Konvergenzen der „ParlamentarierInnen für eine Alternative“

Siebzig ParlamentarierInnen aus 14 Ländern, die auf regionalen, nationalen und europäischen Parlamentsebenen gewählt sind, kamen in Paris zusammen, unter ihnen Pierre Laurent aus Frankreich, der Vorsitzende der Partei der Europäischen Linken. 
Das Treffen fand zu einem Zeitpunkt statt, als Regierungen mit der Unterzeichnung des Fiskalpaktes einen zusätzlichen Schritt in Richtung Implementierung der Sparpolitik unternommen hatten – unmittelbar vor dem massiven Protest gegen diese Politik, insbesondere dem transnationalen Streik am 14. November, der auch vom EGB unterstützt wurde.
Die Europäische Linkspartei (EL) beabsichtigte mit diesem Treffen, die ParlamentarierInnen bei der Überwindung der Isolation zu unterstützen, in die sie in ihren jeweiligen Landes- und Bundesversammlungen durch den neoliberalen Konsens geraten waren, und um erneut zu betonen, dass Alternativen zur Austerität bestünden.
Auf ihrem Treffen verurteilten die ParlamentarierInnen die Unterzeichnung des europäischen Fiskalpaktes ohne vorherige Debatte in der Bevölkerung. Die ParlamentarierInnen konstatieren einen wachsenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die gewählten VertreterInnen. Es wurden mehrere Initiativen beschrieben, die zeigten, wie einige Abgeordneten Schritte setzen, um diesem Souveränitätsverlust gegenzusteuern, zum Beispiel:

  • eine Anrufung der Gerichte, um zu zeigen, dass der Fiskalpakt europäischen Gesetzen widerspricht, die Menschenrechte und Demokratie gewährleisten sollen;
  • eine auf europäischer Ebene stattfindende Koordinierung der Positionen der Abgeordneten in nationalen Parlamenten, wie erfolgreich geschehen bei der Verhinderung des Gesetzes zum Streikrecht;
  • ein Aufruf zu einer „gesetzgebenden BürgerInneninitiative”.

Der Erfahrungsaustausch unter den ParlamentarierInnen hat zu nützlichen Einsichten hinsichtlich der Kämpfe gegen die Sparpolitik und den Fiskalpakt auf unterschiedlichen politischen Ebenen geführt.
In einem Bericht des Netzwerks transform! europe (das am Treffen beteiligt war), wurden im Verlauf der Debatte drei konsensuale Achsen festgehalten:
1. Demokratie: Es sind eine Beschneidung der Macht und eine Einschränkung der Freiheiten einschließlich einer radikalen Infragestellung der ParlamentarierInnen-Rechte zu konstatieren. Es ist notwendig, auf diese Situation zu reagieren, umso mehr, als diese Entwicklung zum Ende der politischen Debatte führt.
2. Soziales: In Oppositon zur Austeritäts-Politik haben gewählte PolitikerInnen der Linken die Verantwortung, eine Politik des sozialen Ausbaus (Harmonisierung sozialer Rechte, Stärkung öffentlicher Dienstleistungen) und „Sozialpakte“ im Gegensatz zum Fiskalpakt usw. vorzuschlagen.
3. Finanzierung: Es muss sichergestellt werden, dass soziale Fortentwicklung unabhängig von Kapitalmärkten finanziert wird. Das impliziert eine Transformation der Rolle der EZB (die Staaten statt Banken finanzieren sollte), die Besteuerung von Vermögen, die Verunmöglichung von Steuerhinterziehung, die Schließung von Steueroasen sowie die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Bank, die ausschließlich der Finanzierung sozialer und ökologischer Maßnahmen dient.
Ein Grundsatzpapier, das die Wege zu einem „anderen Europa“ darlegt, das auch die Bemühungen um Frieden thematisiert und sich gegen die Errichtung von NATO-Militärbasen richtet, soll den EL-Parteien und den gewählten Abgeordneten demnächst vorgelegt werden.
Die Anwesenheit von EuropäerInnen in unseren Initiativen auf lokaler und nationaler Ebene aus anderen als den bisher beteiligten Ländern sollte gefördert werden, um Solidarität zu demonstrieren und die Botschaft zu verbreiten, dass im Kampf gegen die Sparpolitik und die rassistische Gewalt niemand im Stich gelassen wird.
Unsere Überlegungen und Initiativen, wie wir uns gegenseitig in den Auseinandersetzungen, die wir in unseren Ländern führen, unterstützen und unsere Solidarität teilen, könnten auch für unseren Kampf gegen die extreme Rechte nützlich sein. Einige Parteien, die für eine soziale Transformation eintreten, haben bei Wahlen dazu gewonnen.
Zusammen mit transform! europe möchte die EL eine Analyse erarbeiten, die auf den Vorschlägen der ParlamentarierInnen für eine Alternative, die bei diesem Treffen gemacht wurden, beruhen. Die durch die neoliberale Politik durchgesetzten Austeritätspolitiken sind in ganz Europa identisch. Die Muster ihrer Implementierung sind allerdings nicht in jedem Land die gleichen. Dass die für Löhne und Einkommen arbeitenden Menschen auf dem ganzen Kontinent in scharfe Konkurrenz zueinander gestellt werden, hat massive und komplexe Folgen; die Subjektivitäten der Völker sind divers und die politischen Kulturen unterschiedlich. Ein besseres Verständnis dieser Aspekte, die bei diesem Treffen auftauchten, insbesondere auch im Hinblick auf die Strategien, die es zu verfolgen gälte, würde es gestatten, die Koordinierung voranzutreiben, während gleichzeitig die Unterschiede respektiert würden.
Die von transform! europe und der Europäischen Linkspartei für das Jahr 2013 ins Auge gefasste gemeinsame Arbeit im Hinblick auf diverse Szenarien zum Überwindung der EU-Krise sollten uns dabei helfen, unsere Strategien schon jetzt zu entwickeln.

Ausgewählte Interviews mit TeilnehmerInnen hier