2012 – Krise und Widerstand: Ein neues Kräfteverhältnis schaffen

10 Jahre nach Einführung des Euro, von dem gesagt wurde, er würde Europa einigen, ist die EU sozial und wirtschaftlich geteilter denn je.
Die Einheitswährung  hat im einen Teil Europas, in Ländern wie Deutschland oder Österreich, vergleichsweise hohe Wachstums- und Beschäftigtenzahlen ermöglicht; bei Lichte besehen aber nur deshalb, weil andere Länder sich verschuldet haben, um deren Waren zu importieren. Wachstum der Einen durch Pump der Anderen. Das ist ein geniales Konzept für ein Pyramidenspiel, aber nicht für eine Integration. Die Gegensätze, die heute Europa zerreißen, sind aber nicht nationale Gegensätze, sondern solche, die innerhalb der Nationen wirken. Der  Reichtum ist bei den Einen genauso ungerecht verteilt wie die Auswirkungen der drastischen Sparprogramme bei den anderen.
So hat der Euro die bestehenden Ungleichheiten, die zwischen bevorzugten und zwischen benachteiligten Regionen, zwischen Arm und Reich sowie zwischen Kapital und Arbeit bestehen, vergrößert.
16 EU-Gipfel im vergangenen Jahr haben nicht aus der Krise hinaus, sondern nur immer tiefer in sie hineingeführt. Nach allen Maßstäben ist das Konzept der neoliberalen, kapitalistischen Integration gescheitert. Der Schaden trifft Millionen Menschen, gleich in welchem Land sie leben, gleich welche Sprache wir sprechen, welches Geschlecht sie haben, und ob bzw. welcher Religion sie angehören.
Die alarmierenden Zeichen mehren sich. Die so genannten „Expertenregierungen“ in Italien und Griechenland, die die unsozialen Austeritätsprogramme implementieren sollen, die Verschärfung des „Stabilitätspaktes“ und die Vorlage eines neuen EU-Vertrages durch das Duo Merkel/ Sarkozy, der kommendes Jahr ratifiziert werden soll, weisen in eine gefährliche Richtung. Sie zeigen, dass die Krise nicht nur den Lebensstandard von Millionen Europäern gefährdet, sondern auch droht, die Demokratie zu verschlingen.
Sich gegen die Maßlosigkeit zu wehren, kann auch nur gemeinsam gelingen. Man muss den 25 privaten europäischen Großanken, die den „Finanzmarkt“ kontrollieren und die Staaten und die EU in Geiselhaft halten, Grenzen setzen und den Reichtum den Menschen, die ihn täglich schaffen, zurück geben. Dazu braucht es wirkliche Demokratie auf allen Ebenen, der lokalen, der nationalen und der europäischen.
Paradoxer Weise werden die dazu erforderlichen Politiken seit Monaten diskutiert. Sie werden von Experten öffentlich diskutiert; sie werden von sozialen Bewegungen aufgegriffen; sie finden sich in den Programmen von Gewerkschaften und linken Parteien. Sie zielen darauf, dass die Sanierung verschuldeter Staaten aufhört, lukratives Geschäft der privaten Großbanken zu sein. Die durch die überhöhten Zinsen aufgelaufenen Schulden müssen zu Lasten der Banken gestrichen werden. Geld- und Finanzwesen gehören unter demokratische Kontrolle gestellt. Die Großbanken, die 2008 und 2009 scheinbar nur deshalb aus Steuergeldern gerettet wurden, damit sie jetzt die Staaten ausplündern, müssen in Gemeineigentum übernommen werden. Gemeinden, Länder und Staaten brauchen zu ihrer Finanzierung nicht  die Finanzmärkte. Die – theoretisch uns allen gehörendenden – staatlichen Zentralbanken und insbesondere die Europäische Zentralbank müssen, anstatt den Banken billiges Geld nachzuschmeißen, günstige Kredite für notwendige Investitionen der öffentlichen Hände bereitstellen.
In Europa wird heute, mit einigen Ausnahmen, rechts regiert. Den Zumutungen der Finanzmärkte entgegenzutreten erfordert eine Änderung des sozialen und politischen Kräfteverhältnisses, in den Staaten und in der EU.