutendsten Ergebnisse der Wahl zu werten. Berlusconi dementiert Gerüchte über ein Übereinkommen mit Renzi, die nach der Wahl aufgekommen waren. Vielerorts scheinen Rechts-Koalitionen zu entstehen, obwohl die beiden Rechtsparteien in ihren Grundprinzipien tief gespalten sind.

Eine instabile und unsichere Zukunft

Das Wahlergebnis beschert Italien – gemeinsam mit der auf Herbst verschobenen Debatte um das neue Wahlrecht (die aktuelle Rechtsprechung wurde in einigen Gesichtspunkten für verfassungswidrig erklärt) – einen Sommer der Unsicherheit.

Auf Seite der Linken zeigen die Ergebnisse, dass unabhängige Bürger_innenlisten mit ihren radikaleren Vorschlägen gute Ergebnisse einfahren können, wie dies etwa in Padua der Fall war. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die PD und die Fünf-Sterne-Bewegung mit ihren schlechten Resultaten Platz für eine Alternative machen.

Zwei prominente Persönlichkeiten der Nein-Kampagne um das Referendum zur Verfassungsänderung 2016, Anna Falcone und Tomaso Montanari, waren in ihren Anstrengungen, die Komitees und politischen Kräfte dieser Kampagne des Vorjahres zusammenzuführen, durchaus erfolgreich. Im Rahmen einer Versammlung am 18. Juni wurde ein Prozess ins Leben gerufen, der den Weg für eine unabhängige Linke ebnen könnte, die sich bei den Parlamentswahlen vom Mitte-links-Lager distanzieren wird. Der politische Spielraum ist deutlich auszumachen – besonders in Form der niedrigen Wahlbeteiligung, die Italiens stimmenstärkste Fraktion zu sein scheint.